Du, wir müssen reden

„Hey, wie geht es dir? Lass uns mal weggehen und auf die alten Zeiten anstossen“, so auf meinem Smartphone während der Weihnachtstage.

Etwas mehr als ein Jahrzehnt, meine Güte eigentlich näher bei zwei Jahrzehnten, zelebrierten wir den ersten Schnee in der Stadt damit, dass wir uns der Bar deren Name ein karibischer Inselstaat Pate steht, abschossen. Nicht gezielt, die weihnächtliche Vorfreude und das ungezwungene Beisammensein hat dies einfach ergeben. Wenn zwei aufeinanderfolgende Jahre für eine Gewohnheit reichen, hatten wir gewissermassen eine Weihnachtstradition geschaffen.
Nun ist besagte Dame jedoch seit einiger Zeit in den Stand der Ehe getreten.

Wenn glückliche Paare oder gar Personen im Stand der Ehe sich zu den mitunter heiligsten Feiertagen im Jahr bei einem gestandenen Single melden, ist dies schon befremdlich. Gerade die Weihnachtszeit gehört doch dem glücklichen Paar, der Familie hüben und drüben, der aus dem Altenheim angekarrten Kunigunde mit dem Seegrundstück und dem überraschend angereisten Onkel Eddie. Hat man drüben und hüben alle Essen absolviert, Streitigkeiten ausgetragen und sich bis auf bald, aber spätestens zu Ostern, verabschiedet, fotografiert man zuhause die erhaltenen Aufmerksamkeiten für den ebay-Verkauf und dann sind die Feiertage eigentlich auch schon durch.

Warum schreibt man da einer verflossenen Affäre Schrägstich Irgendwie-Beziehung. Natürlich, Festtage sind eine ausgezeichnete Möglichkeit, sich bei der Ex zu melden. Mit dem unschuldigen Wunsch frohe Festtage zu wünschen kann man gleich sondieren, ob noch eitel Sonnenschein herrscht, oder sich da vielleicht in absehbarer Zeit etwas auftut – in welchem Sinn auch immer. Aber diese Praxis verfolgen an sich eher Männer.

Nun, ich weiss nicht mehr, wie ich die Feiertage verbracht habe. Ich weiss noch, dass ich bei Mutti zwei Flaschen Wein getrunken habe, da ich dem Anstand geschuldet eine mitbrachte und im Minimum eine rote Null aus dem Abend holen wollte. Dann war ich aufgrund der Frühlingstemperaturen draussen am Grillieren und irgendwie sonst beschäftigt.
Jedenfalls hatte ich so gar keine Lust „Auf alte Zeiten anzustossen“, worauf ich die Mitteilung einfach ignorierte.
Natürlich spielt mit, dass der Dame die Ehe, freundlich ausgedrückt, nicht sonderlich gut bekommen ist. Wir werden älter, da ist keiner gefeit, natürlich kann aus einer 38 eine 40 werden, da drehe ich auch keinen Strick draus. Aber wenn man sich solch eine praktische Hausfrau-Frisur scheren lässt, sich die Schminke, welche doch jetzt erst wirklich wichtig werden würde, spart und die feinen Esprit-Kleider einer bequemen Jack Wolfskin Ausverkaufskollektion weicht ist dies gewiss fuchtbar praktisch und bequem, aber die zwei letzten Adjektive könnte man auch strichen. Man ist eben verheiratet, hat den Alten in der Schlinge, braucht nicht mehr attraktiv zu wirken.
Die Damen mögen sich wieder setzen, auch die Männlein geben sich gerne dem verdienten Müssiggang hin. Schon ein wenig weise – und leicht geschmeichelt – gab ich mich, als sich heute ein 20-Jähriger Jüngling im Fitnesscenter erkundigt, warum man mir meine beinahe 40 Jahre nicht ansähe. Nie heiraten mein Junge, nie heiraten.

Hey, man hört so nichts mehr von dir, alles klar? Wollen wir mal weggehen und etwas quatschen?, erschien kurz vor Ostern auf meinem Smartphone.

Ostern?!? Die nächsten heiligen Feiertage, an welchen eigentlich nur Singles Zeit haben. Immerhin muss man den Rolli von Grosstante Kunigunde zur Eiersuche über den Rasen schieben – der Sommer kommt, man geifert nach dem Seegrundstück – mit der Familie in die Messe und der anderen Familie zum Brunch. Das gemeinsame Lachshäppchen am Karfreitag und schon sind die Feiertage wieder durch.
Glücklicherweise hatte ich Urlaub geplant und versprach bei den Gebeinen meiner Grosstante – ohne Seegrundstück – mich danach zu melden und dann sehr gerne zu quatschen.
Obwohl ich nicht weiss, was quatschen.
Im schlimmsten Falle „Hallo, das ist der kleine Karl. Da wären noch Alimente für 8 Jahre – könnte etwa hinkommen – fällig“. Aber da sie eher zu der Art Frau tendiert, welche mit resolut aufstampfenden Fuss auf ihre Rechte als Frau als solche besteht, können wir dies wohl ausschliessen. Zudem stammen sie und ich aus einer unkomplizierten Zeit, als es noch keiner Herabstufung der weiblichen Kreditwürdigkeit gleich kam, wenn Mann das Portemonnaie zückt.
Oder der patente Ehemann ist langfristig nicht die ideale Lösung. Zur Trauung war ich nicht geladen. Nicht, dass ich ihr hätte beiwohnen wollen, aber aus Prinzip hätte ich eine Einladung erwartet. Da Prinzip ist die männliche Form von Zicke. Fällt mir ein, dass ich mich nie offiziell beschwert hatte, weil wir nie „quatschen“ waren, seit sie in den Trauring am Finger trägt.
Oder denn sie will einfach quatschen und von der tollen Ehe erzählen, welche mich so auch nicht wirklich interessiert. Denn sind wir ehrlich; Bei aller Freundschaft, man wünscht keinen Verflossenen den Himmel auf Erden. Einfach aus Prinzip.

Nun drängt sich die Quatscherei beinahe auf. Ich bin ein schreckliches Gewohnheitstier. Sie arbeitet bei meinem Zahnarzt, was zur Folge hat, dass wir uns jedes Jahr einmal sehen. Daher bin ich auch über ihre ehebedingte optische Verwandlung bestens informiert. Nun steht bald wieder einmal eine Dentalhygiene an. Einen guten Zahnarzt muss man hegen und pflegen und somit wohl auch seine Assistentinnen. Coiffeusen haben scharfe Scheren und Dentalassistentinnen die Finger an freiliegenden Nerven in meinem Mund; Dies sind nur zwei Berufsgattungen, mit welchen man es sich nicht verscherzen sollte.

Aber vielleicht könnte ich gleich für nächste Woche einen Zahnreinigungstermin ansetzen. Mit Saugschläuchen, Spiegeln und spitzen Kratzern im Mund leicht sabbernd beteuern, wie ich mich freuen würde bald zu quatschen und darauf bauen, dass sich die Sache innerhalb der nächsten 12 Monate im Sand verläuft.

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