Ein Blick in die Zukunft

Euer erster Gedanke des Morgens?
Natürlich, erst dankt ihr dem lieben Gott für das wunderbare Geschöpf unter der Bettdecke an eurer Seite.

Danach nehmt ihr den Hund an der Leine, verlässt das Haus durch die rote Tür, quert die Verranda, schliesst das weisse und leicht quitschende – nicht nervig, sondern gerade so laut, dass die glücklichen Kinderlein des Abends Papis Ankunft vernehmen, von ihrer Bastelarbeit aufblicken und gesittet, aber doch sehr freudig dem lieben Erzeuger in die Arme springen können – Gartentürchen und dreht mit den nigelnagelneuen Nike-Sports eine sportliche Runde. Hernach kehrt ihr zurück, bedacht eure Gattin mit einem frischen Kaffee, worauf sie innert Minutenschnelle eine Wagenladung Orangen presst und einen Frühstückstisch herrichtet, dass der dreizehntausend-Franken Tisch zu bersten droht.
Ich kann nicht direkt mitreden, aber so suggeriert mir dies die Werbung.Friede, Freude, Eierk…. guckt mal den Jungen rechts an, der passt so gar nicht ins Bild. Habt ihr ihn gesehen, seine ganze Familie ignoriert ihn. Sein Glas Milch steht weit entfernt, so eben mal hingeworfen, mich deucht seine Milch ist auch sauer, der Korb mit den Leckereien sowie allerlei Artikel zum Bestreichen der Brotwaren liegen weit ausserhalb seiner Reichweite, das Einzige, welches er sich greifen könnte, wäre der Teller mit den gesunden Früchten. Er trägt einen Pullover mit langen Ärmeln, lässt mich darauf schliessen, dass er geschlagen wird und so wir die Frisur betrachten, wurden alle anderen Kinder gekämmt, er jedoch hatte sich um derlei Kinderlitzchen selbst zu kümmern.
Muss nicht so sein, aber ein denkbar schlechtes Motiv.Da wirken die Leute in der Nutella-Familie schon fröhlicher, auch wenn der Papa einen Tick zu lüstern blickt und das Glas mit der Comicfigur für den Jungen etwas zu kindlich scheint. Zumal, so die Mutter welche im Clip als Off-Sprecherin agiert, stolz bemerkt, dass der Tausendsassa eine Sportskanone sei und gar schon ein Schulgspänli flachgelegt habe.

Nun, ich bin etwas abgeschweift, mein erster Gedanke des Morgens gilt der Arbeit.

Nein, geschätzte Frauen, ich habe euch nicht belogen. Dieses Phänomen stelle ich erst seit kurzem fest, früher galt natürlich der erste Gedanke immer jener, welcher ich dies gerade erzählte.
Kein Scherz, ich schalte den Wecker aus und denke an meine To-Do-Liste noch bevor ich mir des Sandmännchens Überbleibsel aus meinen Augen gerieben habe und ich muss mich beinahe daran erinnern, dass es erst noch einen Kaffee zu trinken gibt.
Ein sauber assimilierter Arbeitnehmer möchte ich sagen.

Nehmen solche Leute ihre Tochter mit an den Arbeitsplatz?
Kürzlich war ja Zukunftstag. Hiess einmal Tochtertag, aber im Zuge der Gleichberechtigung wurden die Knaben auch mit einbezogen. Bei den vermittelten Berufsbilder scheint mir da noch etwas Nachholbedarf.Da herrscht ganz offensichtlich noch eine klare Geschlechterrolle vor.

Heute Morgen überlegte ich mir nicht direkt ob ich eine Tochter mitnehmen würde, eher, ob ich morgens selber nochmals hin gehe.
Nicht, dass ich mich durch meinen Beruf definiere, aber etwas Scham begleitet mich schon bisweilen. Der Gedanke, es könnte mich jemand erkennen, hemmt mich den Blick vom Boden zu heben und wenn ich mir vorstelle, meinen Nachwuchs bei des Papas Tätigkeit zu begrüssen, würde die Peinlichkeit wohl ungeahnte Höhen erklimmen.

Wenn ich nun sage, ich arbeite als Müllmann, erwartet ihr mich im orangen Gewand, hinten auf einem Laster stehend, euren Unrat entsorgend zu sehen. Da ist nichts dabei.
Wo seht ihr einen Multimedia-Elektroniker?
Heute stand ich nahe der Hauptstrasse in einem hüfthohen Schacht. Der vorbeifahrende Verkehr spritzte mir die Gischt ins Gesicht, was nicht weiter tragisch war, da ich sowieso Klamotten trug, welche vor Wochen einer Wäsche bedurft hätten. Daneben in sicherem Abstand ein dicker Kroate, welcher um die eigenen Unzulänglichkeiten zu kaschieren jeden seiner Mitarbeiter gerne in gebrochenem Deutsch und äusserst lautstark als totalen Volldeppen hinstellt.
Wollte man ihn in die Schuhe stellen, hätte dies in noch lauterem Ton zu geschehen und es würde nichts an der Tatsache ändern, dass man dem Passanten beim Verrichten der stupiden Arbeit unweigerlich ein typisches Bild des klassischen Schulabbrechers oder eingewanderten Jugoslawen liefert.

Nun stellt euch mal den Stolz des Nachwuchses vor, die Scham bei der Klassenpräsentation; Mein Tag im Betrieb bei Papa.

„Heute habe ich Papa besucht. Er zeigte mir den Schreibtisch, welchen er mit fünf anderen teilt. Danach kroch er auf den Knien. Manchmal sagten die Kunden wo er krichen soll, manchmal ein dicker Mann in schlechtem deutsch. Ich glaube er war irgendwie Chef, weil er durfte früher nach Hause und er war der beste Mann im Geschäft weil er so viel Geld verdiene.“

Mit dem Zukunftstag hat man wohl ein weiteres Mittel geschaffen, gewissen Leuten klar zu machen, sie sollten sich besser nicht fortpflanzen.

Über RAB

Ein Schreiberling mit nüchternem Blick auf das Leben, beim Versuch, selbiges aus satirischer Sicht etwas angenehmer zu bewältigen.
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