Das trägt Paris; Leute und Mode im Gym

Ey Alte, musch Fitnesskleider chaufe!, mit dieser Betonung, wie sie nur frisch importierte Shipis oder nachgezüchtete Secondos beherrschen.
Was?, zieht die mit seinem Smartphone verbundenen Ohrstöpsel aus den abstehenden Flatterlappen an seinem Haupt.
Musch Fitnesskleider chaufe, weisch Mann! zeigt mit dem Indexfinger seiner linken Hand zum Angesprochenen, nicht ohne im Spiegel seinen definierten Arm zu bewundern, welchen seine Fitnesskleidung zur allgemeinen Betrachtung frei gibt.

Der Junge mit dem wertvollen Tipp sass auf dem Butterfly Reverse, kennt ihr nicht aber ist auch nicht weiter relevant, der Knabe, welcher seine Garderobe aufzubessern hat, lümmelte drei Stationen weiter auf dem Vertical Row und tippte Nachrichten.
Meine Wenigkeit, unbemerkter Zeuge der Unterhaltung und sich bezüglich Garderobentipps irgendwie auch angesprochen fühlend, eingezwängt im Abdominal Crunch und völlig demotiviert, die Gewichte auch nur einen Millimeter zu bewegen.

Der Bub auf dem Vertical Row trug eine kurze Adidas-Hose, ein unscheinbares, graues Shirt und auf dem Kopf eine Kappe. Eine Schirmmütze, nannte meine Generation dies noch. Nur stand da weder Interdiscount, Fendt noch Rinatol auf der Front, sondern Chicago Bulls.
Daran stört sich auch niemand. Was ich nicht verstehe, ist die Bauform der neuen Mütze. Wurde früher der Schirm sofort zwischen den Händen gerollt um eine der Gesichtsform entsprechende Biegung desselbigen zu erreichen, trägt man ihn heute gerade. Und wirklich gerade, da könnte man Murmeln balancieren. Auf, oder unter dem Schirm befindet sich ein schillernder Aufkleber. Ihr wisst schon, glänzend in allen Farben reflektierend, wie jeweils die heiss begehrten Wappen bei den Fussball-Panini-Bildern. Wirkt für den Laien wie ein Preisschild oder eine Pflegeinstruktion, scheint aber ein unabdingbares Styling-Accessoires zu sein.
Die Mütze wird eher lose aufgefsetzt. Mit dieser Tragart, in Kombination mit dem geraden Schirm und dem lustigen Sticker, wirken die Träger wie Lausejungen und man guckt unweigerlich nach einem oben montierten Propeller und dem unvermeidbaren Pflaster am aufgeschürften Knie. Nur die Eigenschaft, dass der Schirm in eine x-beliebige Himmelsrichtung zeigt und mit Gewissheit dem Antlitz keinen Schatten spendet, stört die Vollendung des Charlie Brown-Verschnitt.charlie-brownWieso Alte?

Isch ims mega wichtig eh Mann; Sprachs vom Butterfly Reverse.
In einer grauen Trainerhose. Im Bereich des Gesässes leicht durchgeschwitzt. Obenrum einen sehr figurbetonten Pullunder. Mit Kapuze. Klingt nach einer merkwürdigen Kombination, aber da verstehe ich nun wirklich nichts von. Die Ärmel so ausgeschnitten, dass die Schultern möglichst frei sind.
Mann weisch, wie wetsch Schultere pumpe wenn Schultere nid gsehsch.
Wo er recht hat. Wenn man in Anatomie nahe beim Fenster sass, kann man durchaus in der Annahme leben, dass Körperteile, welche nicht öffentlich zur Schau getragen, irgendwie verschwinden.
Isch voll guet für Motivation!

Ja eh Mann, mues ich nochli weniger fett mache, weisch.

Ey was Mann, spinnsch oder bisch dumm ims Kopf Alte, du bisch so krass, aber muesch zeige weisch. Suscht gsehsch nid.
Was man den Kindern zugute halten kann, sie bekräftigen sich gegenseitig ständig und sparen nicht mit Komplimenten. Zumindest, das was ich verstehe. Zugegeben, nicht viel.
Ey, sit ich ims da Shirt han, Mann weisch, grad zwei Kilo meh. Kleider isch huere wichtig. Ohni Kleider isch nüt.

Hey isch krass Mann, wo hesch kauft?

Ey, bstellsch Dütschland oder ich säge nur Diesshofe (Ich glaube Diessenhofen verstanden zu haben, aber lege keine Körperteil ins Feuer)

Voll Mann!

Isch au für Bewegig; dreht sich auf dem Sitz und lässt seine Schultermuskeln springen, viel besser weisch.

Nei isch ims huere wichtig Mann. Aber hey, mach jetzt Mann. Nei wart, lueg schnell wie ich Üebig mache. So fahrt i weisch.

Ich kann mich jeweils des Gedankens nicht erwehren; Unsere Zukunft. Und sie vermehren sich wie die Karnickel. Isch ims scho chli beängstigend hey.

Aber mir ist nun klar, weswegen ich in meiner ausgeleierten, verwaschenen Trainingshose und dem Turnschuh-Schnäppchen aus dem Athleticum nie auf einen grünen Zweig kommen werde. Ich habe die huere Wichtigkeit der Kleidung völlig ausser Acht gelassen. Obwohl mir das Center doch Anschauungsobjekte zur Genüge liefert.
Werfen wir eine Blick auf die typischen Muckibuden-Besucher.

Den Hantel-Hamster
Die Schrägbank hat er bereits mit seinem klammen Trainingstuch reserviert, die Getränkeflasche und sein Trainingsplan liegt auf der flachen Bank, welche er kurz darauf ebenfalls zu nutzen gedenkt.
Er reiht Satz an Satz. Für die Nicht-Fitter; Ein Satz besteht aus einer gewissen Anzahl Wiederholungen, zwischen Sätzen macht man für gewöhnlich eine kurze Pause. Da er unterschiedliche Gewichte benötigt, räumt er kurzerhand das Kurzhantel-Regal leer und legt die Gewichte zu seinen Füssen rund um seine zwei alternierend bestiegenen Trainingsbänke.
Kommt nun ein Hobby-Fitnessler und benötigt dummerweise eines der Gewichte zwischen vier und 26 Kilogramm, muss er den Hamster erst fragen.
Ja Mann, grad, nur no 15 Sätz, wart, bin grad sowiet.
Entweder stellt man das Bürschchen in den Senkel oder geht nach Hause, denn vor einer halben Stunde ist keine der Hantel verfügbar.weight-hog

Ein verwandter Kollege ist der Platzhalter
Sei es nun eine Hantelbank oder die Sitzfläche einer Maschine. Er sitzt darauf und starrt mit hilflosem Blick in die Leere des Raums oder auf das Display seines Smartphones. Fünf Minuten, zwölf Minuten.
Erkundigt man sich höflich, ob er fertig sei; Ja eh, no zwei Sätz, isch guet?
Absolviert seinen Satz, schickt im Zuge der Anstrengung seine letzte Hirnzelle ins Nirvana und hängt wieder mit orientierungslosen Blick im Polster.
Fünf Minuten, zwölf Minuten. Man befürchtet, stört man ihn nochmals, muss man ihm erklären, wo er hier ist und lässt ihn besser sinnieren.

Der Dressman
Wir haben gelernt wie wichtig Kleidung ist, auch dass ich selbiger zu wenig Beachtung schenke, was mich für folgende Studie irgendwie disqualifiert. Ich versuche es trotzdem.
Seit Dwayne The Rock Johnson im Kino ist, trägt alle Welt „Under Armour“ figurpressende Kleidung. Der Nachteil, das Entblössen vor dem Spiegel muss dem Schälen einer Kiwi gleich kommen und von Zeit zu Zeit ist das Entblössen sehr wichtig.
Hey Alte, bi voll nid zfriede Mann; und mit einer lasziven Bewegung hebt er sein Shirt, präsentiert in einer wundervoll einstudierten Choreo sein Six-Pack im Spiegel.
Ey was hesch Mann, bisch dumm im Chopf, isch ja voll krass Mann?
Meinsch….? und fährt mit den Fingern den Erhebungen entlang, Ey Mann zeig du mal…, schon beinahe zärtlich vorgetragen.
Was sich früher nur über Webcam’s in verdunkelten Teenie-Zimmern abspielte, wird im Fitnesscenter hemmungslos praktiziert und man erwartet eine Marvin Gaye-Hymne zu hören. Eine Weiterentwicklung der Doktorspiele, nur eben unter Jungs. Man erkundet gegenseitig den Körper.
Aber wehe, wer hier eine homoerotische Komponente vermutet!
Im Fitnesscenter ist „voll schwul“ wenn man mit Apothekergewichten arbeitet und oder während der Ausübung seines Workouts nicht röhrt wie ein lüsterner Hirsch.
Wiederum männlich ist jedoch Schuhwerk, mit welchem in der guten alten Zeit Prinzen von Hof zu Hof zogen um die angebetete unbekannte Schönheit zu finden, welche kurz vor Mitternacht den Ball verliess und nur den Schuh auf der Treppe liess.
Ein filigranes Schühchen, dass ich befürchte, dem Schwarzenegger-Verschnitt wurde von Mutti ein Lotosfuss geschnürt. Eine silbernes Söhlchen geht über in ein Oberleder, mit feinstem Gold überzogen. Kleine Luftschlitze lassen vermuten, dass gleich eine Elfe hinauswinken wird. Ein kleines Band einem Schuhbändel nicht unähnlich, durchzogen von silbernem Engelhaar, hält das funkelnde Kunstwerk am Fuss.
Als Gegensatz findet sich über selbigem eine Hose, wie sie die Spartaner getragen hätten, so es damals schon Hosen gegeben hätte. Aufgedruckte Motivationswörter wie Power, Flex, Nutrition und Maximal zeigen mir, dieses brachiale Stück Stoff ist das beste und männlichste Beinkleid der Welt.
Bella lehrte mich, das Oberteil muss zum Schuh passen. So lässt der Disco-Pumper hier gerne wieder zartes rosa mit feinen Trägern seine Muskeln umschmeicheln. In der nächsten Kollektion gewiss mit Spitzenbesatz am Dekollte.
Dem gegenüber steht…

Der alte Bodybuilder
In jedem Center ist mindestens einer. Tipps streuend wie ein Rasensprenger, oder der klassische schweigsame Eisenfresser. Die besten Zeiten hat er hinter sich. Wie auch seine verwaschene, ausgeleierte Trainerhose, der löchrige Fetzen eines 80er-Jahre Goldsgym-Muskelshirt und die Adidas Rom in der Originalversion mit einem zusätzlichen Schnallenverschluss über dem Rist. Um die Hüfte eine Lendentasche. Abgewetztes Leder oder grünes Neon, spielt keine Rolle, aber vergisst die Lendentasche nicht! Seine Hände schützt er nicht mit synthetischen Trainingshandschuhen, er wickelt alte Lederlappen um die Stangen. Und diese bewegt er auch nach alter Väter Sitte. Jeglichen Erkenntnissen der modernen Sportmedizin zum Trotz wird gerissen, als gelte es einen festgefahrenen Pflug aus lehmigen Erdreich zu befreien.
Danach, nicht ohne die alte Sportverletzung zu reiben, humpelt man wie Quasimodo zum Latzug, hockt sich verkehrt auf die Bank und greift irgendwie zwischen den Schenkeln hoch zur Stange um in einer abartigen Übung den linken Oberschenkel zu trainieren. Jeder antrabende Instruktor streicht ob dem gehässigen Ich-weiss-was-ich-tu-Blick des figurformenden und rohe-Eier-schlürfenden Urgestein die Segel.

Wo wir bei der Kleidung sind, vergessen wir die Frauen nicht!

Spandex
Ich bin überzeugt, ein ganz vorzüglich zu tragendes Material. Wie eine zweite Haut schmiegt sich die glänzende Leggings bequem und in den schillerndsten Farben um die Schenkel. Und die Männer gucken. Alle.
Es ist wie ein Unfall im Feierabendverkehr. Man richtet während der Vorbeifahrt den Blick korrekt auf die Fahrbahn und schielt dennoch kurz aus dem Augenwinkel auf die Szene. Unvermeidlich
Gewiss, zwei von dreissig Damen sehen in Spandex ganz interessant aus. Denke ich. Müssen wohl. Ich kann nichts dafür, dass stets die anderen 28 im Center sind.
Liebe Damen; Ich bin nicht perfekt, deswegen verzichte ich darauf, meinen Schwimmreifen in einem hautengen Dress spazieren zu führen. Was Euch immer der Hersteller versprochen hat, er lügt. Man sieht die Cellulite, es tut mir leid. Auch die endlose Elastizität einer Leggings ist ausgereizt, so das Gewebe sich der Transparenz nähert, ich bedaure. Warum nicht eine Idee SM, aber die tollste Wetlook-Leggings verliert jede verruchte Note, wenn sie wie eine alte Plastikplane um die dürren Beine einer Rentnerin flattert.
Zu guter Letzt; Wenn man schon hauteng trägt, wäre vielleicht das Augenmerk auf die Unterwäsche zu richten. Selten bis nie in der Damenabteilung unterwegs, bin ich mir trotzdem sicher, es gibt eine Alternative zu der Pantyline des figurformenden Slips, welche eure Gesässhälften in die Gemeinden Oberquill und Unterquill teilt.

Freuen wir uns auf den
Bürogummi
Barmann
LKW-mit-den-Zähnen-Schlepper
die Kaffee-Tanten
und den merkwürdigen alten Mann in der nächsten Ausgabe.

 

Über RAB

Ein Schreiberling mit nüchternem Blick auf das Leben, beim Versuch, selbiges aus satirischer Sicht etwas angenehmer zu bewältigen.
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