Geh Edeka kaufen

Kaufe Edeka.
Dachte, dies müsse ich nun auch einmal versuchen, ist ja doch ziemlich populär.
Vor mir ein Porsche Cayenne GTS mit verdunkelten Scheiben, hinter mir drängelt ein Audi  RS-6 von der Hauptstrasse auf die Parkfläche. Überhaupt ist der Parkplatz in Jestetten von SH-Nummernschildern übersät, die Karrossen lassen darauf schliessen, dass nicht der Sozialhilfe-Empfänger irgendwie über die Runden kommen muss. Vielmehr scheint man bei den Reichen wirklich das Sparen zu lernen.

Den Laden durchquerte ich erst einmal forschen Schrittes in Richtung Kassenbereich, da die Einkaufskörbe aus waren. Das Einkaufen mit Gitterwagen scheint auch eher forciert zu sein.
Paradoxerweise fühlt man sich in der Migros Neuhausen fremder als im Edeka Jestetten. Da sind nicht die fülligen Secondos im trendigen Trainingsanzug namhafter Marken, das Oberteil in der Leibesmitte ordentlich gespannt, mit der Geldbörse in der linken und dem Smartphone in der rechten Hosentasche. Auch nicht dick bemantelte Damen, welche jüngere, übertrieben geschminkte Frauen mit kantigen Kiefern und knappen Leggings in fremden Dialekten durch den Laden treiben, während einer Splittergranate gleich, die ganz kleinen in alle Gänge verstreut werden. Um sie mit scharfen Tönen wieder zu sammeln.
Die Landessprache im Edeka ist Schaffhauser-Deutsch. Hier trifft der gutbürgerliche Müller den Nachbarn Meier. Der Einkauf grundsätzlich scheint eine Päärchenaktivität für die Generation Kaffeefahrt zu sein. Man geht nicht eben in die Migros eine Packung Eier und Mehl holen, man zelebriert den Einkauf bei Edeka. Wühlt sich etwas verloren durch fremde Produkte, wie Toni Brunner auf einem türkischen Basar.

Es mag damit zusammenhängen, dass ich abgesehen von einem Laib Brot nicht wirklich viel brauchte. Eigentlich gar nichts. Den ein oder anderen Energy-Drink vielleicht. Aber von kalorienarmen Aufputschmitteln halten die Deutschen wohl gar nichts. Eine Palette an Rockstar, Monster und was es so gibt, alles angereichert mit 30% Zucker. Dann eben nicht. Cashew-Nüsse, mein neues Laster. Gibt es nicht. Also doch, gewälzt in Fett, geröstet in Öl und dreifach im Salz gewendet. Dies dafür in dreissig Sorten und Fettgraden.
Nun gut, vielleicht noch ein spezielles Bier. Radeberger mag ich aus Prinzip nicht. In der Zeit vor Pay-TV, Apple-TV und Netflix hat mir diese Bierwerbung regelmässig den Filmabend versaut. Weswegen ich übrigens auch keinen Vodka Gorbatschow trinke.
Ich dachte an ein Duff oder vielleicht ein spezielles Starkbier. War wohl nichts. Dafür hundert Sorten Pils und Radler.

Also des Angebots wegen muss ich nicht in den Edeka. Ob ich Geld gespart habe; keine Ahnung. In solchen Dingen bin ich fürchterlich nachlässig. Nicht weil ich darin schwimme, sondern einfach die Meinung vertrete, Geld ist ein Gebrauchsgegenstand und genau den Wert messe ich selbigem zu. Wenn ich einen Nagel zuhause habe und diesen nicht in die Wand haue, hat er irgendwie auch seine Bestimmung verpasst.

Was ich aber feststellte; Ich nervte mich über diese Auslandeinkäufer und schämte mich vor mir selber. Diese permanente Panik, erkannt zu werden, kannten so wohl nur die Herren, welche bei Joe’s Videopalast zum Angebot hinter dem Vorhang schlichen.
Irgendwie fühlte ich mich schäbig wie ein kleiner Betrüger.

Ich mache nicht den Moralapostel. Meine Fonduemischung kaufe ich nicht beim Chäs-Marili und für das Steak gehe ich nicht in die Metzgerei Peter. Einfach weil ich zu faul bin.
Aber letztendlich ist auch der Coop City und die Migros Neuhausen oder der Manor ein regionales Gewerbe. Eine Filiale, welche Profite abwerfen muss. Ein Arbeitgeber.
Wir ärgern uns mit Hingabe über die Pendlerströme aus Schaffhausen in den Rest der Schweiz, arbeiten jedoch mit Nachdruck daran, dass das heimische Gewerbe möglichst keinen Fuss mehr auf den Boden kriegt.
Zu teuer. Was ist zu teuer?
So aus dem Bauch heraus würde ich die Schweiz nicht als kostspieliges Pflaster bezeichnen. Natürlich, auf der staatlichen Ebene gibt es ordentlich Sparpotential, aber alles in allem geht es uns doch recht gut.  Selbstredend, vergleichen wir mit dem nahen Deutschland oder dem Kwiki-Markt im Kongo sind alles Abzocker. Allerdings verdient die hochtoupierte Verkäuferin dank Tarifbindung bestenfalls 2500 Schweizer Franken.
Für ein solches Gehalt überzeugt man in der Schweiz vielleicht die Agenten des RAV von seinen mehr oder minder ernsthaften Absichten eine Stellung zu suchen, würde aber gewiss nicht aus dem Bett torkeln um beim Chef pünktlich auf der Matte zu stehen.

Letztendlich muss dies jeder für sich entscheiden, aber wenn ich gelegentlich ein Brot beim Bäcker kaufe, es mir einige gleich tun und damit ein Schaffhauser weniger in die Jowa-Bäckerei pendeln muss, habe ich doch schon ein gutes Werk getan.
Weiten wir dies auf die Flasche Wein, den Fernseher und ein Buch aus, können wir es doch auch weiterhin in der Schweiz ganz behaglich haben und nebenbei Gutes tun.
Es kann jeder seinen Beitrag leisten und muss nicht mehr machen, als einfach zu leben.

Amen

Post scriptum; Natürlich tätige auch ich hin und wieder einen Einkauf in Deutschland. Dass Schaffhausen keine Männerabteilung im Esprit-Shop hat ist höhere Gewalt.

Über RAB

Ein Schreiberling mit nüchternem Blick auf das Leben, beim Versuch, selbiges aus satirischer Sicht etwas angenehmer zu bewältigen.
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