Du bist was du isst

Opfer des eigenen Erfolgs?
Der Staat kann davon ein Liedchen pfeifen. Autos werden umweltfreundlich, sind weniger durstig und die Mineralölsteuer geht flöten.
Die Menschen wählen einen gesunderen Lebensstil, lassen das Qualmen und dem Staat gehen Einnahmen und AHV-Zustupfe aus der Tabaksteuer flöten.

Im Ansatz waren es gute Ideen doch, ohne mit dem Finger auf jemanden zu zeigen, man hat sich in den eigenen Fuss geschossen.

Ich frage mich, wohin der Gesundheitshype uns treibt.

ernaehrung Bricht man zum Frühstück ein weisses Brötchen und beschmiert selbiges mit Honig befindet sich man bereits in der Adipositas-Risikogruppe.
Der moderne Mensch zerteilt eine Pampelmuse, drei Blatt Pfefferminz, holt sich einen Arm voll Quaddeln beim Zerkleinern der Brennesseln und quetscht das ganze in den Chromstahl Smoothie-Maker. Unten glibbert ein Trunk in das Kristallglas, von Optik und Geruch ähnlich dem abgestandenen Wasser im blauen Kunstofffass, mit welchem meine Oma ihren Garten zu tränken pflegte.
Man rührt mit einer bei Vollmond gezupften Karotte und mit Todesverachtung kippt man die Pampe mit einem pH-Wert von Batteriesäure in den Rachen. Während sich die Wangen in den Schlund ziehen und der Schliessmuskel von der anderen Seite in Richtung Körpermitte entgegen kommt, nickt man der Gattin aufmunternd zu. Schon wieder drei Minuten Lebenszeit gewonnen und dafür ist man schlappe 20 Minuten früher aufgestanden.

Wer des Morgens aus dem Haus und in das öffentliche Verkehrsmittel schlurft riskiert eine Erhöhung der Krankenkassengebühr. Von wegen, der Typ versucht nicht einmal sich zu bewegen.
Wenn man schon nicht seine 10 Kilometer vor dem Frühstück läuft und wie ein Känguruh über die Hauptstrasse hüpft, hat man zumindest mit dem Rad zur Arbeit zu gehen. Selbstverständlich nicht wie Opa Hubert, welcher mit Metallklammer um das feine Beinkleid und wehendem Schlips auf dem Militärrad in die Fabrik radelte, weil dies einfach usus war.
Heute nimmt der CEO of Master of Haumichtot Headhopp-und-weg mit Absicht den Weg durch die Lohnbuchhaltung. Mit klackendem Shimano-Schuhwerk und einer glänzenden Radlerhosen um die dürren, blassen und frisch enthaarten Oberschenkel. Mit gutem Beispiel voran. Letztendlich ist es eine Prestigesache, dass Firma Steingruber & Söhne die bike to work Challenge gewinnt.
Dafür fährt die russische Import-Mutti den Nachwuchs im SUV zur Schule und der Kanton finanziert extra Kampagnen um Kinder im zarten Alter von 13 Jahren an den Verkehr ohne die Aluminium-Karbon-Schutzhülle eines Audi Q7 zu gewöhnen.

Vor der Neun-Uhr-Pause konsultiert man 20min, ob des aktuellen Kaffeekurses. Nicht die Nestle-Aktien. Die tägliche Variation zwischen gesundem Energiegetränk mit belebender und lebensverlängernder Heilkraft oder Teufels-Trunk mit schädlichem Koffein und venenabschnürender Wirkung. Ganz zu schweigen davon, dass die Kapseln Krebs erregen, das Spühlmittel sowieso und Kunstoffbecher Alzheimer fördern.
Wer etwas auf sich hielt, brachte früher Schill-Gipfel zur Arbeit und war Mitarbeiter des Monats. Heute vernascht man ein Croissantes verstohlener, als man einen Joint rauchen würde. Irgendwo hinter den Zierpflanzen kauernd, ängstlich umherschauend das Buttergebäck in der hohlen Hand versteckend.
Vital-Nuss-Früchte-Brötchen, wenn es denn schon eine Backware sein muss. Lieber eine ganz exotische Frucht, welche mit Haut und Stacheln verzehrt wird, weil da die Vitamine sitzen. Heute. Morgen verursacht die Haut unter der Haut über dem Fruchtfleisch Parkinson oder macht Impotent.

In einer Vitrine werden die Mittagmenüs präsentiert.
Der moderne Mensch lässt sich jedoch weder von Kartoffelstock noch Lasagne verführen. Das beistehende Schildchen ist massgebend,  auf dem Teller könnte ein Stück frittierte Dachpappe liegen. Heute isst man Nährwerte und das gute Gewissen. Fein säuberlich wird deklariert welche Grashalme Billy das Kalb am liebsten verzehrt hat, unter welchem Umständen Trude das Huhn ihr Ei legte und einer amtlichen Beglaubigung, dass Franz der Pengasius unter Vollbesitz seiner geistigen Verfassung einer Verarbeitung seines zum Bersten mit Omega 3-Fetten gefüllten Körpers zustimmte.
Durch das Scannen des beigelegten QR-Codes errechnet die App gleich, wie lange man heute dem Laufsport fröhnen soll um den Energiehaushalt wieder ins Gleichgewicht zu bringen.

Die Location der After-Work-Party wird gesäumt von künstlerisch geschweissten Metallkunstwerken. Dies, nachdem die Zierpflanzen allesamt in der Betty Ford Klinik landeten, da die Herren ihr Feierabend-Bier unauffällig in die Hydra-Kügelchen zu kippen neigten. Neun Kilokalorien pro Gramm Bier, dabei hat man noch nicht einmal die zwei Kilokalorien des TicTac vor dem Verkaufsgespräch in der Früh runter. Der Nahrungssündenalarm der Fitness-App hat den Akku des Smartphones in den Keller gerissen, was die abendliche Joggingrunde in Gefahr bringt.
Es wird gemunkelt, man könne schon laufen ohne, dass Puls, Blasenfüllstand, Schweissabsonderung und Sohlentemperatur aufgezeichnet werde, aber wäre natürlich höchstgradig ineffizient.
Der ganze Cardio-Burn-FlipFlop-Effekt wäre flöten, so man die Heart-Beat-Zone von 113 über einen Zeitraum von 87 Sekunden verlässt. Man’s Health empfahl die App und, GQ stimmte dem zu, mit der Investition von 99.95 – in App-Käufe erforderlich – verlängere man sein Leben messbar und der erhöhte Testosteron-Spiegel sei für paarungswillige Karrierefrauen nicht zu übersehen.

Wir wollen nicht die Motivation vergessen!
Egal was man isst; Tägliche Erkenntnisse langjähriger Forschungen beweisen, man kann noch besser essen. Speziell, wenn man die Hauswurz eines chinesischen Schrumpelmännchens unter den Selleriesalat, ohne Sauce, mischt, denn im Dorf des chinesischen Schrumpelmännchens werden die Menschen hundertfünf Jahre alt, ohne dies wirklich mitzukriegen, weil sie erst durch den Doktor Snuggle darauf aufmerksam gemacht wurden.
Heute wird widerlegt was gestern noch Tatsache war und je nach Sonnenstand sind Grossmutters Gesundheitsrezepte heimliche Energiebomben, kalorienfrei versteht sich, oder bringen einem erst recht unter die Erde. Mit Nachdruck.
Egal wie gut man trainiert; Es ist nie gut genug, es geht immer einen Zacken besser. Was heute die ultimative Bauchübung ist, wird morgen von führenden Medizinern in der Luft zerrissen, da die vertikulare Hori-Zerrung des Darms zu Hodenkrebs führt. Ganz zu schweigen von Impotenz.
Heute lieber acht Tage die Woche trainieren, drei Stunden vor dem Mittagessen und zwei nach Feierabend. Morgen sind drei Minuten Froschhüpfen und viermal auf dem Boden kullern der ultimative Trainingstipp. Macht alles andere überflüssig. Bis übermorgen, wenn Dr. Ziutski, Kämpfer im 14. Dan und Ernährungsberater auf die Kunst der Meditation schwört und uns mit Walgesängen zur Strandfigur bringt, weil zuviel Training höchst ineffizient ist.

Heute ist Fett böse, morgen lieb und übermorgen eigentlich böse, aber die ganze Menschheit irrt, weil es eigentlich lieb und zu unrecht verteufelt ist. Heute in homöopathischen Dosen, morgen sollte ich Nüsse fressen, dass ich ernsthaft die Eichhörnchen-Population gefährde. Grillieren ist böse wegen der Flammen, Fleisch roh essen ist böse weil es Herz, Hirn und Magen schadet, Magerquark ist gesund, zerstört mit dem Proteinüberschuss jedoch die Niere, Proteinshakes sind eine perfekte Ergänzungsnahrung obwohl Aspartam Diabetes fördert und von Erdbeeren aus dem Garten holen wir uns den Fuchsbandwurm.
Also wirklich gesund leben wir nur, wenn wir Regenwasser trinken und von Luft und Liebe leben. Obwohl der Mineralmangel Burn-Out fördert, die sonnenerwärme Luft Krebs auslöst – nebenbei gibt es nichts mehr auf diesem Planeten was keinen Krebs verursacht – und die Liebe gesundheitsbedingt nicht mehr durch den Magen sondern die Geldbörse geht.

Und nun muss ich laufen gehen, weil die App mir mitteilt, dass 75 Laufeinheiten letzte Woche ganz gut waren, es diese Woche jedoch schon 79 sein könnten. Natürlich, ich muss nicht… Ich kann natürlich auch zuhause sitzen und früher sterben, es ist alleine meine Entscheidung.

Vielleicht streiche ich morgen einfach ein Nutella-Brot und wenn ich noch Hunger habe, löffle ich eine Schüssel Frosties. Zur Pause ein Schinkensandwich und warum zum Mittagessen nicht einen Pasta-Teller beim Italiener. Abends wäre es nett am Rhein sitzend ein Eis zu lecken und weil man danach Lust auf salziges hat zum Corona noch eine Portion Nachos bestellen, da die Erdnussschale so schnell leer war.

Natürlich kann man sein Leben lang Smoothies trinken, auf Alkohol verzichten, Salz sowieso und sich eher einen Finger abhacken als nach 1900 Uhr feste Nahrung zu sich zu nehmen. Täglich ins Fitnesscenter und Tage seines Lebens an Ort und Stelle trabend am Rotlicht stehen bevor man flink wie ein Wiesel durch die Fussgängerzone wetzt.
Dennoch habe ich das dumpfe Gefühl, auch diese Leute fahren einst in die Grube. Vielleicht sehnig wie ein Kuhmagen – auch hinsichtlich der Füllung mit gewissen Parallelen – und einem stählernen Sixpack, aber sechs Fuss unter der Erde sehen doch irgendwie alle gleich aus.
Ob man nun gelebt oder der Selbstkastaiung gefröhnt hat.

Über RAB

Ein Schreiberling mit nüchternem Blick auf das Leben, beim Versuch, selbiges aus satirischer Sicht etwas angenehmer zu bewältigen.
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