In Dr. Dukans Folterkammer

Eine Diät welche man wiederholen muss, kann so gut nicht sein, gebe ich Euch recht.

In der letzten Phase der Diät, die Stabilisierung, wurde ich schwach. Die Palette an zu geniessenden Lebensmittel wird so drastisch erweitert, die erlaubten Schlemmermahle so zahlreich angeboten, dass Erdnüsse und deren lieber Bruder, das Schokoummantelte M&Ms einen festen Platz in meinem Speiseplan erhalten haben. In Kombination mit Müssiggang, bewusstem Verweigern des täglichen Wiegevorgangs und erhöhtem Alkoholkonsum habe ich mich wieder auf stolze 72 Kilogramm hochgefressen. Langsam aber stetig.
Natürlich, man spürte es schon, aber als ich ein im April erstandenes Paar Hosen nicht mehr zu schliessen vermochte, war Handeln angesagt.
Dass an Dukan nichts auszusetzen ist, beweist mein Kollege, welcher die Stabilisierungsphase seriös durchgezogen hat und dessen Waage tatsächlich keine grossen Sprünge mehr macht, trotz normalisiertem Essverhalten.

Zurück auf Los, ziehe keine Viertausend ein.Die Angriffs- oder ich-verarsche-mich-selbst-Phase in der ersten Woche schlug voll ein. Es purzelten 2,3 Kilogramm.
Zeit Sport ins Programm aufzunehmen. Ein Online-Versand für Hantelgewichte, wie praktisch. Versandkostenfrei, was will man mehr. Natürlich würde ich regionale Händler berücksichtigen, aber es gibt nunmal keine.
Meine Neugierde wie die Pakete wohl zugestellt werden, wurde gestillt, als ich Freitag Abends meinem Briefkasten einen Zettel entnahm, ich möge in der örtlichen Volg-Filiale, welche seit kurzem auch die Poststelle betreibt, mehrere schwere Pakete abholen.
Ah, sie sind das; wurde mit bissigem Unterton bemerkt.
Hantel stemmen scheint mir auf dem Lande immer noch etwas verpönt. Wer nach Feierabend noch Gewichte stemmt, scheint zwangsläufig zu wenig zu arbeiten. Durch das Spalier versammelter Bauern, ein walk of shame, schiebe ich einen kleinen Wagen in den hinteren Bereich des Ladens.
Nochmals werden sie dies nicht herumschleppen und der Postbote hätte sich auch schon beschwert, bemerkte die Verkäuferin.
Stand ich in den heiligen Katakomben von frisch und nicht mehr so freundlich, lud die Gewichtsscheiben verpackt zu Dreierpaketen in den Einkaufswagen, welcher ächzend die Räder zu spreizen begann.
Mit schlingerndem Wägelchen wieder durch die Filiale, drei Verkäuferinnen im Schlepptau; Jawohl, der ist es!
Wären die Pakete wenigstens nicht mit all4fitness beschriftet gewesen, wäre ich noch ehrenvoll als Uranschmuggler oder Mineraliensammler durchgegangen, aber so…
Es fehlen mir noch diese oder jene kleinere Sachen, aber vom Onlineshopping bin ich geheilt, riskiere lieber, dass meine Hantelbank unter mir zerbröselt.

Laufschuhe mussten her. Die letzten waren hübsch, sportlich und bequem. Der Preis, einhundertsonstnochwas, zwei Achillessehnen und etwa fünfhundert Franken Physiorechnungen mit eher mangelhaftem Ergebnis.
Athleticum eben.
Ein Hoch auf den regionalen Händler.
Keine computergestützte Laufanalyse, nein, der gute Mann liess mich unter strengem Blick zum Amüsement der Passanten mit Gangsta-Mässig hochgerollten Jeans die Strasse rauf und runter rennen. In blauen Schuhen, roten Schuhen, gelben Schuhen, roten und blauen Schuhen, Grösse 8.5, Grösse 9, alles gemischt… Es war mir beinahe peinlich, geriet nahezu ins Schnaufen und der leere Dukanbauch grummelte die Begleitmusik.
Während mein Physio meinen Laufstil korrigieren wollte – ich neige anscheinend zum Modelschritt und solle die Füsse weiter auseinanderhalten – suchte der Verkäufer meinem abartigen Laufstil angepasste Schuhe. Deucht mich im Nachhinein eigentlich auch sinnvoller. Verwindungsfest wie ein Stahlträger, eine Fersendämpfung von der Elastizität eines Steines und siehe da, die Schmerzen liessen schon nach.
Von der Marke hatte ich noch nie gehört, farblich hätte ich was dezenteres gewählt, aber er sagte „Diesen da“ und ich kaufte diesen da. Das nenn ich einen guten Verkäufer.
Eine Achillessehne kann man nicht stützen. Herzlichen Dank, Herr Physiotherapeut.
Mit meiner zusätzlich erworbenen Achillessehnen-Prothese bin ich in den letzten zwei Wochen 43 km gelaufen, nahezu schmerzfrei.

brooks

Eigentlich stand einer weiteren Gewichtsabnahme nichts mehr im Wege. Dachte ich.
Mein Körper war anderer Meinung.
In der folgenden Woche nahm ich bei stetig erhöhtem Sportpensum und gleichzeitig reduzierter Nahrungsaufnahme wieder ein Kilogramm zu. Einerseits ein Frust, anderseits eine interessante Erfahrung. Die Dukandiät kalkuliert nicht ein, dass jemand 12 Tage Angriffsphase durchzieht, empfohlen sind 5 Tage. Aber nur so habe ich folgende Erkenntnis gewonnen, dass die ersten vier Tage der Körper in keiner Weise daran denkt, sich von irgendwelchen Depots zu ernähren. Da wird entwässert, jeglicher Schrott rausgeschwemmt und der leere Magen gewogen. Aber noch nichts dauerhaft abgenommen. Dann kommt einem der Organismus auf die Schliche und beginnt zu rebellieren. Einlagern was geht, nur nichts von den Reserven nehmen.
Ich fühlte mich, als würde die Bauchdecke vor Hunger gegen das Rückgrat klatschen und die Wiegeskala wanderte gemütlich hoch. Der reinste Psychoterror. Dann, am Tag 11 war der Damm gebrochen. Der Geist siegte über die Materie, der Körper kapitulierte. Von Freitag bis Sonntag fielen 2,1 Kilogramm der Verbrennung zum Opfer. Trotz eines unverschiebbaren üppigen Essens am Freitag Abend.
Nun widerstand ich dem Drang noch mehr zu hungern. In der Hoffnung, den Verbrennungsofen bei Laune zu halten, warf ich ordentlich Dukan-Konforme Nahrungsmittel ein, die Waage wird zeigen, ob die Theorie aufgeht.

Samstags ist Klassenzusammenkunft. Habe nichts aus meinem Leben gemacht, keine Frau, kein Kind, kein Haus, einen beschämenden Job; wenigstens möchte ich den Pummel von damals in die Verbannung senden und sportlich dynamisch in die Runde tanzen.sekundarschule

Über RAB

Ein Schreiberling mit nüchternem Blick auf das Leben, beim Versuch, selbiges aus satirischer Sicht etwas angenehmer zu bewältigen.
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