Früher…

Das Leben zieht schnell vorbei. Wenn du nicht hin und wieder stehen bleibst und dich umsiehst, könntest du es verpassen.

Nein, ich habe mir kein trendiges Wandtattoo bestellt. Dieser Pseudo-Tiefsinn stammt von Ferris Bueller, aus dem Film Ferris Bueller’s day off und schoss mir heute durch den Kopf.

Ich habe mir die Platinum-BluRay von den Looney Tunes bestellt. Und weil ich eben ich bin und es davon gleich drei Ausgaben gibt natürlich das Comfort-Dreier-Paket.looney-tunes
Looney Tunes, das sind die Geschichten um Bugs Bunny, Wile E. Coyote, Duffy Duck und ich glaube, der nervende tanzende Frosch zählt auch dazu. Ihr wisst schon, dieser welcher in einer Schachtel unter einem Gebäude vergraben war und nur tanzt, wenn er unbeobachtet ist, was dem Bauarbeiter einen Strich durch den Traum von Reichtum machte.
Wissend, dass ich mich einer weiteren unbeschwerten Kindheitserinnerung beraube.

Heute guckt man Knight Rider und wo man hinguckt sieht man Sprungrampen, schief genietetes Blech und den Sack hinter dem leeren Fahrersitz für den nur allzu menschlichen Auto-Piloten. Plötzlich stört einem das quietschende Geräusch von schleifenden Rädern auf Sand wenn KITT losbrettert und fragt sich, wie ein Auto aus dem Stand aus einer Schrottpresse springen kann oder wo das hundert Meter lange Stahlseil mit Enterhaken wohl aufgewickelt wird und warum das Innere der mobilen Zentrale die Dimensionen einer kleineren Turnhalle mit Saloon aufweist, jedoch der Knight Industries Two Thousand beim Verladen in den Truck nur ganz knapp seine Aussenspiegel behält.
Und dreht es sich nicht um das Auto, hinterfragt sich der erwachsene Zuschauer, ob sich Michael Knight schon immer mit der Gelenkigkeit eines Nussknackersoldaten bewegte und was Frauen beim Anblick des wandelnden Doppelmeter mit behaarter Hühnerbrust unter wolligem Wuschelkopf zur Ekstase trieb.

Aus der Not eine Tugend machten die Jungs von Sprittwoch, eine Seite, welche alle gealterten Fans unbedingt besuchen müssen.sprittwoch

Man geht nicht mehr mit derselben Unbeschwertheit an die Sache heran.
Sass die Jeans von Colt Seavers schon immer so eng, dass nichts der Fantasie überlassen bleibt und sprang er mit dem Wagen nicht viel mehr herum? War Jody, welche Jungs in ihren feuchten Träumen heimsuchte, schon immer so merkwürdig dürr, dass man sie zu einer Pizza einladen möchte? Gleich, nachdem sie beim Friseur war und etwas mit ihrem Haar gemacht hat. Irgendwas. Es soll einfach nicht mehr so fahl und dünn erscheinen, als würde sie im Nebenjob nackig Nukular-Brennstäbe ersetzen und in Tschernobyl Wellnessen gehen.

Mac Gyver geht immer noch. Hätten mir die Manta-Fahrer nicht einen Strich durch die Rechnung gemacht, vielleicht würde ich heute blondierten Vokuhila tragen. Ausgebeulte Jeans, weisse Basketball-Schuhe und unter der sackartigen Lederjacke ein kragenloses Hemd. Kommt bestimmt wieder. Die Mädchen tragen schliesslich mittlerweile den Hosenbund wieder näher der Achselhöhle als dem Schritt und die Oberteile laden zur Nabel- und Bauchspeckshow.
Natürlich, mit den grauen Haaren ging auch ein wenig zusätzliches Wissen einher und ich zweifle mittlerweile ansatzweise an der Sprengkraft von Schweizer Nussschokolade. Dass der Treibsatz einer Leuchtrakete ausreicht um einen Mann über eine Klippe zu katapultieren möchte ich ernsthaft in Frage stellen und die Sache mit Mehl und Bewegungsmelder habe ich ausprobiert.Ok, wirklich gehen tut der MacGyver auch nicht mehr und der zunehmend pädagogische Anti-Gewalt und Drogen-sind-böse Mahnfinger der neuen Folgen hat die Serie schon in den Neunzigern ins Abseits geschossen.

Bonanza fand ich schon immer doof, über unsere kleine Farm lasse ich nichts kommen, ein Engel auf Erden jedoch irgendwie mehr Panache vertragen könnte.

Also werden künftig die Looney Tunes den Sonntag Morgen versüssen. Vielleicht sollte ich mir noch ein Pyjama kaufen um die Kindheitserinnerung so richtig authentisch aufleben zu lassen. Um neun Uhr foppte jeweils Jerry die Maus den Kater Tom. Auf ORF 1, während den Sommerferien. Dummer Tom, gewitzter Jerry.
Heutes sieht man zu und denkt sich; Was ist der Jerry doch für ein boshaftes Arschloch. Der arme Tom. Eigentlich will der Tom ja nur schlafen, bis Jerry irgendwelchen Schabernack treibt und das Frauchen mit den überdimensionalen Waden besenbewehrt den armen Kater dazu antreibt seine Aufgabe wahr zu nehmen und diese dumme Maus zu fangen. Die Maus welche zu gern die Bulldogge in ihr sadistisches Spiel mit einbezieht, damit Tom auch richtig die Hucke verhauen bekommt. Man wünscht sich nur noch, dass er dieses Nagetier mit Stumpf und Stiel verspeist.

Und Silvester diesen bescheuerten, nervenden, kleinen gelben Vogel, mit dem kränklich überdimensionierten Wasserkopf und Flügeln, welche jegliche phsyikalischen Erkenntnisse über Auftrieb Lügen schimpfen.
Wile E. Coyote ist witzig. Immernoch. Ich mag seine durchgeknallten Ideen.
Wegen ihm und diesem Video „Was wäre, wenn Wile den Roadrunner tatsächlich erwischt hätte“ welches ein Kollege heute im sozialen Netzwerk verbreitete, habe ich diese Discs bestellt.

Ein Psychiater hätte wohl eine ganz eigene Theorie.
Weswegen ich vor dem Schloss in Disneyland einmal leer schlucke, mir dann und wann ein lustiges Taschenbuch kaufe und in meinem Wagen ein Donald Duck mit fährt.
Mittlerweile auf der Rückbank. Die Situation befremdete mich bisweilen, wenn morgens bei der Einfahrt an meinen Arbeitsplatz ein Soldat mit Blick auf Donald im Beifahrersitz salutierte.

Mich deucht, die Zeit läuft jeden Tag eine Idee schneller. Es wird nicht früher Feierabend, aber man erwischt sich schon bei einem ‚Herrgott, es ist schon wieder Herbst und dabei habe ich doch erst die Weihnachtskeksdosen verstaut‘.
Es muss einfach alles immer schneller gehen.
Eine Online-Bestellung hat spätestens morgen vor der Tür zu liegen, der Bus soll im Minutentakt fahren, Filme gleich nach dem Kino-Besuch bei Apple verfügbar sein. Besser noch vorher. Das Essen mit der Rückgabe der Speisekarte erscheinen und mit dem Flug in die Feriendestination würde man am liebsten in der Zeit zurückreisen.
Mails werden viertelstündlich abgerufen, witzige Anekdoten nicht beim nächsten Treffen mit den besten Kollegen ausgetauscht sondern gleich in den Gruppenchat und/oder das soziale Netzwerk gestellt und Urlaubsfotos müssen vom Pool direkt in die Welt hinaus gehen. Ein Wettlauf mit den 248 facebook-Kollegen, welche ebenfalls im Urlaub weilen.

Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit – um eine abgedroschene Phrase zu verwenden – und daher sind wir bemüht bestenfalls eine Schuhspitze vor der Zeit zu sein. Ein permanenter Wettlauf, mit jeder Atempause fürchtet man etwas zu verpassen. Eine Beziehung hat zu funktionieren, von einer Sekunde auf die Nächste und in jeder Sekunde des Lebens. Für die Arbeit am Glück hat man keine Zeit, denn rundherum funktioniert es und während die Meiers bereits ein Haus errichten, ist Frau Müller schon wieder guter Hoffnung. Man hinkt hinterher, klappt es mit diesem Lebensabschnittspartner nicht, muss eben ein neuer her. Ganz fix, die Uhr tickt.
Die Zeit rast, zugleich darf man nicht mehr alt werden. Beständige Jugend, Dynamik und eine River-Rafting-Ausflug mit dem Altersheim zählt zum guten Ton. Vitaminetabletten und Voltaren halten den Körper bei Laune, um der Zeit im Fitnessstudio oder auf der Laufstrecke zu trotzen. Die Bikinifigur der Frau Hübeli und das Six-Pack des Anthony – der ist schon 56! hat die Partnerin gesagt – auf dem sozialen Netzwerk sind der Ansporn, mit masochistischen Trieben peitscht man sich an.

Aber wohin denn nur?
Da man nie stehen bleiben darf, ist die Ziellinie die letzte Ruhestätte. Vielleicht bedanken sich die Sargträger, dass man sich zeitlebens ausgezehrt und im Stillen für jeden Müssiggang schalt. Ansonsten geht es einem wie mit dem letzten Hemd ohne Tasche. Wie man letztendes in dieser Kiste liegt, kümmert kein Mensch.
Vielleicht sollte man die Ziellinie eine Idee früher ansetzen. Oder warum nicht Etappenziele.
Bei meinem Spaziergang durch Schottland hatte ich mir diverse Ausstiegsplätze markiert. Einfach um mir vor Augen zu halten; Es ist toll, wenn ich bis zum Ende durchmarschiere, aber ich habe niemandem etwas zu beweisen. Ich habe kein anderes Ziel, als eine schöne Zeit zu haben und wenn die schöne Zeit eine Zugfahrt beinhalten soll, dann ist dies vollends in Ordnung, weil ich mich nur vor mir selbst rechtfertigen muss.
Es ist erschreckend, wie die Entschleunigung aus dem menschlichen Trieb entfernt wurde und man sich regelrecht bewusst ausbremsen muss. Und beruhigend, wie schnell es dennoch geht. Bericht folgt an anderer Stelle.

Früher war alles besser.
Sagt jede Generation. Was nicht bedeutet, das keine Wahrheit in dieser Aussage wohnt. Letztendlich ist es doch ein persönliches Empfinden und wenn dieses ‚Besser‘ auch nur dem Blickwinkel entspringt, da man durch Kinderaugen die Welt aus einer anderen Perspektive sieht.
Das Lustprinzip bestimmt den Tag, die dritte Säule ist ein Stapel Bauklötze, auf der Uhr zeigt Micky Maus mit weissen Handschuhen auf irgendwelche Zeichen. Man schläft ein, wenn die Gutenachtgeschichte zu Ende ist, ein grünlich schimmernder Donald Duck vertreibt mit seinem Nachtlicht die bösen Geister und wenn die Sonne ihn verblassen lässt ist es Zeit aufzustehen. Um mit einer Schüssel Frosties oder Smacks im Pyjama Tom und Jerry zu gucken.

Vielleicht ergibt man sich vor dem Trickfilm-Regal oder im Disney-Hotel einfach der Illusion, ein Stück heile Welt zu kaufen. Einen Moment aussteigen, der gewitzten Maus die Daumen drücken, dass sie dem dummen Kater noch ein Schnippchen schlägt und hoffen, dass Tom das Buch noch nicht zerreisst und eine weitere Geschicht kommt.

tom-und-jerry

Über RAB

Ein Schreiberling mit nüchternem Blick auf das Leben, beim Versuch, selbiges aus satirischer Sicht etwas angenehmer zu bewältigen.
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