Hans guck in die Luft

Es schüttet wie aus Kübeln, eine wahre Freude, doch getrau ich mich nicht richtig nach draussen zu gehen.
Wenn nur die Hälfte der Verschwörungstheorien stimmt, prasselt da ein Chemiecocktail vom Himmel, welcher meine Hoden verkümmern lässt und mich über Generationen hinweg zeugungsunfähig macht.
So erklärt sich nun auch das plötzliche Jucken im Gemächt, wenn ihr in knappen Radlerhosen den Hagenturm umrundet, denn auch Funkmasten tragen das ihre dazu bei, der Überbevölkerung Einhalt zu gebieten.
Sagen die Verschwörungstheoretiker.

Es ist kein Zuckerschlecken, wenn man den bösen Organisationen der Welt entfliehen will. Schon die Nespressokapsel zum Frühstück erinnert an eine geköpfte Pyramide. Im Aufzug fühlt man sich unwohl, wenn man vom Schindler-Logo beobachtet wird, welches zweifelsohne so sehr an die Illuminaten erinnert, dass es in seiner Offensichtlichkeit schon wieder Teil eines ganz geheimen Plan sein muss. Dass sich die Tür just in diesem Moment schliesst, als ich genau drei mal auf das Stockwerk „6“ gedrückt habe kann kein Zufall sein und der Aufzug müsste mich direkt in die Hölle fahren, wenn des Teufels Plan nicht darin bestünde, dass er mich eben trotzdem hoch fährt. Des Teufels grösster Kniff war es, die Menschen glauben zu machen, er existiere nicht.
In unserer von obrigen Mächten regierten Welt gibt es kein Zufall, es muss einem Plan zugrunde liegen, dass sich mein Bildschirm mit einer Ellipse verabschiedet und die Firmen-IT die Kurzwahl 23 hat.
Um die Zeit zu überbrücken spiele ich am Smartphone und überlege mir, ob uns ein angebissener Apfel nicht dereinst aus dem Paradies vertrieb und unterjochte. Nebst dem, dass natürlich die Frau schuld war.
Addiere ich die Daten von Steve Jobs Todestag (5.10.2011), nehme die Quersumme, erhalte ich 10. Addiere ich sein Geburtsdatum (25. Februar 1955), nehme ich die Quersumme und daraus nochmals die Quersumme, man muss zur Unterlegung der Theorien schon etwas kreativ sein, erhalte ich wieder eine 10. Huch! Die zehn wird als römische Zahl durch zwei V (oder Pyramiden), doppel-Huch, geschrieben, von welchen eines AUF DEM KOPF STEHT! Die zehn ist eine Dreieckszahl, dreifach-Huch, und wir wollen nicht vergessen, Steve Jobs wurde mit 23 Vater UND SEINE FRAU AUCH! Also Mutter natürlich.
Ich vertippe mich, gebe itanimulli.com, anstelle illuminati, ein und lande prompt auf der NSA-Homepage.

Wenn man lange genug sucht, findet man hinter allem eine Verschwörung, jeder Hahn auf dem Kirchturm zeigt über kurz oder lang auf einen alten Kartoffelkeller, welcher dereinst einem Geheimbund Unterschlupf bot und sei es nur Bierbaron Homers Schnapsbrennerei, welche er vor Marge zu verheimlichen suchte. Drehe ich beliebige Zahlen lange genug, wird sich der logische Schluss wohl nur einem Nerd hinter der fleckigen Brille eröffnen, aber zumindest kommt am Ende eine 23 raus und die Natur schlägt uns alleine aufgrund physikalischer Grundgesetze die Pyramiden doch nur so um die Ohren.

Es ist ja nichts dabei, dass sich Menschen ihr Leben dadurch zu rechtfertigen suchen, dass ein böswilliger Masterplan hinter allem steckt.
Bisweilen gar unterhaltend, hat doch Dan Brown die Verschwörungstheorien so sehr heruntergebrochen, dass selbst der dümmlichste Hartz-IV Empfänger noch folgen kann und sich bestätigt fühlt, lediglich ein Opfer des Systems zu sein. Stopft sich zehn weitere Zigaretten, legt die Füsse auf den Fliesentisch, heut ist Grosser-Onkel-Tag, und lehnt sich äusserst zufrieden mit sich selbst in das fleckige Sofa zurück.

Was mir aber so richtig auf den Zeiger geht ist der penetrante Drang der Verschwörungstheoretiker, ihr komplettes Umfeld als die pure Blödheit vor dem Herren zu sehen und in ihrem Drang uns zu bekehren die Zeugen Jehovas beschämt auf dem Absatz kehren lassen.

Ich musste mich erst ganz oberflächlich schlau machen.
Erfreut sich also ein kleiner Junge an den Flugi-Streifen am Himmel, muss ich ihm klarmachen, dass dies keine Kondensstreifen seien. Unsere Eltern, wohl alles komplette Idioten, haben uns dies so erklärt, aber mittlerweile weiss man, dass die Regierung die Linienmaschinen benutzt um Chemikalien zu versprühen. Einerseits um uns unfruchtbar zu machen, dann um den Boden zu vergiften, den Dachdeckern Arbeit zu beschaffen und nicht zuletzt, da kann ich nicht ganz folgen, wird gar ein Schirm gesprüht, welcher durch das Reflektieren des Sonnenlichts die globale Erwärmung einschränkt. Warum man eine solch feine Sache versteckt praktizieren soll, erschliesst sich mir nicht ganz.
Und die Funkmasten helfen dabei, bitte fragt mich nicht wie, ich bin nur ein blinder Sklave.

Während man früher mühselig auf eine Apfelsinenkiste steigen musste, kann man sich heute gemütlich nackig unter einer Alufolien-Spitzhaube an den Rechner setzen und via soziale Plattform die Leute bekehren. Alle drei Minuten das Passwort des WLAN wechselnd, weil man der Grossmutter im Hochparterre partout nicht über den Weg traut.

Wir kennen dies aus Schundblättchen wie 20-Minuten, wo eine Meinung veröffentlicht wird, schiessen die Experten aus dem Boden wie Steinpilze in einem feuchten Herbst.

Eben noch auf der Feuerthalerbrücke einen Notstopp gerissen, dass Hubert auf dem Rad prompt in die Geranien stürzt, das Handy gezückt und irgendwie zwischen Innenspiegel, Armaturenbrett und Wackelelvis ein Foto des Himmels geschossen, kurz bevor man der Erdrosselung durch den Sicherheitsgurt erliegt.
Schleunigst mit tiefsinnig vielschichtigem Kommentar versehen und auf facebook gestellt.
Es wird gelächelt, zynisch kommentiert und dann geht es los wie bei Niklaas im Kindergarten.

Weil ich darin keine versprühte Chemie erkenne, bin ich ein verdammter Ignorant und habe kein Gewissen gegenüber meinen blauen Mitmenschen und dem lieben Planeten… nein andersrum.
Dazu eine physikalische Erklärung, welche ich so nicht kommentiere, da war ich nie sehr aufmerksam.
Prompt fühlt sich der Flugzeugmech auf den Schlips getreten und plaudert aus dem Nähkästchen, wie gewissenhaft die Flugzeugkontrollen von sich gehen und dass da keine Chemietanks mitgeschleppt werden. Sähe auch merkwürdig aus, Flugi mit Güllewage.

Postwendend die Antwort, ich solle die Augen aufmachen und mitdenken… Nun bin ich keinen Deut schlauer als bei Roli im Physikunterricht. Also wenn ich mich auch noch selbst bekehren muss, lade ich doch lieber die Zeugen Jehovas zum Tee.
Wie würden bald 500 neue Umweltschutzgesetze benötigen (glücklicherweise erleben wir bei der Effizienz unserer Politiker deren Umsetzung sowieso nicht mehr und da wir mitunter alle zeugungsunfähig sind unsere Nachfahren auch nicht) und wir sollten ruhig weiter arbeiten und konsumieren. Da eine unverhohlene, in ihrer Unterschwelligkeit erschreckend offene Drohung mitschwingt, erscheint mir ein Ausrufezeichen angebracht. DA!
Eigentlich wird mir dieser Lebenswandel seit meinem Lehrabschluss gepredigt, nach 17 Jahren scheint es mir schwierig, das Ruder aus eigener Kraft herumzureissen. Vielleicht erwische ich die Zeugen Jehovas noch, bevor sie der Nachbar mit der Heugabel aus dem Dorf jagt
Während sich der weibliche Chemtrail-Messias aus der Diskussion ausgeklinkt hat, schaukeln sich die Experten in der feuchten Atmosphäre derart die Eier, dass ich bald Kondensstreifen in Bodennähe befürchte.
Der Hobbyphysiker verweist auf eine deutsche Chemieseite, der Nächste will in erster Linie daraufhin weisen, dass er Pilot sei und bietet als Alibi dennoch zwei Wikipedia-Artikel an, während sich ein weiterer Verfechter der Chemtrail-Lobyy darin bestätigt fühlt, dass sämtliche offizielle Studien das Versprühen von Chemie quasi in der Luft zerfetzen und es demzufolge nur eine grosse Lüge sein kann.

Ich bin nicht der Messias!
Nur der wahre Messias leugnet, der Messias zu sein!
Ok, ich bin der Messias.
Er ist der Messias!

Wenn auch nach Schoppenhauer der freie Wille eine Illusion ist, steht es jedem frei, seine Dummheit nach Belieben zu untermauern.
Und somit sind wir beim letzten Kommentar, welcher verspricht, dass sich einer hinpflanze und versuche, diesen Zirkusauftritt in einen Blog zu verpacken.kondensstreifen

Über RAB

Ein Schreiberling mit nüchternem Blick auf das Leben, beim Versuch, selbiges aus satirischer Sicht etwas angenehmer zu bewältigen.
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