Gratis, nehmen wir, aber…!

Wenn man das Schreiben als Leidenschaft betrachtet, kann man schon in die Situation geraten, vor einem leeren Bildschirm zu sitzen, es juckt in den Fingern und es fehlt einem an Inspiration, den richtigen Gedanken, um selbigen zu füllen.

Dann klickt man sich in das soziale Netzwerk, einfach aus Langeweile, wer kennt dies nicht. Habe ich mich übrigens ordentlich in die Nesseln gesetzt. Aus Blödsinn, wider besseren Wissens, den 20-Minuten Artikel über die masturbierenden Schaffhauser gepostet und prompt erhalte ich 50 Likes, weil sich die Schaffhauer geschmeichelt fühlen, in Sachen Selbstbefriedigung ganz vorne weg zu schwimmen.
Nun, dies ist deren Ding, peinlicher ist es, wenn die Schwester meiner guten, besten Freundin – selber pflegt sie kein elektronisches soziales Netzwerk – selbige fragt, was denn ich für ein Freak sei, dass ich ein solch direkt widerliches Thema in einem öffentlichen Forum poste und selbiges gar noch mit einem pseudo-humoristischen Satz begleite.
Asche auf mein Haupt; Daher prüfe, was du online stellst, schreibt so auch der David Herzog in den Schaffhauser Nachrichten in einem ganz liderlichen Artikel.
Ärgert sich darüber, dass man bei facebook nicht Kunde, sondern ein Versuchskaninchen sei, dass facebook Daten auswertet und den Newsfeed manipulierte.

Für nicht-facebook-Nutzer; Der Newsfeed ist die Startseite, vergleichbar mit der Frontseite eurer Tageszeitung. Auf selbigem seht ihr die neusten Aktionen eurer sozialen Kontakte, der Gruppen oder die von Managern gepflegten Seiten der Showbiz-Stars. Diesen Feed könnt ihr mehr oder minder anpassen, so sperrt ihr eure Mutter welche im Sekundentakt süsse Katzenvideos hochlädt oder bestimmt, dass ihr nur mittels gezielten Klick sehen wollt, wenn im Schaffhauser Flohmi das selbe Paar High-Heels zum achtunddreissigsten Mal feilgeboten wird.

Facebook passte den Newsfeed also dahingehend an, dass eine Gruppe mehrheitlich Gute-Laune-Beiträge präsentiert bekam, während die andere prioritär eher mit deprimierenden Meldungen bedacht wurde. Daraufhin analysierten sie die folgenden Aktivitäten der betroffenen Personen, hinsichtlich der Entwicklung ihres Gefühlzustandes.
Darüber regt sich die Welt ganz ordentlich auf. Herr Herzog gar fordert, dass der Umgang mit facebook in der Schule unterrichtet werden sollte, nicht nebenbei, es soll Teil des Lehrplan werden.
Es sei ein ganz fragwürdiges Geschäftsmodell, dass facebook seine Benutzer als Produkt sieht.

Meine Güte, wir leben schon in einer undankbaren Welt.
Da erhält die Menschheit eine soziale Plattform um sich auszutauschen, sich zu präsentieren, für den Nachrichtenversand und eine Werbeplattform. Alles kostenlos, im Gegenzug wird lediglich unser Verhalten auf dieser Plattform beobachtet – welches wir immer noch selber in der Hand haben, notabene – und am rechten Bildrand erscheinen personalisierte Werbeangebote. Kann man davon halten was man will. Meine Wenigkeit wird zum Beispiel von jungen Russinnen eingedeckt, welche auf diversen Partnerbörsen auf mich warten – NUR auf mich – aber erscheint mir immernoch sinnvoller, als wenn mir präsentiert wird, wie flexibel die neue Always ist.
Der Menschheit fällt nichts besseres ein, als gegen die Betreiber von facebook zu wettern und ihnen zu erklären, wie sie ihren Job zu erledigen haben und was eine kostenlose Plattform im Internet gefälligst zu präsentieren hätte.

Am Pranger stand auch Google.
Ebenfalls kostenlos unterstützt uns diese Suchmaschine dabei, den richtigen Weg durch das World-Wide-Web zu finden.
Nun möchte der Herr Bankdirektor jedoch vermeiden, dass die Bilder seiner Sauftour anlässlich der letzten Firmenreise in den nahen Osten in den Suchergebnissen nach seinem Namen erscheinen.
Ein grosser Tag für die Datenschützer wurde getitelt, als Google gezwungen wurde, solcherlei Daten auf Wunsch zu löschen. Das Recht des Vergessens wurde es genannt.
Nur als Randnotiz erschien letzte Woche die Meldung, dass die grossen Datenschützer eine Kleinigkeit übersehen haben.
Der Herr Bankdirektor hat nämlich schon vier Banken und 50’000 Kleinanleger in den Ruin getrieben. Ein Klick und alles ist gelöscht.
Das Rössli in Hintertupfingen, zum schmuddeligsten Restaurant gewählt und in diversen Foren wird, gerade im Hinblick auf die Gesundheit, davor gewarnt in diesem zu speisen. Ein Klick und schon ist man wieder die feine Gaststätte ums Eck.

Selbstverständlich liegen die Daten dem Gesundheitsamt noch vor und natürlich geht auch der Bankdirektor nicht straffrei aus, nur der kleine Bürger, für welchen Google oftmals die einzige Wissens- und Informationsquelle darstellt steht nun da, der arme Tor, ist so klug als wie zuvor.

Google Street-View, ein nettes Tool, ebenfalls kostenlos, um sich zu orientieren. Hat die Rechnung ohne die Schweizer gemacht. Kostenlos ist schon gut, nehmen wir, aber dann wäre hier noch dies anzupassen, dort ein Mosaik und überhaupt. Nein nein, Google StreetView MUSS für die Schweiz zur Verfügung stehen, ihr müsst es nur eben etwas anpassen.

Der Mensch lechzt förmlich danach, sich selbst zu präsentieren, will dabei aber nahezu unsichtbar bleiben.
Findige Programmierer sollen dieses Dilemma für ihn lösen.
Und gefälligst gratis!

Über RAB

Ein Schreiberling mit nüchternem Blick auf das Leben, beim Versuch, selbiges aus satirischer Sicht etwas angenehmer zu bewältigen.
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