Ich fahre ein kraftbetriebenes Flurförderzeug

Unter welchen Voraussetzungen darf ein Stapler ohne Aufsicht gefahren werden?

  • Abschlossene Ausbildung
  • Erfolgreich absolvierte Prüfung
  • Gültiger Fahrausweis Kat. F
  • Mit dem Stapler vertraut sein
  • Kenntnisse der Betriebsanleitung
  • Fahrtauglichkeit

Ich setzte mein Kreuz bei „Erfolgreich absolvierte Prüfung“ und reichte den Wisch zur Korrektur.
Vier Fehler. Vier richtige Antworten nicht angekreuzt.
Den rechten Arm hochgereckt, dazu im sekundentakt schnippend, zog ich die Aufmerksamkeit des Instruktors auf mich.
Diese Frage sei blödsinnig, da die Antworten in Abhängigkeit zueinander stehen, respektive, der Punkt „Erfolgreich absolvierte Prüfung“ einzig als alleingültig anerkannt werden könnte.
Er guckte aus seinem grünen Fleece mit SVBL-Flairbutton als hätte ich ihn soeben nach der durchschnittlichen Regenmenge in Abhängigkeit des Bruttoinlandproduktes des Freistaats Lummerland befragt.

Ich dürfe einen Stapler ja nicht fahren, nur weil ich mich fahrtauglich führe.

Natürlich nicht.

Auch wäre eine abgeschlossene Ausbildung nichtens, so ich keine erfolgreich absolvierte Prüfung hätte.

Im Prinzip schon. Ich müsse das nicht so genau nehmen, er hätte den Test nicht selber geschrieben. Und es sei ja nur eine Test-Prüfung.

Mit der erfolgreich absolvierten Prüfung darf ich den Stapler nicht fahren, da ich zum ersten Mal auf einem Gerät des Herstellers Brumm-Brumm sitze und deswegen mit dem Fahrzeug noch nicht vertraut sei?

Doch, natürlich… Eben… dies müssen sie nicht so genau…

Natürlich, aber ich hätte keine Lust durch die Prüfung zu rasseln, weil sie keine korrekten Fragen stellen können.

Ja, aber die Prüfung wäre dann sowieso am Computer.

Und da stellen sie keine Fragen?

Doch schon, aber… So – wieder an den ganzen Kurs gerichtet – was haben sie bei Punkt 3?

Ich schnippste wieder.
Warum sei die Antwort Gültiger Fahrausweis Kat. F falsch?

Weil sie diesen nicht benötigen.

Wenn ich auf einer öffentlichen Strasse fahre schon.

Ja, aber dies wäre hier nicht in der Fragestellung.

Ich sehe in der Fragestellung jedoch keine Angabe, wo der Stapler fährt.

Wir gehen von einem Firmengelände aus.

Woher soll ich wissen, wovon sie ausgehen?

Na weil… eben… nicht so genau…, also, Punkt drei?

Ich schwieg.

Dürfen sie andere Personen auf dem Stapler mitfahren lassen?

  • Grundsätzlich ist das verboten
  • Ja, zum Festhalten einer unsicheren Ladung
  • Ausnahmen sind zulässig, wenn der Stapler vom Hersteller dafür vorgesehen ist und ein zweiter Sitz für einen Mitfahrer, sowie ein Haltegriff vorhanden ist

Schnipp, schnipp!
Ist es nun im Grundsatz verboten ‚Punkt‘ oder ist es verboten, sofern nicht vom Hersteller blablabla

Beides ist richtig.

Also nicht grundsätzlich verboten?

Doch.

Also keine Ausnahme?

Doch.

Ja was denn nun?

Beides.

Geht das?

Ja! und sein Blick besagte, dass ich im Grundsatz des Kurses verwiesen werde, es sei denn, ich hielte sofort meine Klappe.

Natürlich absolvierte ich die Prüfung mit 99%.
Die falsch angekreuzte Frage war, warum man die Gabel mit angehobener Last nicht nach vorne neigen darf.

  • Wegen der Verlagerung des Schwerpunktes der Last.
  • Damit die Last nicht verloren geht

Ich setzte zwei Haken, gefragt war nur der obere. Auch hier würde ich Diskussionspotential sehen. Nicht zuletzt, weil der Schwerpunkt der Ladung meines Erachtens fix ist, der des Gefährts mit Ladung jedoch verlagert wird. Aber was solls.

Es ist die angenehme Seite beim Bund. Der Arbeitgeber ist der Meinung, seine Angestellten müssen jedes erdenkliche Fahrzeug lenken können. So lerne ich zurzeit die Funktionsweise der Bremssysteme und Ladungsweisen von drei-achsigen Motorwagen mit anghängtem zwei-achsigen Anhänger mit einer Nutzlast von 18 Tonnen. Ein wenig zäher als der Staplerkurs.stapler

Vier Tage sass ich halbtägig in einem Kurslokal und verbrachte den Rest des Tages auf einem Gegengewicht oder Quersitzschubmaststapler zwischen roten Begrenzungspfeiler manövrierend.
Mit mir drei ‚Arbeitskollegen‘ aus allen Ecken der Schweiz und 17 Logistiker. Die Wiegen standen in allen Herren Länder der Welt, mittlerweile jedoch ordentliche Schweizer Bürger. Die sprachlichen Fähigkeiten waren nach ‚Guten Morgen‘ an der Grenze und nach ‚Ist schwierig, weil mit Sprache…‘ vollends erschöpft.
Da Migros, Post und Crazy Achmed’s Bazar jedoch für den den Kurs bezahlt hatten, wurde sofort der Kursablauf auf die Teilnehmer angepasst.
In etwa wie unser Schulsystem.
Das Lesen von Tragkraftdiagrammen wurde über drei Stunden geübt.
Eine halbe Stunde erklärte der Herr im Fleece, wie das Inhaltsverzeichnis und der Index des Übungsbuches zu handhaben wäre.

Sie möchten etwas über die Gabel wissen? Dann gehen sie hier von A, über B… C,D, ja genau, hier bei A beginnen, sehr gut Herr Öshgtü…ähm… jawohl, B, dann C… bis zum G.

Warum G; fragt ein Herr mit ordentlichem Schnauzer und Eau-de-Knoblauch am Hemd.

Wegen Gabel.
Totenstille im Raum.

Gabel beginnt mit G.
Überraschte Aaaah und Ooooh schallen durch den Raum.
Stille.

Jetzt blättern sie zu G.
Ratlose Stille… Rauchende Köpfe.

Der Herr Fleece schreibt das Alphabet an den Flipchart.
Aber ohne Bildchen. In etwa eine Äffchen beim A oder einen Ball beim B.
Chinesische Schriftzeichen wären nur unwesentlich nutzloser gewesen.

Letztendlich trat er zu Herr Örsgtüthme…ähm heran, schlug die Seite auf und zeigte auf G wie Gabel.
Ah, ja ja, weiss ich schon, alles klar; Bestätigt Herr Örägütjes…ähm, beinahe beleidigt, dass ihm so etwas einfaches wie etwa ‚kunstvolles auf den Boden spucken‘ gezeigt wird.

Am dritten Tag, der letzte vor der Prüfung, stand die Vertiefung auf dem Programm. So der letzte Schliff, bevor es ernst galt. Was wir noch sehen möchten, wo wir noch üben müssten.
‚Ja, wegen Sprache…. schon schwierig… fahren geht‘, sprach Ali, welcher vor einer halben Stunde einen Stapel Paletten quer durch die Halle geworfen hatte und die Sicherheitsschuhe des Kursleiters mit den linken Hinterrad einem Härtetest unterzogen hatte.

Er hatte aber auch Pech, wurde Ali auserkoren, das Ein- und Auslagern gemäss den Instruktionen des Kursleiters zu demonstrieren.
Jetzt zurück fahren; Ali fuhr den Mast aus.
Nein, den Stapler zurück fahren.
Ja ja, schon klar; sprachs und kippte die Ladung durch das Neigen des Hubmastes unter das Regal.
Also, jetzt Gabel runter; Ali fuhr hoch…
Mast zurück; Ali hupte…
und zurück fahren; Ali drehte an Ort und Stelle…

Mitfühlend merkte ich an, vielleicht sollte jemand, der deutschen Sprache mächtig die Anweisungen ausführen.
Ich wäre auch nicht perfekt, es sei ihm sehr wohl aufgefallen, dass ich den Sicherheitsgurt nie trage, dies würde mir bei der Prüfung zum Verhängnis werden; drohte es postwendend, während er knapp dem rotierenden Stapler mit einem quiekenden Ali auf dem Fahrersitz auswich.

Na ja, da wir nur halbes Schritttempo fahren dürfen und die Ladung sowieso…
Sicherheitsgurt! mit Nachdruck!

Was wollen sie ansehen, wo sind Probleme?
Ja… weiss ich nicht…

Wo sind sie stecken geblieben?
Mmmmh… kurzes Aufstossen und Zwiebelduft im Raum… ja ähm…

Nach dem guten Morgen, Dienstags in der Früh?; Warf ich in meiner hilfsbereiten Art in den Raum.

Für solcherlei Äusserungen sei hier nicht der Platz; Kam der Verweis.
Vielleicht ein Deutschkur…. ich verschluckt die letzte Silbe.

Es wurde folgendes salomonische Urteil gefällt.
Meine drei Arbeitskollegen und ich würden die Prüfung im klassischen Stil als Einzelarbeit mit Mehrfachantwortmöglichkeiten am PC absolvieren. Die restlichen Teilnehmer mit Handicap in der deutschen Sprache erhielten die Heftversion mit jeweils einer korrekten Antwortmöglichkeit.
Zudem würden die Aufgaben vor der eigentlichen Prüfung als Hauptprobe durchgesprochen. Des weiteren würde der Kursleiter im Raum flanieren und hilfreich zur Seite stehen, so Barrieren bestünden.

Kurz vor Mittag die Rangverkündung:
Zweimal 99%, einmal 97%, einmal 96%… und der Rest hat auch bestanden, hihihihi.

Am Nachmittag die praktische Prüfung.
Knapp bestanden, war mein Resultat. Den Mast eine Idee zuwenig zurück geneigt, den Boden nach der Abfahrt nicht nach Öl-Rückständen überprüft und den Sicherheitsgurt nicht angelegt.
Ali, sein Stapler wurde soeben funkensprühend auf der Seite liegend unter dem Regal hervorgezogen, und Östfwsühr….ähm, welcher sich nach dem Aufspiessen vom Kahjedtepan – Schweizer mit tamilischen Migrationshintergund – selber überfahren hat, wurden unter Fanfaren und Trommelwirbel zur herausragenden Prüfung gratuliert.


Über RAB

Ein Schreiberling mit nüchternem Blick auf das Leben, beim Versuch, selbiges aus satirischer Sicht etwas angenehmer zu bewältigen.
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