3. Juli, Point du Hoc

Wohnt nicht eine gewisse Tragik inne; Packt einen Sozialabstinenzler in ein mickriges Zelt, wirf ihn auf fremdes Terrain und wohnt seinen Erlebnissen bei.

So langweilig selbige auch sind.

Während ich rauchend und Kaffee schlürfend vor meinem Zelt sass – witterungsbedingt mit Kapuze, Shorts und nackten Füssen einem Hobbit nicht unähnlich – begannen die lustigen Holländer ihre Behausung zu verräumen. Erstaunlich welche Gerätschaften man erstens braucht und zweitens in einem Ford Fiesta Baujahr Apfelschnitz verstauen kann. Während die Dame mit Bauarbeiter-Dekolleté in spastischen Bewegung die Matratze ihres luftigen Inhalts befreite, war ich dankbar, dass in meinem Kopfkino nachts zuvor nicht die ganz grosse Vorstellung lief.
Sass da – unter der Kapuze rauchend und schmauchend – erfüllt von einer gewissen Dankbarkeit, dass trotz aller sozialen Abstinenz, ignorierend der eigenen Defizite, nichts weniger als eine pädagogisch ausgebildete, kompromisslose Schönheit meinen Ansprüchen gerecht wird. Die Sonne träufelte weiterhin in grossen Tropfen vom Himmel, ich beschloss etwas zu fahren. Im Trockenen aufrecht sitzen, man lernt die einfachen Dinge des Lebens zu schätzen.
Das Ziel war der Point Du Hoc. Etwas Geschichte, die (USA USA USA)-Rangers erklimmten an diesem Punkt die Felsen um die Geschützbunker auszuschalten, dass die Allierten mit möglichst geringen Verlusten landen konnten.
Spätestens als sich eine Japanerin – nehme ich an, diese Asiaten sehen für mich alle gleich aus – lächelnd vor einem Bunker in Pose warf und mich bat, sie auf ihrer Nikon zu verewigen, wurde ich mir der Respektlosigkeit gewahr. Vor siebzig Jahren schlachteten sich Menschen für die Interessen von höheren Herren gegenseitig ab und heute posieren auf dieser blutgetränkten Erde lachende Asiaten.
Na ja, da darf man sich wohl nicht zuviel Gedanken machen.
Nach siebenhundert Fotos tapste ich hinter einer Gruppe – sie kennzeichneten sich stets mit Namensschilder, damit auch kein Fremder den Ausführungen der Reiseleiter lauschen würde – unter wehenden Sternenbanner zurück zum Auto.

Fuhr in Richtung Grandcamp Maisy, überlegte ob dies ein Grändcämp oder ein Grondcomp ist, bis sich mein Interesse nach ihrer Entdeckung, nur noch auf die örtliche carrefour-Fililae bezog.
Der Mann der aus der Kälte kam. Und in die Kälte ging.
Der Bequemlichkeit halber haben die Betreiber den gesamten Supermarkt auf gfühlte zehn Grad gekühlt und aus jeder Ecke wehte eine klimatisierte Brise.
Der Hunger ist stets ein schlechter Einkaufsberater. Von Baguette über Apfeltasche bis zu Schokolade im leckeren Zweihundertgramm-Block mit einer eingeschmolzenen Wagenladung Haselnüssen. Bei carrefour zu kaufen hat was von Teleshopping. Die Produkte sind preislich nicht direkt beschriftet, am Regal ist der Preis vermerkt und ähnlich dem Börsenkurs sind die aktuellen Brotpreise vor der Tür angeschlagen. Die Preistafel am Regal besteht aber nicht aus irgendwelcher Cellulose; Ein digitales Display ermöglicht die sofortige Preisanpassung, sobald sich meine produktbeladene Hand in Richtung Einkaufskorb bewegt.
Dazu – scheiss auf Umweltschutz – Plastikmesser, Küchenpapier und eine Tasse. Eine richtige Tasse, weisse Keramik mit Griff und einem netten Muster. Franzosen pflegen ihren Kaffe ja aus einer Art Katzenschüssel zu läppeln, Boule nennen sie dies, da war ich direkt froh, ein osteuropäisches Gefäss zu erstehen.
Selbiges wurde mir unter Monsieur-Rufen auch nachgetragen, als ich es in der Mulde nach der Kasse stehen liess. Mein ‘oh mince alors, zut’ liess die Rentnertruppe zu allerlei amüsierten Bemerkungen hinreissen, welche ich mit zuckersüssem Lächeln quittierte. Ich verstand kein Wort.

Männer sind nunmal so; Die Zecke ging mir – im übertragenen Sinne, so hoffe ich – nicht aus dem Kopf, ich fühlte mich etwas kränklich. Vielleicht auch das Dauerleben in Feuchtigkeit. Jedenfalls kuschelte ich mich zurück in mein Zelt, ass ein Baguette mit einem halben Glas Honig und trank endlich richtig heissen Kaffee.

Den Rest des Tages verbrachte ich mit Stephen King und Professor Layton. Ja, lacht nur, aber ein Nintendo DS ist noch die letzte vernünftige Form der digitalen Spiel-Unterhaltung. Gut, er spielt keine BluRays, hat keinen Netzwerkanschluss, ist nicht hochauflösend, aber es geht doch nichts über den guten, alten Game-Boy und vollendete Spiele von Nintendo.

Der Winter naht.

Über RAB

Ein Schreiberling mit nüchternem Blick auf das Leben, beim Versuch, selbiges aus satirischer Sicht etwas angenehmer zu bewältigen.
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