Neulich im Pub

So ich Abends um halb 11 auf den Bus warte, kann dies eigentlich nur bedeuten, dass ich ein paar Tropfen Alkohol im Blut mit mir führe.
Bisher äusserte ich mich eher missmutig über die 0,5 Promille-Grenze, will ihr doch zugute halten, dass sie mich – und gewiss auch Andere – zu einem vernünftigen Fahrzeuglenken ermahnt.
Da der Pub meines Vertrauens nicht direkt – dem Herren sei gedankt – an meine Arbeitsstätte grenzt, setzte der Besuch desselbigen schon eine erste Busfahrt voraus, welche mir auch den ersten Kontakt mit einem der menschenfeindlichen Billettautomaten, let-op berichtete, bescherte.
Eine Busfahrt voller Klischees.

Das Lösen des gottlos überteuerten Fahrscheins war schon ein Erlebnis für sich. Während mein Kollege lässig zwei Münzen einwarf, Schein und Wechselgeld zog, kam ich nicht umhin, meinen zum Bersten gefüllten Klingelbeutel seiner Rappen-Stücke zu entledigen. Zehn Rappen, zwanzig Rappen, bisweilen gar fünfzig Rappen. Jede dritte Münze behielt der verflixte Bastard einer mutterlosen Blechpresse gar in sich. Dabei schwankend wie die Fischer der Beringsee, hin und hergeworfen zwischen Haltestange und Broschürenständer suchte ich den Münzschlitz weiterhin zu begatten. Mangelnde Übung machte sich unweigerlich bemerkbar und bis man 2 Franken 80 Rappen – für 1,5 km Fahrt – versenkt hat, legt man gut die Hälfte der Strecke zurück.
Die andere Hälfte studierte ich den Herren auf der vordersten Bank zur Rechten, welchen man in jedem Bus findet. Es ist dieser vom “Nicht mit dem Chauffeur sprechen”-Schild gänzlich unbeeindruckte Fahrgast, welcher den Buslenker aus einem früheren Leben oder dem Dorfverein kennt und nicht umhin kommt, dem ganzen Bus zu demonstrieren, dass er sich dadurch in den erlauchten VIP-Status erhoben fühlt. Mit der Po-Ritze auf der Kante sitzend, sich am Schlagbaum der Durchgangspassage festkrallend labert er den Fahrer zu, welcher keine Chance auf Flucht hat. Jeder neu eintretende Fahrgast wird widerwillig durchgelassen, um sich gleich danach wieder mit einem Fuss in den Gang zu stellen und seine tiefgründige Diskussion über Huberts trächtige Sau weiterzutreiben.

Jede lustige Fahrt nimmt einmal ein Ende und wir standen vor einem Pub ohne Bier. Also Bier hatte er wohl schon, nur gedachte die Barmaid dies erst um 18 Uhr feilzubieten, von der Öffnung der Tür ganz zu schweigen.
Zu unserem Glück standen Stuhl und Tisch vor der Lokalität, also überbrückten wir die Zeit mit warmem Corona aus der nahen Coopfiliale.
Kein wirklicher Ersatz, so schafften wir auch nur sieben Flaschen, bis die erste Pint gezapft wurde. Wie eh und je eine gesellige, lustige und unterhaltsame Runde und wie eh und je schaffte es die gnädige Mrs. Shanahan mir dieses eine Guinness, welches man hernach bereut, auch noch aufzuschwatzen.
Nach etwas über fünf Stunden trabte ich mit meinem Salewa-Kulturbeutel sowie einer Coop-Tragetasche voller Corona zur Bushaltestelle; Meine App flüsterte mir, dass in zwei Minuten ein Bus anlegen würde, was mich etwas zur Eile trieb. Der ausgehängte Fahrplan schien mich zu verhöhnen und offenbarte, dass zeitlich noch ein weiteres Pint genehmigt hätte werden können. Mit dem Einnehmen einer sitzenden Position auf der Holzbank, begann das Bushäuschen unangenehm zu rotieren und tanzen. Also packte ich meine Coop-Tasche und bewegte mich zur nächsten Haltestelle. Nochmals 15 Minuten zu früh und nach einer kurzen Verschnaufpause schleppte ich mich zur nächsten Haltestelle. Im Schutze der Rückwand erleichterte ich mich – der Herr sei gesegnet, dass ich ein männliches Wesen bin – und tigerte danach um die Haltestelle, da die sitzende Position noch immer üble Schwindelgefühle hervorrief.

Der Chauffeur unterbrach meine Angabe der gewünschten Haltestelle mit einer lässigen Handbewegung, er wäre eh schon zu spät und halte nun einfach an jeder Haltestelle. Also steckte ich meinen Busbatzen wieder in die Tasche, klammerte mich an die Stange im Eingangsbereich, was mir die Rüge einer alten, verschwommenen und schwankenden Dame einbrachte, bei einer Bremsung würde ich an der Windschutzscheibe kleben. Dies wäre sehr freundlich, sie sei herzlichst bedankt, aber mich deuchte, dies wäre dann wohl mein eigen Übel, nicht wahr? Vielleicht war es der Alkohol, ich möchte ihr kein abfälliges Kopfschütteln unterstellen.
Der Fahrer war währenddessen in ein Gespräch mit einem weiteren weiblichen Fahrgast der Wandergruppe Turnverein Hübelibuck vertieft und da das Gefährt bis zum Müllbehälter mit Menschen vollgepfercht war, liess er mich in meinem verkehrswidrigen Tun gewähren.
Es hätte mich irritieren sollen, dass er sich stets in Schriftdeutsch äusserte, aber dies muss in unserem Land ja nichts bedeuten.
Als er sein Fahrzeug vor meinem Ziel jedoch in das abgelegene Nachbardorf lenkte, wurde mir gewahr, da sass ich in der falschen Kutsche.
Auf weiter Flur, Meister Reineke und Meister Lampe wünschten sich gerade wohl zu ruhen, wurde ich auf die Strasse entlassen. Stand da mit meiner papierenen Tüte voller Corona und starrte in den Mond. Und es begann zu regnen.
Nicht wirklich, aber Hemingway hätte es so zu Papier gelogen.
Erst einmal lag mir daran mein Leid zu klagen, was ich via Smartphone in Richtung des auf dem Hügel gelegenen Wohnortes auch zugleich erledigte. Prompt bot mir Bella – die Beste von allen – einen Fahrdienst an, aber der Mond schien schön, ich hatte eine Tüte Bier und bin auch schon ein grosser Junge. Noch etwas nachtblind vom Display meines Smartphones stolperte ich los und fiel alsbald in einen Landstrassen füllenden, gemächlichen Trott.
Nahezu in Windeseile, geleitet von Wolfsgeheul und läufigen Wildschweinen, erklomm ich den Hügel und stiess, schon zu dreissig Prozent ausgenüchtert, meinen Hausschlüssel zielsicher in das mittlere der drei tanzenden Schlösser.

Der ganze Abend war nicht nur sehr witzig, er wirkte sich zudem positiv auf meine sportlichen Aktivitäten aus, ignoriere ich doch die öffentlichen Verkehrsmittel und fahre seither mit dem Rad zu Arbeit. Genau gesagt, bisher einmal, doch dies erzähle ich Euch das nächste Mal.

Über RAB

Ein Schreiberling mit nüchternem Blick auf das Leben, beim Versuch, selbiges aus satirischer Sicht etwas angenehmer zu bewältigen.
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