Eine andere Möglichkeit bildend

Leitsatz 2011/2012 des BBZ Schaffhausen

Würde ich Jack London fragen, war das Aufspringen auf Güterzüge eine Alternative zum Erste-Klasse-Ticket. Um die Aussage ebenfalls mit einem Adjektiv – oder um der Grundschule gerecht zu werden, deren Bildungsstand eine solch intelligente Aussage zuzuschreiben wäre, ein Wie-Wort – auszuschmücken; Es war eine günstige Alternative zum Erste-Klasse-Ticket.
Lese ich ‘Die gesunde Hausfrau’ wäre zum Video-Abend ein Teller Gemüsestäbchen mit Magerquark-Dip eine Alternative zu den Pommes-Chips. Oder eine gesunde Alternative.
Frage ich den Junkie, ist das Methadon eine Alternative zum Heroin. Oder eine legale, staatlich finanzierte Alternative.
Neige ich meinen Blick etwas, ist die Tastatur eine Alternative zu einem Gesprächspartner. Oder eine… Es fällt mir partout nichts ein.
Doch es lässt uns zumindest erkennen, das Adjektiv ist lediglich der Zuckerguss um das Gericht ansprechend zu kredenzen. Wie man jeglichen Satzgehalt vor einem ‘aber’ getrost streichen kann, sind die Adjektive lediglich eine Schönmalerei, das Lächeln des Verkäufers, ein Wort ohne jegliche Bedeutung für die Kernaussage.

Da lese ich also dieses angeschlagene, laminierte Blatt Papier und frage mich, worin liegt die Motivation einen solchen Geistesblitz als Leitsatz zu definieren.
Sass vielleicht der Doktor Rektor auf seinem Keramikthron und wurde gewahr, dass der Einsatz einer Klobürste und eines kräftigen Spritzers WC-Ente dem stillen Örtchen gut tun würde und erstarrte in der Überlegung, wer dies bewerkstelligen würde, so nur noch Hochschulabgänger durch die Lande zögen?

Hadert einer mit seinen Unzulänglichkeiten, lobt man ihn für die ausserordentliche Kunst, über fünf Schritte hinweg einen Fuss vor den Anderen zu setzen ohne dabei der Länge nach hinzuschlagen.
Oder der Dame, entbehrend jeglicher optischer Reize, wertet man das liebevolle Wesen hoch, wohl wissentlich, dass im Getümmel der Paarungswilligen diese Eigenschaft so wertvoll sei, wie Sandpapier beim Auto polieren.
Man überzieht den sauren Apfel des praktisch Bildungsfähigen mit einem zarten Zuckerguss, dass er in seiner Dummheit blind hinein beissen möge.

Wir gehen uns einig, eine Alternative ist eine Möglichkeit.
Etwas genauer; Eine andere Möglichkeit zu einem im Grundsatz zu erstrebenden Ziel. Statt harter Kohle unterm Gesäss möchte man auf der Zugreise vielleicht lieber einen hübschen Polstersessel durchwetzen und Light-Nahrungsmittel sind doch nur Ersatzbefriedigung für die Gelüste nach etwas wirklich Leckerem.
Diese Erkenntnis in einem Leitsatz zu verstecken ist doch der blanke Hohn der Hochschulabgänger gegenüber dem Arbeiter.

Du bist zu dumm für etwas Vernünftiges, aber dir bleibt immernoch die Berufslehre. Bringt dich im Leben nicht weiter, aber hols der Teufel; Auch deine Steuern nehmen wir und verdammt nochmal, jemand muss unsere Klo’s putzen.

Eine attraktive Alternative, wohlgemerkt.
Entweder hält der Verfasser einen Beduinen für dumm genug eine Wärmepumpe zu kaufen, oder er lebt tatsächlich in einer Welt zwischen Mittelerde und Westeros.

Wer sich in der heutigen Zeit auch nur mit dem Gedanken trägt ein Leben mit Eigenheim, Frau und Kind zu führen, kommt um ein ordentliches, monatliches Einkommen nicht herum. Da kann man noch so kunstvoll einen Kabelkanal an die Wand montieren oder eine Fassade einkleiden, solange man in Arbeitshosen auf Knien durch das Leben kriecht, rutscht der berühmte grüne Zweig gerade so nah, dass man es schafft mit etwas Geschick das gegenüberliegende Ende einer kunstvoll geknüpften Schlinge über selbigen zu werfen.

Die Berufslehre ist keine Alternative zur Mittelschule, geschweige denn eine attraktive, sondern lediglich der einzige Weg.
Sei es, weil die finanziellen Möglichkeiten nicht gegeben sind weiterhin den Eltern auf der Tasche zu liegen, sei es, weil man zu jung und naiv ist um mit 15 Jahren die nächsten Jahre zu planen, oder sei es, weil man schlichtweg zu dumm ist, eine Mittelschule zu besuchen. Verzeihung; Natürlich nicht dumm, man ist praktisch Bildungsfähig.

Vielleicht verstehe ich in meiner Einfältigkeit auch schlichtweg diesen Leitsatz nicht.
Es wird schliesslich niemand direkt angesprochen, ich bin der Einfachheit halber davon ausgegangen, dieses Motto diene der Motivation der Auszubildenden des Handwerks.
Betrachten wir diesen Satz aus Sicht des Staates, der Hochschulabsolventen und unseren sozialen Institutionen ergibt er jeden erdenklichen Sinn.
Ein jeder, welcher nicht nur dumm genug ist eine Mittelschule zu besuchen, sondern in seiner Blödheit auch noch einen handwerklichen Beruf erlernt ist für den Staat eine Milchkuh. Und so er zu dämlich ist seinen Working-Poor-Status zu erkennen, bestimmt auch eine attraktive Milchkuh.
Und kriecht für die gesellschaftliche Elite durch den Dreck.

Natürlich wohnt meinen Überlegungen eine gewisse Pauschalisierung inne.
Wer immer sich den angesprochenen Gruppen in keiner Weise angehörig oder von anderer Motivation getrieben fühlt, tut dies mit Fug und Recht oder ist Meister der Selbsttäuschung; Aber ich würde behaupten, im Grundsatz liege ich sowas von goldrichtig.

Eine Stunde und 752 Worte, um einen einzigen Satz zu verstehen.
Nun, die Berufslehre schien wirklich die einzige Alternative gewesen zu sein.

Über RAB

Ein Schreiberling mit nüchternem Blick auf das Leben, beim Versuch, selbiges aus satirischer Sicht etwas angenehmer zu bewältigen.
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