Neulich, auf dem Zelgli

Eine gute Alternative zum Sport ist das Wandern. Ja klar, ist auch ein Sport. Aber, nein… streichen sie das Aber; Es ist mehr als Sport.
Es sei denn, für den geschätzten Leser besteht kein Unterschied darin, ob er auf einem Band zwischen zwei Haltegriffen trabt, oder auf einem Naturweg geht. Wer es geniesst, dass jeder Atemzug zu einem Drittel aus dem Lungenausstoss, sprich Abfallprodukt der Mitsportler besteht, die schweissgeschwängerte, in der Halle wabernde salzige Tropenatmosphäre nicht missen möchte, sich gerne die Lunge aus dem Leib läuft und trotzdem stets die verschwitzte Kimme des Radfahrers auf dem Trainingsgerät vor einem im Blick hat, der ist im Fitnesscenter gut aufghoben.

Die anderen müssen halt in die Natur.
Hundertfünfundzwanzig Kilometer habe ich schon in meine neuen Kampfstiefel gelaufen, ohne, dass wir uns wirklich nahe gekommen sind. Also emotional. Physisch geraten wir stets aneinander. Es herrschen ordentlich Reibereien zwischen uns, wobei ich stets den kürzeren ziehe. Meine Haut ist einfach dünner als dieses bulgarische Ziegenleder, aus welchen dieses militärische Schuhwerk von gelangweilten Guantanamo-Aufsehern geschustert wurde.
Abend für Abend pflege ich sie, wie es mir drillmässig beigebracht wurde, mit dem Erfolg, dass sie immer wieder an einer anderen Stelle drücken. Nun, viel Fläche bietet der Fuss nicht mehr, meine Beharrlichkeit wird siegen.

marschroutenHeute bewegten wir uns einmal mehr auf das Zelgli.
Der Randen ist als solches ganz nett, wenn auch jede Wegbiegung wie die andere aussieht. Der Fluch besteht darin, dass man nicht um diese Winkeläcker herum kommt. Wohin man von meiner Hütte auch will, stets trabt man über diese Winkeläcker und dies macht die Geschichte langsam öde.

Doch an diesem sonnigen Dienstag, zumindest oberhalb von 600 Metern, war ordentlich Zug in der Sache. Neunzig Minuten sollten schon reichen, dachte ich, als ich nach zehn Uhr in den Morgenfrost trabte. Da bist du so gegen 11 Uhr 30 auf dem Zelgli, kannst das Feuer aufschichten und wenn der Kollege aus der Richtung Stadt eintrifft, kann man gleich zum Bier übergehen.
Neunzig Minuten, ungefähr 5 Kilometer die Stunde, das macht bei ungefähr 9 Kilometer… Kommt nicht einmal ungefähr hin, kruzifix. Ich beschleunigte meine Schritte aus dem Dorf, die Schuhe begannen höhnisch zu grinsen. Klamme Füsse, von der Hitze etwas geweitet, die Fersen beinahe am Leder anliegend, mit diesen fünf Millimeter Bewegungsreibung, deren Hitzeentwicklung ein nasses, grünes Stück Eichenholz in lodernde Flammen versetzen würde. 252 Höhenmeter geht es erstmal hoch, nach 500 Metern entblätterte ich mich und wanderte dampfend im Shirt durch den Morgenfrost. Ich mag diese Temperaturen. Das Anstrengende dabei ist, einmal zu schwitzen begonnen, ist das frösteln nahezu unausweichlich. Doch mich sputen und dabei lässig cool bleiben; ich bin ja kein Ueli Steck, das geht nicht.
Nach 86 Minuten war ich auf dem Zelgli. Gut, es geht. Wenn es sein muss.

Der erste an der Feuerstelle, die Sonne schien, es kam wie es kommen muss. Der Parkplatz in unmittelbarer Nähe motivierte noch manchen dem Nebel zu entfliehen. Man tauschte beim Talisbänkli den feinen Stadtschuh gegen den nicht weniger feinen Wanderschuh, bindet das Accessoires-Hündchen an die Designer-Perlenschnur und nimmt tapfer die 50 Höhenmeter unter die Füsse. Versteht mich nicht falsch, wenn kleine Kinderfüsse mit dem viertel einer normalen Schrittlänge diesen Weg hoch tapsen ist dies in Ordnung, aber wir sprechen hier von ausgewachsenen Menschenkindern.
Mannsbilder mit durchschnittlich langen Beinen, welche einfach nur faul sind. Mit Migros- und Denner-Tüten erstürmen sie die Grillstelle.
Gerade erst habe ich Holz aus dem Wald gezerrt, fachgerecht zertreten und das Feuer damit gefüttert, als solch ein Michelin-Männchen mit einer Manor-Geschenktüte voller filigraner Anfeuerscheite ankam.
Holz in den Wald tragen. Auf solche Ideen kommt man wohl, wenn das Auto in Fernbedienreichweite steht. Ob sie auch eine Wurst grillieren dürfen; Was will man sagen. Ist nicht meine Feuerstelle, kann es schlecht verbieten, aber gutheissen tu ich es nicht. Immerhin hat es da noch eine Feuerstelle und die Erde ist nun schon einmal erwärmt. Wann grilliert man schon am 29. Dezember.
Gerade kein triftiges Gegenargument, den Grillrost ablecken würde auch nicht ziehen, also liess man es zu.

Ich entsinne mich, dass der Reiz des draussen grillieren nicht zuletzt darin bestand, dass man völlig legal mit einem offenen Messer durch den Wald rennen und sich einen Grillspiess schnitzen konnte.
Das war einmal.
Heute benutzt man einen maschinell gedrechselten Holzgriff mit Tragschlaufe, damit er nicht verloren geht. Darin steckt ein Ausziehstab, ähnlich der Teleskopantenne eines Transistorradios. Auf diesen wird die Wurst gespiest.
Nun ja, die Zeiten ändern sich.

Die Feuerstelle erfreute sich grosser Beliebtheit, ständig hatten neue Leute etwas auf den Grill zu legen. So ganz spontan, weil es eben gerade brennt. Deuchte mich eher, man hat eiskalt spekuliert, dass da schon ein Trottel ein Feuerchen entzündet hat. Dann und wann trug ein weiterer eine Papiertüte voller mitgebrachter Holzscheite herbei.
Es mache gar keinen Sinn im Wald zu schauen, klärte uns ein Herr in feinem Zwirn mit blitzeblanken, steigeisentauglichen Hochgebirgsschuhen auf. Da hätte es sowieso kein Holz.
Was waren wir dankbar um diesen Bear Grylls des Unterland. Fuhr er in seinem Mercedes SUV eine Ladung Holz aus dem Jumbo hoch. Wir wären glatt verhungert.

Nun denn, etwas entsetzt über meine Fähigkeit, mich an das Klima anzupassen, muss ich sagen; Zwei Tage vor Jahreswechsel im T-Shirt draussen grillieren… es soll klimatechnisch nicht Standard werden, aber war ein netter Nachmittag.

Über RAB

Ein Schreiberling mit nüchternem Blick auf das Leben, beim Versuch, selbiges aus satirischer Sicht etwas angenehmer zu bewältigen.
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