Im Namen der Blogger dieser Welt

Geschätzter Herr N,

angesichts Ihres Leitartikels der letzten Samstag-Ausgabe Ihrer Zeitung, wurde ich das Gefühl nicht los, in einen, in meine Richtung gereckten Zeigefinger zu starren.
Dies mag durchaus etwas anmassend klingen, doch sind mir neben meiner Wenigkeit nicht viele Schaffhauser Blogger bekannt.
Insbesondere wenn sich Ihr Groll gegen die, ich darf zitieren, ‚Rassisten und feige – anonyme – Heckenschützen‘ richtet, sehe ich mich vollends vor der Lanze des Ritters mit dem offenen Visier.

Ein Rassist ist man heute furchtbar schnell. Nicht, dass ich mich als Rassist bezeichnet fühlte, meines Erachtens ist man mit diesem Begriff nur etwas zügig bei der Hand. Da genügt ein wenig scheu gegenüber fremden Gepflogenheiten, eine Verschlossenheit gegenüber neuen Kulturen und man hat den Stempel. Es entspricht dem Zeitgeist, sendet ein den Menschen genehmeres Signal in die Welt, wenn man die Arme ausbreitet, sich hier ein wenig anpasst und dort eine Idee zurücksteckt, als wenn man konservativ seine Tür schliesst und ängstlich durch die Gardine auf das Weltgeschehen blickt.
Zudem dürfen wir nicht vergessen – und dies ist universell einsetzbar – die Welt von seiner eigenen Offenheit gegenüber allem und jedem zu überzeugen ist für den Augenblick am wirkungsvollsten, wenn man den Mangel an solch Tugenden einer anderen Person auf den Leib schreibt.

Nicht der Rassist, Herr N, mich kränkte die Bezeichung als feigen, anonymen Heckenschützen.
Sie sprechen Staaten an, in welchen die anonymen Publikationen als Widerstand gegen die Zensur und Einschränkung der Pressefreiheit verstanden werden, der Zweck heiligt die Mittel. Gehe ich mit Ihnen einig. In der Schweiz muss keiner befürchten, wegen einer spitzen Feder vor den Scharfrichter, im wahrsten Sinne des Wortes, geführt zu werden. Was jedoch nicht bedeutet, dass jegliche Meinungsäusserung toleriert wird und ohne Konsequenzen bleibt.

Jeder Zeitgenosse hat seine Interessen, tangiert das Weltgeschehen diese, bildet er sich eine Meinung. Sei es eine Krise in einem fernen Land, das Bankwesen oder die Tatsache, dass nachts um halb drei ein Hubschrauber über Schaffhausen kreist. Man tauscht sich aus, früher am Waschplatz oder Stammtisch, heute in sozialen Netzwerken oder ihm Rahmen eines Blogs.
Konnte Karl sich früher darauf verlassen, dass Fischer’s Hans nach dem Stamm nicht direkt zu Karls Chef rennt und ihm brühwarm auftischt, was besagtem Karl heute auf der Baustelle gegen den Strich lief, ist dies im World Wide Web etwas komplexer. Man kann sich darüber entrüsten, sich ein wenig sperren, doch ist es eine Tatsache, dass das Internet teil unseres Alltags ist und manche Aspekte desselbigen auch in diesem aufbereitet werden. Vor wenigen Jahren wäre dem Menschen nichts ferner gelegen, als sein Tagebuch im Rahmen einer Lesung vorzutragen, heute führt er einen Blog, schreibt seine Emotionen in soziale Netzwerke.

‚Wer isch da, wo ghört de ane, wa tuet de Vater?‘, hiess es noch, als ich ein kleiner Junge auf dem Land war. Vielleicht wusste die Nachbarin Bescheid. Heute tippt man den Namen in eine Suchmaschine und Google weiss es ganz sicher.

Das Internet ist kein rechtsfreier Raum und ich möchte sagen, die Menschen sind sich dieser Tatsache durchaus bewusst. Die Datenschützer haben ihren Teil dazu beigetragen, die Benutzer dieses Mediums sind sensibilisiert, sie setzen auf Anonymität, wie sie richtig bemerken.
Doch nicht jeder Blogger möchte im Zuge der Anonymität verschleiern, dass er in etwa seine Notdurft gerne gegen Polizeifahrzeuge verrichtet. Es ist auch nicht Feigheit, welche ihn daran hindert, mit Namen und Adresse zu seinen Texten zu stehen.
Etwa ein Roger Köppel lebt vom provokativen Charakter seiner Texte. Jedes Schienbein, gegen welches er tritt bedeutet einen Leser und nochmals einen als Bonus, welcher ihm für den Mut auf die Schulter klopft. Jeder Giftpfeil bringt bares Geld.
Jeglicher Veröffentlichung wohnt eine gewisse Hungrigkeit nach Anerkennung inne. Nicht nur als klingende Münze, sondern auch für das eigene Selbstwertgefühl. Auf diese muss ein Blogger weitgehend verzichten. Denn vielleicht verdient er seine Brötchen in einem Umfeld, in welchem seine Gedanken fehl am Platz wären, oder einfach nur falsch interpretiert werden könnten. Und man stelle sich vor, ein Artikel würde Wellen schlagen, welche gar seinen Arbeitgeber in ein falsches Licht rücken könnte.
Es wird ihm nicht der Prozess gemacht, es werden ihm keine Gliedmassen abgehackt, aber mit dem Verlust der Arbeitsstelle erhält die Bedrohung doch existenziellen Charakter.

Es ist also durchaus denkbar, dass manche Anonymität im Internet nicht auf Feigheit basiert, sondern zum Schutz gewählt wird. Und vielleicht wird dadurch auch manch wertvoller Denkanstoss geliefert, welcher aus Angst vor ungerechtfertigten Konsequenzen die vorgehaltene Hand nie passiert hätte. Das Internet ist beileibe kein Teufelsding, man muss lediglich etwas selektieren. Wie bei Tageszeitungen eben auch.

Mit freundlichen Grüssen

RAB

Über RAB

Ein Schreiberling mit nüchternem Blick auf das Leben, beim Versuch, selbiges aus satirischer Sicht etwas angenehmer zu bewältigen.
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