Mit einem Klick die Welt retten

Wie startet ihr in die Woche?
Die Zeit am stillen Örtchen könnte gewiss kürzer gehalten werden, wäre da nicht dieses Smartphone.
Wie verbrachte man früher seine Zeit auf dem Keramik-Thron? Ich könnte nun die Damen fragen, diese Smartphone-Spielerei deucht mich ein reines Männerding zu sein. Denke ich. Zumindest reden Männer ganz offen darüber. Wobei ich an sich nicht wissen will, wie Frau sich die Zeit vertreibt, nach meinem dafürhalten besitzen Damen keinen Verdauungstrakt. Wenn man alleine lebt, kann man sich solchen Illusionen hingeben.

Der Übergang von Sonntag auf Montag ist auf sozialen Netzwerken stets sehr lebhaft. Jeder ergänzt seine Freundesliste um die Bekanntschaft des Kollegen Schulgspänli, welche mal eben am Bartisch vorbei torkelte und Hallo sagte.
Nur so kommt man auf 756 Freunde. Oder man versucht verzweifelt eine Verbindung zwischen einer verschwommenen Erinnerung und dem drei Jahre alten Profilbild der Magdeschiza Bacitucic oder so herzustellen, unsicher, ob man dieser nun drei Pina Colada’s ausgegeben hat, oder es doch eher die Mogschediza Szuki war.
Jedenfalls rekrutiert man so erfolgreich neue Pinnwand-Spammer, dass sich Scientologen oder Zeugen Jehovas vor Scham nicht mehr getrauen den Klingelknopf zu drücken.

Jene, welche nicht unterwegs waren, hatten furchtbar viel Zeit irgendwelche Spiele zu spielen. Virtuelle Schafe zu verschicken, verzwickte Mordfälle zu lösen oder ein Einhorn mit einem Zentauren zu paaren. Das Ergebnis ihrer Mühen präsentiert sich auf deiner Pinnwand und der Anforderung in der virtuellen Heustock-City eine Bar zu eröffnen.
Der Vorteil an der Privatsphäre-Einstellung, mit ein wenig Fleiss hat man binnen einer Woche alle Spiele verbannt und blockiert. Wenn man sich ranhält und die Arbeit vernachlässigt.

Leider gibt es dies Funktion nicht für sogenannte Freunde.
Natürlich, man kann sich in erster Linie fragen, warum man „sogenannte Freunde“ überhaupt in seiner Liste hat. Weil es manchmal einfacher ist, gewisse Anfragen einfach anzunehmen, als zu erklären, warum man sie eigentlich nicht am eigenen Leben teilnehmen lassen will. Darauf muss man diese „Freunde“ irgendwelchen Listen hinzufügen, dass sie von meinem virtuellen Treiben bestmöglich ausgeschlossen sind. Dies wären dann jene, welche diesen Blog nicht lesen könne. Furchtbar aufwendig. Vielleicht sollte ich mir trotzdem Eier zulegen.

Und dann eben diese Menschen, welche man an sich mag, wären sie nicht auf einer Mission die Welt von allem Elend zu erlösen. Also die Tierwelt. Genauer gesagt, die Tierwelt irgendwelcher Länder, welche nur noch die EU-Mitgliedschaft vom abdriften in den Status „Entwicklungsland“ abhält.
Den Ausdruck „Sozialstaat“ kennen sie nur aus Schweizer Migrations-Broschüren oder Merkels Willkommens-Flyern. Und wenn es den Menschen schlecht geht haben es offensichtlich die Tiere auch nicht so toll. Also nicht die Eichhörnchen oder Feldhasen, sondern die Hunde.
Wenn man es genau nimmt, ist dies doch eine Form von Rassismus; Um ungarische Wellensittiche und spanische Eidechsen kümmert sich kein Schwein, aber die Hunde sollen wir schützen. Ein Like ist das Minimum.
Es ist erstaunlich, was man mit einem Like alles bewirken kann. Wenn ich den sehr emotionalen Texten mit traurigen, struppigen Hunden glauben darf. Kleine Hunde, kranke Tiere und halbnackte Menschen generieren die meisten Likes, habe ich irgendwo mal aufgeschnappt.
Like ich also nun diesen Artikel und bin einer von hunderttausend, wird dem ungarischen Premier ein Licht aufgehen und er eilt, eine Hundepension zu eröffnen. Gleich nach seinem Anruf bei Juan Carlos, welchen er über Satellit bei der Nashorn-Jagd erwischt. Denn Juan Carlos wird dem spanischen König, seinem Sohn Felipe, nahelegen die Stierkämpfe zu beenden. Nein, befehlen wird er es. Alles nur, weil ich die Petition gelikt habe. Welche ich nicht ganz verstanden habe, weil mein spanisch grottenschlecht ist. Aber man hat ja Freunde, welche einem empfehlen zu liken.
Also natürlich, ich muss nicht, wenn ich mit dem schlechten Gewissen leben kann. Aber ich esse ja auch Fleisch, also würde ich mir ja allgemein nicht soviel Gedanken über Tiere machen, schwingt im Subtext mit.
Schliesslich hätte ich ja auch noch keinen Schimpansen adoptiert. Natürlich nur virtuell und mit Kreditkarte, es wird mir kein Schimpanse zugesandt. Es ist nicht einmal bewiesen, dass meine Cheetah überhaupt existiert. Oder die Klon-Industrie ist weiter gediehen, als ich angenommen hatte, denn dreihundert Paten haben ein und dasselbe Dankesfoto mit ihrem ganz persönlichen Adoptiv-Schimpansen erhalten. Aber diese sehen ja irgendwie alle gleich aus. Ist dies nun auch rassistisch?

Spielt aber auch keine Rolle mehr, weil mir das soziale Netzwerk mitteilt, dass ich sowieso der schlechteste Mensch auf Erden bin. Dreiviertel tot dazu.
Nicht nur, dass ich keinen Strassenhund gerettet habe, auch habe ich den Tag nicht genutzt, weil ich nicht laufen war. Sagt runtastic. Ich muss jede Minute damit rechnen, dem Skorbut zu erliegen, weil ich zum Frühstück keine Orange gepresst haben. Ganz zu schweigen davon, dass ich mein Augenlicht verliere, da auch kein Spinat Eingang in meinen Smoothie fand. Wie auch, ohne den tollen Smoothiemaker von Galaxus. Und ohne Spinat.
Vielmehr schrumpelt meine Männlichkeit und die Leber versagt, weil ich drei Dosen Bier und eine Flasche Wein getrunken habe. Weil dies ohne speziellen Maker funktioniert.
Auch versäumte ich es, inne zu halten und in mich zu hören um das ganz spezielle Glück zu finden. Da mir dieser eine spezielle, aber nicht perfekte, Mensch an meiner Seite fehlt, ohne den das Leben sowieso sinnlos ist, sollte ich an sich einen Strick nehmen. Gerade weil ich keinen Hund habe, weil mich, Mutti und Vati eingeschlossen, nie jemand so lieben wird, wie es ein Hund kann. Also da sind die Menschen mit Tierhaar-Allergien mal so richtig am Arsch. Ungeliebt auf Lebenszeit.
Nicht mehr lange; Die globale Erwärmung kriegt uns. Übermorgen. Weil wir Auto fahren. Oder vielleicht auch erst nach dem absolut geilen Super-Sommer mit der Tropenhitze. Welchen wir haben, weil wir Auto fahren. Ja, man darf hin und her gerissen sein.

Nun sollte ich noch einen Like setzen, weil die Schweizer Fussball-Nati trotz Ausscheiden Sieger der Herzen sind. Mache ich nicht, denn unterm Strich habt ihr einfach einen Penalty vergeigt. Nein, könnte ich nicht besser, aber ist ja auch nicht mein Job.
Wenn euch der Dachstock auf die Birne knallt, ist der Hubert nicht Sieger der Herzen, weil er geschwitzt hat wie ein Schwein (ja ich weiss, Schweine schwitzen nicht), er hat einfach schlampig gearbeitet.

Das Tolle an diesem sozialen Netzwerk; Mit einem Klick oben rechts ist der Bildschirm wieder leer. Und man stellt fest, dass das Leben mit dieser Plattform gar nicht so viel gemein hat.

Über RAB

Ein Schreiberling mit nüchternem Blick auf das Leben, beim Versuch, selbiges aus satirischer Sicht etwas angenehmer zu bewältigen.
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