Du bist ein Schaffhauser… der erste Schnee

Ist es nicht schön?
Es flockt vom Himmel, liegt weiss und flauschig auf Dächern, Bäumen und den Strassen. Ich hoffe euch nun nicht den Schnee versaut zu haben, falls doch; Der verschwommene Rahmen um das Display eures Smartphones ist die reale Welt. Widmet ihr eine Minute.

Natürlich, früher oder später loggte auch ich in das soziale Netzwerk ein. Aus rein wissenschaftlichen Gründen!
Wie der aufmerksame Leser weiss, pflege ich ein kleines, virtuelles Terrarium. Also eigentlich bin ich nur der lästige Zaungast. Ähnlich dem Ameisenbeobachtungskasten. Mit einem König, vielen Arbeitern, einer Polizei und bösen Früchtchen, die mit Scharmützeln immer wieder das Konzept durcheinander bringen.

Nennt sich „Du bist ein Schaffhauser/in wenn du…

Es sind ein paar harte Tage, welche hinter diesem Mikrokosmos liegen. Lebt die Community doch davon, die Kamera zu zücken, kaum lümmelt die Sonne knapp am Horizont herum. Sei es nun weil sie schlafen geht oder eben aufsteht. Da sind so 30 oder 40 Fotografen welche uns täglich mit mindestens zwei Bildern den Tag versüssen. Wer nun behauptet, dies wäre eintönig, wird mit lautem Hallo aus der Gesellschaft katapultiert. Daher ist der Tenor ‚Oooooh…. schöööön…. woooow‘ Trumpf.dubisteinschaffhauserVon morgens bis abends, in allen orthographischen Abartigkeiten.
Nun wurden uns die letzten Tage wechselhaft präsentiert. Von einem aschgrau morgens in ein frisches steingrau abends übergehend, ohne dass sich Frau Sonne durch die Wolken zwängte. Der Mikrokosmos drehte am Rad, mindestens ein Mitglied musste gewaltsam entfernt werden, da es dem Druck nicht mehr stand hielt, mutmasslich mit dem Schädel auf die Tastatur klatschte und daraufhin 280 Kommentare zu einem Bild OHNE unseren Fixstern im Zentrum absetzte.
Es wurden alte Aufnahmen hervorgekramt, man begann Lokomotiven und Flugzeuge zu posten, doch es war allen klar, dies ist nur Methadon. Dementsprechend waren die ‚oh, so schön, wooooow‚-Kommentare auch eher verhalten. Ja, ich möchte sagen, ein giftiger Unterton hielt Einzug. Auf die Frage „Wo steht diese Lokomotive“ folgte nicht ein herzliches Rätselraten, sondern ein bösartiges „Im Verkehrshaus, weiss doch jeder!!!!„. Dies ist definitiv nicht die Freude, welche von innen kommt. Dieses angenehme miteinander und füreinander.

Gott sei Dank; Frau Holle hob ihren dicken Allerwertesten endlich aus den Federn und schüttete ihr Kissen aus. Und sie schüttelt immernoch.

Ich habe nun eine kleine Collage von eisernen Balkongeländern und Sitzmöbeln aus allen vier Himmelsrichtungen unseres Kantons. Mit Reflektionen der leicht beschürzten Fotografen im Wohnzimmerfenster, über welche man galant hinweg sehen muss.

Der Frust der vergangenen Tage scheint jedoch leider nicht vom reinen Weiss bedeckt zu werden.

Bei uns hier hält sich niemand an diese Schneeräumpflicht. Von wegen 2 Fussgänger müssen gut an einander vorbei kommen
Es wird kommentiert, er solle doch mal die Füsse still halten. Gar nicht einfach, auf rutschigem Terrain. Es interessiere im Übrigen auch niemanden.
Aber es hält sich doch niemand dran!!!„, giftet er weiter.
So titelt er sein Bild auch gleich mit knallharten Texten aus unbeugsamen Gesetzbüchern.
Bei aller Schönheit des Schnees und der Postkarten-Idylle von weissen Strassen, das Gesetz ist kein Wunschkonzert. Da hat der korrekte Bürger aus dem Hochparterre schon recht. Zudem muss er wahrscheinlich flink in den Lidl Gailingen, die Speisekammer ist leer, als dessen ehrenamtlicher Pressesprecher er sich in der Vorzeit wiederholt hervortat.

schneeraueumenSteht in Pyjamahose und Pelzpantoffel am Fenster, diesen dummen Arbeitern erklärend, wie sie ihren Job zu machen hätten. Acht Leute pflichten ihm bei.

Bisweilen fragt man sich; Wohin packten die Leute vor facebook ihren Frust? Ist statistisch belegt, dass das spontane prügeln von Ehepartnern und zertrümmern von Möbeln seit der Gründung der Gruppe rückläufig ist?
Nicht jeder kann Leserbriefe schreiben, wie der Herr heute in den Schaffhauser Nachrichten. Er las ein Buch. Dies kann ein Pixie-Büchlein oder Die unendliche Geschichte gewesen sein, jedenfalls war er eine geraume Zeit damit zugange. So intensiv, dass er deswegen sein Fernsehempfänger nicht nutzen konnte. Währenddessen aktualisierte sich anscheinend die Smartkarte des Digitalempfängers nicht. Man kann diese nun natürlich aktualisieren, fernsehen und gut ist. Eben nicht! Was ist der Frust denn letztendlich schon wert, wenn ihn niemand mitkriegt. Zudem, so deucht den Leser, sieht er sich als Ritter in strahlender Rüstung gegen die örtliche Kabelnetzbetreiberin zu reiten. Stänkernd, schimpfend und trotzend, ohne eine relevante Aussage zu machen. Bemerkt, dass er nur einmal die Woche duscht, stänkert gegen den Stand-By-Betrieb, den Hunger in der Welt und, dass er fernsehen muss, obwohl er dies doch eigentlich gar nicht will.

Bisweilen frage ich mich; Sind den Leserbrieftextern ihre Zeilen peinlich, wenn sie diese nach dem Überschlafen gedruckt und für ganz Schaffhausen ersichtlich sehen oder fühlen sie sich bestätigt?

Nachdem die Räumungsdienste beim Pfaden der Hauszufahrten versagt haben, wird ihnen an anderer Stelle nun vorgeworfen, dass sie die Strassen räumen.
Eine weitere Expertin erklärt, dass der Einsatz von Streusalz völlig unsinnig sei.

Ein Streit entbrannt, ob der Schnee liegen gelassen wird, wenn ja wie lange, ob man Split oder Salz verwendet, pfaden ja oder nein und wie es nun mit High-Heels aussehe. Man zieht sich die verbalen Schneeschaufeln über den Scheitel und fährt den Nachbar mit virtuellen Pfadschlitten platt.
Ein wirklicher, realer Mr. Plow zum anfassen schaltet sich ein; Man müsse wegen der Autofahrer schneeräumen.
Sofort wird das männliche Ego gekitzelt.
J. sei Autofahrer und er könne autofahren, hat das beste Auto der Welt und sogar schon Leute aus dem Feld gezogen!
Beeindrucktes Schweigen…
Und Lastwagenfahrer?
Betretenes Schweigen…

Ein Schlaumeier bemerkt, man könne ja Ketten montieren. Stadtbusse mit Ketten, wieso auch nicht?

Salz mache die Autos kaputt, reklamiert ein Automechaniker, die Salzer sollen aufhören, Leute dumm anzumachen.

D’Winterschue vo de Frau S.D. seiched und Schneeräumer seien allgemein bescheuert.

Schnee platt walzen… Sanden… Kiesen… Salzen… Gar nichts machen… Alles weg….
Mir raucht der Kopf.
Die Ice Road-Trucker lehnen sich interessiert nach vorne und machen Notizen, denn eines ist klar; In Schaffhausen leben die besten Autofahrer der Welt. Mit Abstand! Und jeder ist ein Profi im Schneeräumen. Meier übertrifft Müller mit seinen Künsten auf der weissen Pracht und Huber wie Fricker waren schon in schneebedeckten, entlegenen Orten der Welt unterwegs, gegen welche Sibieren der reinste Palmenstrand ist.

Zusammenfassend haben es die Schneeräumer nicht einfach.
Die Strassen sollen schwarz geräumt und trocken sein, bis auf einen kleinen, weissen, lückenlosen Flaum. Für das Auge eben.
Um die Haftung soll etwas auf die Strasse, jedoch kein Salz und kein Split. Einfach etwas, man ist ja kein Experte, man weiss nur ganz genau was getan werden sollte!
Die Gehwege sollten nicht geräumt werden, jedoch die Zugänge zu den Haustüren und, also bitte, das ist ja wohl selbstverständlich, die Parkplätze und Garagenzufahrten.
Die Busse sollten anständige Reifen kaufen und vor Steigungen jeweils die Schneeketten montieren.
Zudem sammelt die Community und schenkt der Frau S.D. ein neues paar Winterschuhe. Matschresistent.

Nun habe ich viel über Schneeräumung und das prächtige Weiss im Allgemeinen gelernt und gehe einen Schneemann bauen. Morgen diskutieren wir über die ethischen Grundsätze der Verwendung eines Lebensmittels, eines Sommergemüse, als Schneemann-Nase.

 

Über RAB

Ein Schreiberling mit nüchternem Blick auf das Leben, beim Versuch, selbiges aus satirischer Sicht etwas angenehmer zu bewältigen.
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