C-Alarm bei Familie S.

Nun würde ich nicht behaupten in einem Reinraum zu leben, aber ich gehe doch wöchentlich mit meinem Saublaser Heinzelmann durch.
Da ich mich nicht rühme, öfters Besuch zu empfangen und so sich eine etwaige Beehrung abzeichnet dazu neige mich unter der Treppe zu verstecken, mag man die ganze Aktion in Frage stellen, doch unverhofft kommt oft und daher bin auch stets um ein ordentlich gereinigtes Bad bemüht.
So dann in der Küche vielleicht auch das Geschirr verräumt ist, sei es nur im Geschirrspüler, und die Kaffeemaschine nicht aussieht als würde sie regelmässig im heissen Brühgetränk getaucht, wäre man schon in der Lage, eventuellen Besuch zu bewirten.
Unter Umständen gar an einem Tisch, welcher mehr als nur eine winzige Stellfläche auf der Titelstory ‚Maja Brunner gewinnt den Grand Prix der Volksmusik – Topaktuell und exklusiv nur in ihrer Schweizer Illustrierten‘ anbietet. Einmal kurz durchgewischt und schon klebt auch der Unterarm nicht an der Tischplatte fest.

Es ist ein kleines, sollte man denken, und dennoch betrete ich immer wieder Häuser und Wohnungen, nach welchen ich mir am liebsten die Haut in Streifen abziehen möchte. So auch jetzt, als ich diese Zeilen verfasse, bringe ich den Geruch der Leber an Zwiebeln vom Montag, dem Katzenklo in der Küche und der Frischwasserabneigung von Frau S. nicht aus der Nase. Gepaart mit einer gesunden Aversion gegen Frischluft, betritt man ein Ambiente, so ich behaupte, dass im Vergleich dem Herrn Howard Carter aus der Grabkammer von Tut-Ench-Amun die reinste Febreze-Brise entgegenwehte.
Dreh-, Angel- und Lebenszentrum scheint das Wohn- Schrägstrich Esszimmer zu sein, da ich unter den fünf Katzen und der gesammelten Altpapiersammlung des Dorfes ein Möbelstück vermute, welches einem Tisch nicht unähnlich sehen würde. In unmittelbarer Pupillen-Killer-Distanz dazu, eine immens grosse Staubflocke, welche sich dadurch von Artgenossen abhebt, dass ihrer Mitte ein Fernsehbild entspringt.
Selbiges erfährt eine Änderung, so man an einem zerkauten – und dies obwohl kein Familienmitglied mehr Zähne hat -, cola-getränkten und Chips-Patiniertem länglichen Stück Kunsttoff – im Fachjargon Fernbedienung – eine der drei verbliebenden Tasten betätigt.

Es gibt nichts ekligeres als Fernbedienungen. Viele würden sagen Geld, Toilettensitze oder trübe Gläser, aber nein, es sind Fernbedienungen. Da niessen die Leute drauf, die nehmen sie mit Schmutzfinger zur Hand, essen kleckert darüber, der Hund spielt damit, sie rutscht in die Sofaritze und so der Junior zwischen seinen Adult-Entertainment-Kanälen umschaltet, brauche ich nicht Horatio Caine’s UV-Licht um die Spuren von etwaigen Körperflüssigkeiten zu finden.
Es wäre gar unhöflich, demonstrativ mit klatschendem Geräusch einen Latexhandschuh überzuziehen, aber den Wunsch kann ich nicht verleugnen. Während dessen geht die Kundschaft auf Tuchfühlung, eine leicht feuchte Aussprache lässt jeden Luftbefeuchter alt aussehen und ich werde über die Mängel der technischen Funktionen in Kenntniss gesetzt. Körperkontakt zu fremden Menschen ist mir seit jeher unangenehm und ein zaghaftes Luft schnappen – ich bemühe mich ganz flach zu atmen – verrät mir, dass der regelmässige Gebrauch von Zahnbürsten im Hause S. eher leger gehandhabt wird.
Die Aufforderung Platz zu nehmen schlage ich höflichst aus und bewege mich weiterhin mit der Grazie eines John Travolta durch das Haus, um jegliche Kontamination mit Einrichtungsgegenständen oder Personen auf die Sohle meiner Caterpillar zu beschränken.

Man kann sich winden und tänzeln wie man will, einem ordentlichen Keimbesatz der Handflächen wird man sich nicht entziehen können. Den Kugelschreiber entsorgt man danach, keine Frage, aber das Lenkrad, die Türgriffe, das Handy… Es gibt kein Entrinnen. Wohl bin ich mit einem gesunden Immunsystem gesegnet, aber der Ekelfaktor lässt mich würgen, so meine Gedanken die wahren Horrorszenarien durchspielen.
Der Vorteil, man gerät nicht in Versuchung, sich eine Brotzeit zu gönnen, nichts desto trotz – und dem zahnärztlichen Rat zuwider – spülte ich den schalen Geschmack mit einem Red Bull hinunter. Erst den Dosenrand mit dem T-Shirt – es ist sicher unter zwei Kleidungsschichten verborgen – gewischt und hernach mit einem kleinen, weissen keimfreien Kunststoffbeutel als Adapter die Lasche nach oben gezogen, um den Ausguss zu öffnen.
Es Bedarf etwas Fingerspitzengefühl, hält man die Dose zu fest, wird diese durch die plötzliche Druckentweichung nach dem Öffnungsvorgang leicht gepresst und die beinhaltete Köstlichkeit ergiesst sich in einem Schwall aus dem Behälter.

Reflexartig führt man die Dose an den Mund, der Zeigefinger gerät an die Lippen und die ganzen Bemühungen zunichte gemacht.

Über RAB

Ein Schreiberling mit nüchternem Blick auf das Leben, beim Versuch, selbiges aus satirischer Sicht etwas angenehmer zu bewältigen.
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