Boulevard périphérique

Unverbesserlich wie ich bin, begab ich mich einmal mehr auf den Boulevard périphérique.
Klingt wunderschön, für mich bald der Boulevard of broken dreams.

Am Rande, wenn wir bei Reiseberichten sind; Habt ihr gestern die SN gelesen? Der Markus Müller, SVP-Kantonsrat und Swiss-Linienpilot berichtete wieder von seinen Abenteuern. Ich benutze das Wort Held beileibe äusserst selten, aber sie Herr…
Ehrlich, ich befürchte, dereinst wassert er einen Airbus auf der Höhe Büsingen, nur um zu beweisen, dass Sullenbergers Hudson-Einlage völlig überbewertet wird und die Swiss-Piloten, im speziellen die alte Garde welche noch in Hinterpfurzistan auf der Mini-Golf-Anlage landen und starten musste, die Besten der Besten, der Besten der Welt sind.

Erst noch durch das Städtchen Boulogne, nachdem ich auf der Autobahn aufgrund einer schlecht beschilderten Umleitung den selben Abschnitt viermal befuhr, die Strassenarbeiter lachten sich wohl scheckig.
Endlich einen Parkplatz gefunden, entweder ist das Parken in Frankreich wirklich per se gratis, oder ich finde die Ticketautomaten einfach nicht, schäme mich beinahe, aber ich benötigte tatsächlich mein Smartphone um in der Stadt zu navigieren. Namentlich um mein Auto zu finden, welches ich in weiser Voraussicht mittels einer Wegmarke bei Google Maps festgetackert hatte.
Es wird im Reiseführer gewiss nicht empfohlen, das Streunen durch Hinterhöfe, an brennenden Mülltonnen und Strassenschlachten vorbei, gekleidet wie der klassische Tourist mit praktischer Umhängetasche – ein Griff genügt, für den Voleur wie für mich -ein iPhone neuester Generation vor den Augen und eine navigierende Stimme, quäkend, in Sinn und Zweck wie der billige Jakob.
Also flanierte ich etwas durch das Boulogne, bis ich mich hinterfragte, was ich hier eigentlich tue oder wem ich was beweisen will.

Flugs war ich in einer auf 21 Grad gekühlten Blechkiste unterwegs nach Paris, während das Aussenthermometer noch vor 12 Uhr die 30 Grad-Marke knackte. Nochmals sechs Grad mehr auf dem Boulevard périphérique, auf Anhieb kenne ich mehrere Personen, welche sich darüber einen Ast freuen würden, meine Wenigkeit fand es eher mühsam. Natürlich, es könnte mir egal sein, hatte ich ja eine Klimaanlage, aber mein Wagen…
Wenn man oft alleine unterwegs ist, entwickelt man – oder vielleicht nur ich – eine besorgniserregende Beziehung zu den begleitenden Gegenständen. Ganz ehrlich, ich hörte mein Wagen schnaufen und ächzen, nur damit ich im bald um 20 Grad kühleren Innenraum fläzen konnte. Bei vierzig Grad schaltete ich die Klimaanlage aus, liess die Fenster runter und schonte mein Fahrzeug.
Nennt es kindisch, aber letztendlich hat mich noch nie eines meiner Auto im Stich gelassen, vielleicht ist ein wenig Mitgefühl nicht das Falsche. Es kommt ja auch etwas zurück, ist ja nicht wie bei den Menschen.

Dreckig wie ein Franzose und fluchend wie ein Rohrspatz garte ich also auf dem Boulevard périphérique. So wird die vier-spurige Autostrasse rund um Paris genannt. In staatlicher Hand, wohlgemerkt, daher beträgt die theoretisch erreichbare Geschwindigkeit auf der 110-er-Strecke auch einen Durchschnitt von 43 Kilometern pro Stunde. Eine glatte Lüge, man kann während des Nachmittagsverkehrs durchaus einmal das Auto verlassen und sich die Beine vertreten. Man muss nur auf die Roller und Motorräder acht geben, welche halsbrecherisch zwischen den Wagen durch schlängeln.
Normal, als ich auf der äussersten rechten Spur war – bei stop&go unter vierzig Grad vermittelt mir die Nähe zum Pannenstreifen ein gutes Gefühl – als ich feststellte, dass ich nach ganz links muss. Drei Fahrbahnen kreuzen, im emotional geladenen Stossverkehr, als Ausländer.
Was ich schnell lernte, der Blinker zeigt nicht an „Ich würde dann gerne…“, da kommt man nie durch. Der Blinker ist ein reiner Ausdruck des guten Willens, dem Hinterman zeigend „Ich gehe dann mal…“. Sobald sich zwischen zwei Stossstangen eine Lücke auftut, weil der Fahrer links zum Beispiel gerade den Zigarettenanzünder im Gesicht hat, muss man rein stossen. Kein tolles Gefühl, denn wenn man die Wagen sich so ansieht versaut dem Franzosen eine Delle nicht direkt den Tag und Stossstangen sind zum schubsen da. Derart unverfroren schaffte ich es tatsächlich auf der ganz linksseitigen Spur wieder zum Stillstand zu kommen.

Was fährt der überhaupt nach Paris. Mit dem Wagen.
Nun, unsere städtischen Busse übersteigen bereits meinen Intellekt, im Züri-Tram würde ich bereits verschollen gehen, was denkt ihr, wohin es mich bei den öffentlichen, französischen Verkehrsmittel verschlagen würde?
Aber ich bin ganz ordentlich zu Fuss und mitten in Paris, also beinahe, befindet sich ein Campingplatz. Dumm nur, als ich dort ankam hatte ich von Paris, Autos, Menschen und der Welt im Allgemeinen so die Nase voll, dass ich am liebsten mit einem Obelisken um den Hals in die Seine gesprungen wäre.
An der Reception stand ich eine halbe Stunde an, weil vor mir eine dumme kleine Asiatin – man weiss nie, sind die jetzt 12 oder 48 Jahre alt – sich über den Thesen beugte und dem Monsieur wiederholt ihren Namen diktierte und ihr Anliegen vorbrachte. Eine Diskussion um fünf Euro. Wann immer ich dachte, jetzt wäre es fertig, wuselte ein weiterer Chinese heran und das Gespräch wurde erneut aufgenommen. Es war mir rätselhaft, ob diese zusammen gehören, oder diese kleinen, schlitzäugigen Mistkerle die Gunst der Stunde und des begriffsstutzigen Schweizers in der Reihe wahr nahmen.
Bis ich die 12 oder 48-jährige kleine Chinesin nahm und über die Theke warf.
Nicht wirklich, aber der Gedanke gefiel mir, sie schien keine vierzig Kilogramm zu wiegen. Es mag Männer geben, welche darauf stehen, mir sind dieses Asiatenfrauen irgendwie suspekt, alles andere als anziehend.
Als ich endlich abgefertigt wurde, war das Gelände wohl bis auf einen Platz auf der Kommunen-Wiese ausgebucht. Ich mag Menschen und fremde Menschen gleich dreimal nicht. Mein Zelt, neben dreissig Studenten und anderem intellektuellem Gesocks mit Gitarre und billigem Wein. Mein Wagen, irgend auf einem Kollektivparkplatz, im Hinterkopf hatte ich schon die Bilder von brennenden Fahrzeugen im Pariser Vorort.rene-cremateurLange Rede, kurzer Sinn; Ich habe Urlaub, ich muss den Skipass nicht herausfahren, weil er bezahlt ist und ich muss auf dem Campingplatz nicht nächtigen, weil ich eingecheckt habe. So ich ein paar Euronen über mein persönliches Wohlfühlen stelle, sind wir wieder beim Obelisken und der Seine. Ich nutzte den Platz also dazu, eine neue Seite meines Campingführers aufzuschlagen, fädelte mich wieder in Stadtverkehr und tuckerte los nach des Sonnenkönigs Residenz. Natürlich erst, nach einer weiteren Stunde Stau um die Stadt wieder zu verlassen. Sie wollen einem anscheinend weder drinnen noch draussen.

Au fait; Ich will im Winter nach Paris, Zug oder Flieger, in ein Hotel. Freiwillige vor, so du des Französischen… ich meine Französisch sprichst, wäre das natürlich von Vorteil.

Rambouillet, nannte sich das nächste Kaff.
Eine Umleitung führte mich via Feldwege durch den Wald. Allein auf weiter Flur, in Erwartung einer Fallgrube und einer Horde Mutanten, deren Abendessen ich sein sollte. Quelle surprise, ich erreichte einen idyllischen Platz, inmitten des Waldes.
Ob ich der R.B aus L. wäre und drehte den Monitor, um mir meinen Eintrag – sowie 20 andere, Datenschutz wird gross geschrieben – zu präsentieren.
In der Tat.
Ich hätte vor zwei Stunden in Paris eingecheckt.
Dies wäre schon in Ordnung so, sagte ich.
Es lag wohl eher an der sprachlichen Barriere, als an meinem ‚Sie wissen schon‘-Geheimagent-Pokerface, dass wir die Sache nicht weiter vertieften. Oder die Dame hatte einen Bonusvertrag und scherte sich einen Dreck darum, ob ich an einem oder fünf Plätzen gleichzeitig gemeldet wäre, solange ich die Taxe abdrücke.

Es war ein hübscher Platz. Bis auf die Stechmücken. Meine Beine sahen aus wie eine Buckelpiste. Ja nicht aufkratzen, bla bla… Ich weiss nicht ob es ein Patentrezept gibt, meines war Fingernägel und ein Taschenmesser, das Blutbad hätte alle Wölfe anlocken müssen, wirkte aber auf die Mücken nur noch einladender.
Ich verbrachte viel Zeit unter der, für einen Campingplatz, ansprechenden Dusche. Hitchcock-mässig trof das Blut in die Rinne zu meinen Füssen.duschenSehr angenehm, warmes Wasser im Überfluss.

Der Platz war wohl irgendwie alternativ angehaucht. Die Limonade kaufte ich in der Bügel-Glasflasche, deren Öffnen stets wie ein Pistolenknall über den Platz fegte und im Bierregal stand nur ein trübes, blondes Bio-Bier. Man musste es ein wenig kauen, aber ansonsten ganz lecker. Sehr sogar, gleich drei genehmigte ich mir.bier

Wenn man schon im Wald sitzt, erschien mir Herne’s Konterfei auf der Etikette nur angemessen, ein bisschen Robin of Sherwood-Feeling.

Reichte nicht ganz um mich abzuschiessen, also nuckelte ich mich bi 25 Grad, im offenen Zelt mit Single-Malt in den Schlaf.whiskeyIn diesem Sinne.

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Über RAB

Ein Schreiberling mit nüchternem Blick auf das Leben, beim Versuch, selbiges aus satirischer Sicht etwas angenehmer zu bewältigen.
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