Das will ich werden – Zollfachmann EFA

Doch lasst mich hinten beginnen.
Meine heutige Trainingseinheit war ausgezeichnet.
Schon einmal bemerkt, welche wankelmütiges Gemüt Eure Lieblingstexte schreibt? Erschreckend…
Wie auch immer; Das Menü im Fitnesscenter bestand aus Hühnerbrust mit Ess-Stäbchen. Etwas armselig, mich mit zwanzig-jährigen Teenies zu vergleichen, aber so ist das nun mal, wir teilen uns alle diese blaue Kugel.
In etwa so blickte es mir aus dem Spiegel entgegen.

Aber natürlich war ich heute auch arbeiten.
Im Zuge des internationalen Güteraustauschs, die Schweizer tragen ihr Geld in die ausländischen Kaufhäuser, ich hole es arbeitenderweise von den reichen Deutschen wieder, kam ich nicht umhin die Grenze zu überqueren.
Und an der Grenze stehen Zollbeamte.
Da wird geregelt, was mit mir über die Grenze darf. Für mich ein Buch mit sieben Siegel. Doch dafür gibt es den Zollfachmann. Oder auch die Fachfrau, auf den ersten Blick müssen diese nicht zwingend zu unterscheiden sein.
So werde ich im kleinen Citroen von den deutschen Beamten, die mit dem Adler am Arm, auf einen Parkplatz verwiesen, als ich ihnen meine sauber vorbereitete Inventarliste präsentiere. ‘Da müssens zu den Schweizern, da drüben’, die Schulter zuckte in eine Richtung, die Hände tief in den Taschen vergraben.
‘Verzeihung, wo genau?’, ich gestehe, als bekennender Nicht-Einkaufstourist und notorischer Quittungs-Stempel-Verweigerer bin ich sehr unbeholfen in dieser ganzen Bürokratie.
‘Na da drüben, bei dem Bus’, es standen drei Busse über vier Parkplätze verteilt, die wippende Schranke zerstreute meine Unsicherheit auch nicht. Ich wollte die zwei schrecklich wichtigen Piraten Zollbeamten nicht noch einmal belästigen und fuhr auf den Parkplatz vor einer deutschen Schanke.
Links ein BMW mit einem PL im Kennzeichen, rechts ein rostiges Etwas ohne Kühlergrill welches die Identifikation erleichtert hätte und einem SK am Nummernschild; Mittendrin mein Firmen-Citroen mit den kaputten Türschlössern.

Stellte ich selbstverständlich erst auf dem Parkplatz fest, als ich unter den lauernden Blicken von fremdländisch anmutenden Herren in Adiletten das dritte mal in den Türschlössern stochernd den Wagen umrunde.
Nachdem ich also dieses virtuelle “Help yourself”-Schild aufgestellt habe, begab ich mich in Richtung der Büroräumlichkeiten, in welchen ich die Schweizer Zollbeamten vermutete. Meine Wahl fiel auf einen blauen Container, gleich neben der Klo-Türe. Die Duftnote liess mich überlegen, ob ausländische Brummifahrer zum Früstück sich herzhaft eine rohe Zwiebel gönnen.
Ich bin nicht sehr gross gewachsen, aber die Theke im Container erschien mir doch etwas überhöht. Legte ich meine Finger an die Kante, konnte ich den Nasenspitz über selbige schieben und den Herren Zollbeamten mit grossen Augen anstrahlen.


So knuffig es auch ausgesehen mag, der Herr Zollbeamte hinter dem Tresen zeigte sich von meinem Anliegen herzlich wenig beeindruckt. Entspannt lehnte er auf seinem Thron, sein Stuhl schien tatsächlich noch etwas erhöht zu sein, zurück und verwies mich mit einer gönnerhaften Handbewegung zu einem gegenüberliegenden Gebäude.
‘Da müssens zu den Schweizern’. Ich glaubte klar an seinem Pullover das Schweizer Zollsignet zu erkennen, aber dies konnte auch täuschen. Nach dem Passieren beschriebener Klotüre brannten immernoch etwas die Augen und Tränen vernebelten die Sicht.

Also glitt ich behende um fünf flanelltragende, dickbäuchige Brummifahrer und betrat ein weiteres Gebäude. Ein langer Gang, links die deutsche Flagge, rechts das Schweizer Kreuz. Ich lief etwas breitbeinig, wann geht man schon durch einen Flur mit je einem Fuss in einem anderen Land, und reihte mich dynamisch hinter einem Bären ein. Einen Bären mit einem Bündel Frachtpapiere in den Tatzen.
Eins, zwei oder drei, letzte Chance vorbei…
Nach drei mal Schlange wechseln, sie kennen dies aus der Migros, stand ich tatsächlich vorne am Tresen. Hinter einem Glastürchen Stefanie Heinzmann und ich überlegte, ob wir nun zusammen Pat der Postbote spielen, so oft öffnete und schloss sie das Türchen.
Wieder schob ich meine Warenliste hin, mit welcher sie gar nichts anfangen konnte.
Was ich liefern würde, wollte sie wissen. Könne ich so noch nicht sagen, einen Teil nehme ich bestimmt wieder mit.
Aber sie müsse es wissen.
Werde ich ihr danach auch gerne erzählen, entgegnete ich.
Das klappe so nicht, wiederum sie, worauf ich, wie ich diese Situation denn nun löse… Türchen zu.
Türchen auf.
…en solle?
Türchen zu.
Türchen auf.
Da müsse ich rüber zu den Deutschen, verwandelte meine Liste mittels Stempel in ein richtiges Dokument und entliess mich.
Türchen zu.

Auf der anderen Seite des Flurs blickte ich durch ein weiteres Glastürchen.
Eine Minute.
Zwei Minuten…
Ich pochte leise an die Glasscheibe, denn dreissig Zentimeter davon entfernt war ein Herr in eine Lektüre mit grossen Buchstaben vertieft. Mit einer Geste wies er mich an, einen Schalter weiter zu gehen, ohne den Kopf vom Artikel zu wenden. Der nächste Schalter war leer, beim Übernächsten trank einer Kaffe; Ich stolperte beinahe schon über den deutsch-schweizerischen Gemeinschaftskopierer, als ich ein halb offenes Türchen sah.

Dahinter ein Bilderbuch-Arier; Blaue Augen, einen blonden Bürstenschnitt nachdem man die Uhr stellen konnte und ein Hemd mit rasierklingenscharfen Bügelfalten.
Der amtliche Stempel der Schweizer verlieh mir etwas Selbstvertrauen, ich fühlte mich nicht mehr ganz wie ein Sans-Papier auf Asylsuche, und so erklärte ich dem Uwe oder Kai die ganze Geschichte nochmals.
Was ich denn liefern würde. Ich wisse es noch nicht…
Das wäre nun aber eine schwierige Situation…
Schweigen.
Bei offenem Türchen.
Es begann zu regnen. (Nicht wirklich, aber würde ins Bild passen)

Was ich denn so ungefähr liefern würde…
Na ja, sicher dies, dies vielleicht, bei diesem weiss ich nicht…
Das klappt so nicht, bemerkte Uwe. Oder Kai.
Ich bin der letzte, welcher anderen den Job erklärt, aber warum nicht eine Idee einbringen.
Er könne die Liste so ja genehmigen, ich komme danach mit der Quittung und wir können das ganze durchgehen.
Ja… das sei nicht so einfach, wie ich mir das vorstelle.
(Is nich wahr… echt?)
Ich könne ja die Summe hinterlegen…
Gehe jeden Morgen mit 1000 Euronen aus dem Haus, kein Thema.
Er gehe einen Kollegen fragen.
Türchen blieb auf, aber er verliess den Raum. Zurück blieb ein Schild an der Wand

“Was haben alle gegen Beamte, die tun ja nichts”

Sarkasmus am Arbeitsplatz.
Kai kam wieder. Vielleicht auch Uwe. Er brauche meinen Ausweis.
Selbigen kopierte er mit meiner Liste und versah sie wiederum mit einem Stempelabdruck. Einem Deutschen. Im Geiste sah ich mich schon das Dokument rahmen und im Büro aufhängen.
Wann ich wieder zurück sei, wollte er wissen.
So gegen vierzehn Uhr.
Ich solle mit der Rechnung kommen, dann würden wir die Liste vergleichen.
Na, dass war mal eine gute Idee.
Und… wenn ich nicht komme, sie würden dann schon kommen.
Bisher war der Arier ganz sympathisch, aber mit dieses “Drohung” hat er sich selber disqualifiziert.
Nichts desto trotz schlug ich die Hacken zusammen und salutierte. Im Geiste. In Tat und Wahrheit sagte ich ‘Tschüss’.

Der kleine Citroen stand noch da, unversehrt und vollbestückt. Am Horizont ging die Sonne auf und der Duft von Kaffee und Croissants wehte über den Platz.

Szenenwechsel.
Thayngen, selber Tag, 13:15.

Schon wieder hier?
Ich stand bei Kai und Uwe, präsentierte die doppelt gestempelte Liste und die Quittung über das verkaufte Material.
Uwe setzte den braunen Plastikbecher ab, begutachtete meine Aufstellungen.
Sind sie schon rüber gefahren?
Natürlich nicht, ich stünde da draussen auf dem Platz.
Na dann fahren sie rüber, passt schon.
Mach ich, bis zum nächstenmal!

Vor den Schweizer Grenzbeamten hatte ich noch etwas Angst, sahen die mich doch mit dem wertvollen doppelt gestempelten Dokument das Gebäude verlassen.
Aber die waren in ein anregendes Gespräch vertieft und winkten mich durch.
Was würde Homer Simpson sagen?

Dies war mein Tag beim Zoll.
Keinen Deut schlauer, wie ich solch eine Situation das nächste Mal meistern soll, aber voller Respekt vor den Leuten, welche diese ganze Sache im Griff haben.
Ohne Sarkasmus!

Über RAB

Ein Schreiberling mit nüchternem Blick auf das Leben, beim Versuch, selbiges aus satirischer Sicht etwas angenehmer zu bewältigen.
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