Fondue im Güterhof

Ein Blick auf die Ernährungstabelle zeigt, am Samstag ist irgendwas aus dem Ruder gelaufen.

Angesichts der Tatsache, dass der Winter so gut wie durch ist, ich praktisch kein Fondue und kein einziges Raclette verspiesen habe, brachte ein Kollege in einem Moment totaler sozialer Selbstlosigkeit den Vorschlag im hiesigen Güterhof Brot in flüssigen Käse zu tauchen.
Eine hübsche Idee und sogleich mit einer Reservierung auf Malecken, Vorname Will, umgesetzt.
Vom Herren im Karohemd wurden wir in die ‘Alphütte’ geführt; Das Ambiente wurde im abgetrennten Restaurantteil mittels alter Balken, Sackleinen und neckischen Fenstern ganz nett geschaffen. Man bugsierte uns auf die Festbestuhlung neben eine gepflegt speisende Kleinfamilie und hiess unsere Allerwerteste auf flauschige Lammfelle zu platzieren.
Etwas im Gegensatz zu den Aperitif-nippenden Herrschaften zur rechten und am Tisch zur linken, leisteten wir uns den Affront und bestellten gleich eine Flasche Kirsch.
Hurtig, unterdessen wurden unsere Jacken vom freundlichen Karohemd ins Nimmerland getragen und ich klopfte mir auf die Schulter für den Einfall, die billige Ausgangsjacke gewählt zu haben, trug ein weiterer filigraner Herr des Rechaud herbei, setzte es in unser Zentrum und hantierte mit einem halb Meter langen Streichholz.
Über den Brenner gehalten, puff aus die Maus. Noch einmal, abermals… Das Streichholz näherte sich einer den Pianistenfingern gefährlich werdenden Kürze von 20cm, als endlich die Flamme anhaltend aus dem Brenner züngelte, was der zarte Mann mit einem kleinen Hüpfer aus der Gefahrenzone quittierte.
Rechterhand wurde bereits das Brot auf neckischem Brett gereicht, die Sache schien flott von Statten zu gehen.
Das Brot gebrochen, ein Stück auf die Gabel und wir sassen bereit zum Stoss um die lustig züngelnde Flamme. Die Arme wurden schwerer, die Blicke länger und die Mägen lauter. Kein Käse kam. Verzweifelte Blicke und bei jedem “Ding ding” vom Tresen, liessen wir ein erleichtertes Aaaah hören, um hernach zu beobachten, wie ein Caquelon an uns vorbei getragen wurde.
Als endlich ein Kellner sich an unseren Tisch begab, uns gar mit seinem Blick fixierte und ein Körbchen auf den Fingerspitzen balancierte waren wir leicht irritiert, doch guter Hoffnung.  Kartoffeln. Jede Menge kleine, handwarmer Kartoffeln über deren Funktion ich mir als konservativer Fonduegeniesser und bekennende kulinarische Banause nicht im Klaren war.
Wir assen sie direkt aus der Hand, hielten sie übers Feuer, tunkten sie im Kirsch, doch keine angewandte Technik gereichte zu einer oralen Geschmacksexplosion.
Die Gläser gehoben, etwas Mut angetrunken und mein Bruder setzte an, durch sanftes aber bestimmtes Schlagen mit der Gabel gegen das Rechaud den Kellner herbei zu klopfen.
Er habe bereits reklamiert, teilte dieser uns befliessen mit und in der Tat, keine zwanzig Minuten später eilte er mit dampfendem Pfännchen in unsere Mitte.
Fondue a discretion bestellten wir, essen bis wir platzen war die lobenswerte Absicht.
Frohen Mutes rührte jeder seine Gabel zweimal im Käse, beim dritten Versuch kratzten wir bereits auf dem Boden.
A discretion funktioniert so, dass man sich die Karte rauf und runter verköstigt, neun Fondue-Varianten wurden kredenzt und wollten genossen werden. Aus Sicht des Kunden.
Die Geschäftsführung baute eher auf das Modell, fülle die Hungrigen mit Kartoffeln und spare am Käse. Nicht mit uns. Brav warteten wir abermals fünfzehn Minuten und genossen die nächste Geschmacksrichtung. Mit Riesling und Trauben, speziell aber ausgezeichnet, sehr lecker. Wenn auch die Traubenhälften dazu neigten, sich glühend heiss in der Mundhöhle festzusaugen und dort gemächlich abzukühlen.
Man muss auch einmal etwas zu Gute halten; Da wir begannen Brot auf Vorrat zu bestellen und beim Abliefern der Pfanne gleich die nächste zu ordern, kam ordentlich Zug in die Sache. Die Schnapsflasche wurde hübsch im Kreis herum gegeben und leerte sich zusehends.
So wanderte flugs ein Fondue mit Speck und Lauch, schmeckte wie Carbonara auf Brot, in den Magen, wurde gedeckt von einem Bierfondue und krönte in einem Chili-Fondue.
Bis zum Chili war es lecker und abwechslungsreich. Chili-Fondue schmeckte wie pürierte Nachos in Dipp und trieb die Ersten in die untere Etage auf das stille Örtchen.
Mein Magen kam auch langsam an seine Grenzen, doch wollte ich das Mahl nicht mit einem fremdländisch anmutenden Chili-Fondue beschliessen. Wir ordeten noch einmal die heissen Trauben. Der Schweiss floss schon in Strömen, den Kopf aufgestützt, doch die 42.- Franken mussten letztendlich in Käse gewandelt werden. Käse welcher schon bis zur Gurgel stand, ich war bereit die Fahne zu hissen.
Nur langsam mit den jungen Pferden, wir erspähten das Fondue Hawaii mit Schinken und Ananas… Dies klang leicht und lecker, nur noch zu dritt beschlossen wir ein weiteres Caquelon zu ordern. Nur noch zu zweit, mein Bruder ging während seiner kurzen Zwischenzigarette irgendwo im Lokal verloren, tauchten wir gequält das Brot ein. Drei Brotstücke und ich hatte keinen sehnlicheren Wunsch, als mich wimmernd in der Embryostellung auf dem Lammfell zusammenrollen.
Die Augen waren grösser als der Hunger, hätte Mutti gesagt und ich war mir sicher, die nächsten 6 Monate kein Fondue mehr. Der Kirsch, die Flasche ging zur Neige, vermochte den Käseklumpen nicht zu spalten, ich wollte nur noch an die Luft.
Der gestresste Kellner rächte sich für den Stress und liess sich ordentlich Zeit mit dem Liefern der Rechnung.
Mit gönnerhaften Blick legte er sie betont langsam in die Mitte. Er hatte gewonnen, kein Zweifel.
Unser kleiner Sieg bestand darin, dass die Flasche Willisauer in der Hektik nicht auf den Zettel gefunden hatte. Schnell das Geld in das Faltpapier gepackt, aufgestanden, dem Kellner nachgewankt um unsere Schuld zu begleichen und ab an die erquickende Luft. Mein schlechtes Gewissen hielt sich in Grenzen, die haben einen guten Schnitt gemacht und wir haben im letzten Jahr gewiss schon genügend Geld in das Lokal getragen.
Wäre ihm an dem gebrannten Wasser gelegen, er hätte uns im Innenhof gefunden. Die Bäuche haltend, an einen Tisch geklammert.

Fazit; Eine ganz leckere und plauschige Sache! Ob finanziell vernünftig weiss ich nicht, interessiert mich nicht; Sozial, ambientetechnisch und kulinarisch ein grosses Daumen hoch!
Und nach einer halben Packung Zigaretten, drei Coronas und fünf mal Cowboy & Indianer tanzen, hätte im Prinzip bereits wieder ein Stück Schokoladekuchen Platz gehabt. Solch ein warmes, mit flüssigem Kern….
Rein theoretisch. Habe es bleiben lassen, bin ja auf Diät.

Über RAB

Ein Schreiberling mit nüchternem Blick auf das Leben, beim Versuch, selbiges aus satirischer Sicht etwas angenehmer zu bewältigen.
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