Ein Tag vor der Glotze

Sat 1, der Name hat schon einen Touch Seriösität, während RTL es definitiv geschafft hat, sich als Asi-TV durchzusetzen.

Der Schein trügt; Mein geschätzter Leser Richard aus Duisburg belehrte mich eines Besseren, danke für den Hinweis.Jupp, der Mann putzt nackt seine Küche. Im Anschluss bemalt die mollige Dame seinen Hintern, ermahnt ihn dabei nicht zu pupsen und hernach kichern beide vor dem Spiegel über das Kunstwerk. Ich erspare euch das Video, sowas will man nicht sehen.
Die Sendung heisst Land sucht Liebe, wohl ein Pendant zu Bauer sucht Frau, und ich mache mir mittlerweile ernsthaft Sorgen um das Fernsehen der Zukunft.

Früher lud man die Asozialen in Talk-Shows, heute dürfen sie sich in sogenannten Pseudo-Doku-Soaps in gewohntem Umfeld selbst verwirklichen. Wird einer von ihnen trotz fünfundsiebzigprozentigem Absolvieren der Vorschule geneppt und geschleppt kommt der Christopher Posch, verschulden sie sich trotz regelmässigem Hartz-IV-Einkommen bis über die Ohren der Enkel – noch wohlbehütet im Mutterleib der 15-jährigen Tocher – hilft der Peter Zwegat, schielt der Jungbauer langsam lüstern nach den Ziegen ruft die Mutti in ihrer Not Inka Bause und wenn der 39-jährige Junge des Samstag Abends immernoch am Küchentisch Katzenbilder malt, kommt die Vera Int Veen mit verbrauchten und abgehalfterten Frührentnerinnen als potentielle Schwiegertöchter.

Schalte ich über Mittag auf den Hausfrauensender, liefert mir die lispelnde Katja Burkard mit sturmsicherer Pudelfrisur dreissig Minuten Herzschmerz über eine Hartz-IV-Bezügerin, welche ihr sechstes Kind von Hans oder Hubert – die Britt klärt das noch – unterm Herzen trägt, während zwei der drei anderen Väter keinen Unterhalt zahlen wollen und sie deswegen nur Fertigpizza bei Penny kaufen kann, was wiederum die Pfundebekämpferin Alexa Iwan auf den Platz ruft, da Mutti über die 79 Kilogramm ihrer zwölfjährigen Tochter beunruhigt ist.
Es sei denn, in Finsdorf zündete ein Lausbub einen Knallkörper, dann gibt es eine Terror-Sondersendung.

Derweil wird der älteste Sohn zu den schlimmsten Eltern der Welt entsandt. Dieser trifft im Busch bei Timbuktu mit der raufsüchtigen Claire zusammen und obwohl sie schon seit dem Flughafen Frankfurt vom zwanzigköpfigen SAT 1-Kamerateam begleitet werden, sind sie total perplex, als sie nicht in den Club Med geführt werden.
Auf Heels durch den Dschungel, oder Schnee, und mit den Hosen in den Kniekehlen über Graskuppen verirren sie sich trotz voranfahrendem Sendebus – natürlich nicht im Bild – bis sie den strengsten Eltern der Welt vorgestellt werden. Für gewöhnlich einfach die ärmsten Eltern der Welt, welche sich für eine Handvoll Reis für das deutsche Privatfernsehen prostituieren.
Dort werden sie gebeten die Zigaretten abzugeben, behalten natürlich ein paar Kippen, woraufhin der strenge, schwarze Papa im verwaschenen Nike-Trägershirt die Kids damit bestraft, dass sie alternativ ein Plumpsklo putzen oder Wasser schleppen müssen.
Erster Tag Trotz, zweiter Tag Buäh, dritter Tag Anruf bei Mutti, vierter Tag Läuterung, fünfter Tag Is-nicht-so-schlimm,  sechster Tag Heimkehr. Das Skript wird stets eingehalten, nur die Orte varieren.

Am Vorabend führt mich, mit kräftiger Unterstützung von Society-Experten, Schrumpelhals Frauke Ludowig – bekannt aus der überbelichteten Werbung, nur mit zusammengekniffenen Augen zu sehen da die Erblindung droht, in welcher sie beweist, dass sie kein Make-Up braucht um gut auszusehen – durch die Welt der Stars und Sternchen. Da werden Begebenheiten ziemlich frei interpretiert und nebst diversen Fachpsychologen, Styleberater und Royal-Experten auch deutsche C-Promis zum Sachverhalt befragt.
Steht ein Promi-Nackt-Bild im Raum, begleitet RTL noch kurz den Paparazzo Hans Paul auf seinem Dreirad durch St. Tropez um zum siebundsechzigsten Mal die erbärmliche Welt der Paparazzi zu zeigen.

Wo soll das noch hinführen, in mancherlei Hinsicht.

Heute mahnte mich mein Chef in aufrechter Sorge, ich solle mir ein soziales Netzwerk zulegen.
Wenn ich nun bedenke, dass mein Blog von Beiträgen aus dem Unterschichtenfernsehen dominiert wird, hat er vielleicht nicht ganz unrecht.

Über RAB

Ein Schreiberling mit nüchternem Blick auf das Leben, beim Versuch, selbiges aus satirischer Sicht etwas angenehmer zu bewältigen.
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