Neulich im Sandkasten; Schawinski und Thiel

Wer bist du?
Ich bin der Andreas, wer bist du?
Ich bin der Roger. Hast du jetzt alles gesagt, oder kommt noch was?

Dann und wann bin ich auch ein wenig populistisch, ich füge mich in den aktuellen Medienhype ein.

So breche ich heute keine Lanze für Schawinski, fühle mich im Gegenzug auch nicht bemüssigt, Andreas Thiel über den grünen Klee zu loben.
Wer sich zu Schawinksi in die Talkrunde begibt, weiss worauf er sich einlässt. Durch Fragen, von Angriff bis Suggestiv, wird der mittels zusammenhangslosen Gesprächsfragmente bereits in eine Schablone gepresste Gesprächspartner genötigt, sich in stark begrenzter Redezeit aus dieser Schublade zu befreien.
Der Rest wird durch nahezu rhetorische Fragen seitens des Gesprächsleiters bestritten und der Gast vekümmert zum Sparingpartner. Eine gebührenfinanzierte Plattform, welche Schawinskis Narzissmus gerecht wird. Schawinskis Art der Talkshow ist so alt wie seine televisionären 24-Kinder und er polarisiert, seit er gelackt und gebräunt in die Kamera bleacht. Je nach Besetzung des zweiten Stuhls sympathisiert man mit dem Radiopirat oder man hackt auf seinem Gesprächsprinzip herum, ungeachtet der Tatsache, dass er gerade dank diesem eine treue Zuschauerschaft hat.

Ob Schawinski nun gläubiger Jude ist oder nicht, so startet die Sendung. Man kann über Religionen noch trefflicher streiten, als über Geschmäcker. Wenn man auf sinnlose Streitgespräche ohne konstruktiven Ausgang steht, deren einziges Ziel es ist, dem Gegenüber ein ‚Ja, du hast Recht‘ zu entlocken, was man nie hören wird, und die Diskussion bestenfalls in einem ‚Na gut, wenn du meinst‘ ihr resigniertes Ende findet.

Sie kamen diesbezüglich zu keinem Schluss, doch die Richtung war klar. Fragen münden in Gegenfragen; Trefflicher kann man sich nicht disqualifizieren.
Statt mit der Antwort dem Gespräch selbstbewusst eine Richtung zu geben, Stellung zu beziehen, lotet man mittels einer Gegenfrage die Stossrichtung des Gegenübers aus und nimmt sich die Freiheit, auch dank einer gewonnenen Besinnungspause, darauf zu reagieren.
Um den hübschen Widerspruch zu vollenden; Der Herr Thiel neigte dazu, mit Gegenfragen zu reagieren – treffend zu kontorn, werden nun seine Sympathisanten ergänzen – mokierte sich im Nachhinein darüber, dass der Herr Schawinski mehr Redezeit zur Verfügung hatte. Meines Erachtens könnte man sich mit einer guten Antwort auf eine knappe Frage ordentlich Zeit ergattern, was man sich jedoch selber verbaut, wenn man mit Gegenfragen ins Gefecht geht. Zwei Minuten Differenz waren es übrigens.
Doch die Anschuldigungen spiegeln das tiefe Niveau des Gesprächs wieder, welches kaum über die Kante eines mittelgrosses Sandkasten reichte.

Du hast viel mehr gesprochen als ich.
Stimmt doch gar nicht.
Du hast keine Ahnung vom Koran.
Habe ich doch.
Nein, hast du nicht!

Warum trägt man einen Irokesenschnitt?
Nun, ich hoffe einmal, weil er einem gefällt. Darüber hinaus, wohl kaum, weil man ein direkter Nachfahre von Chingachcook ist, oder diese kunstvolle Frisur des Morgens so unglaublich pflegeleicht ist.
Es genügt einem nicht, eine Gesinnung in sich zu tragen, man möchte sie nach aussen präsentieren; Die Meute soll die rebellische Ader sehen. Was bringt es wenn man Rebell ist und keiner kriegt es mit.
Ist ja auch in Ordnung. Frauen tragen Push-Up, Männer krempeln die Ärmel ihres Kurzarm-Shirts noch einmal um, weil ein halb bedeckter Bizeps noch ein Tick voluminöser wirkt; Ist ja auch in Ordnung.
Also, Thiel kokettiert mit seiner Bürste wie ein Teenie mit den hochgedrückten Brüsten, mit der entsprechend gespielten Entrüstung wenn man in das Decollte guckt – nicht, dass ich Teenies ins Decollte gucken würde, ich trachtete die gewählte Metapher dem Gesprächsniveau anzupassen.
Die Reaktion ist dieselbe; Man möchte sich bewusst absetzen, Aufmerksamkeit erregen, doch wehe jemand schluckt den Köder und reagiert der Provokation gemäss.

Ey, guck dich mal an eh.

So die Reaktion Thiels, auf die Frage, ob der der bunte Kamm der Provokation dient, vermag er nur zu argumentieren, dass ihn die langweilige Frisur Schawinskis provoziert. Was so nicht ganz korrekt ist, den Provozieren kann nur der Akteur selber, was bedeuten würde; Schawinksi trägt seine langweilige Frisur bewusst, um Leute mit Irokesenkamm vor den Ofen zu locken.
Ihr erkennt, das Gespräch wird schon in der dritten Minute an die Wand gefahren. Mit Nachdruck.

Die Frage, wie exhebitionistisch man sein muss, um als spärlich bekleidetes Huhn in einem Werbespot zu gackern, wird beantwortet, man dürfe in erster Linie keine staatlichen Subventionen in Empfang nehmen.

Ich finde deine Schaufel mega kitschig.
Dein Papa arbeitet bei der Müllabfuhr.

Mir ist bewusst, die ausgewählten Sekunden eines wiederholten dünnen Witzes werden kaum den Höhepunkt von Thiels Kabarett-Programm repräsentieren, die Quintessenz bleibt, dass er selbiges in subventionierten Theatern und gar dem Staatsfernsehen zum Besten gibt, was seinen Angriff wiederum mit der Wucht eines Fasnacht-Knallkörpers detonieren lässt. Mehrmals kommentiert er daraufhin mit einem, sinngemäss,; ‚Furchtbar, schlimm, oder?‘.

Ein trotzige Reaktion, welche dem Sympathisanten jedoch vermitteln will; ‚Was soll ich mit diesem Trottel diskutieren. Versteht mich sowieso nicht‘.

Schawinski griff den Ball auf und führte das Gespräch weiter, lenkte auf ein anderes Thema. Ist sein Job, man kann sich nicht in stillschweigender Übereinkunft gegenüber sitzen. Was soll der Gebührenzahler denken?

Das Gespräch führt weiter über einen Artikel der Weltwoche aus Thiels Feder, welcher an sich der Aufhänger des gesamten Gesprächs hätte werden sollen. Ich habe ihn nicht gelesen, gestehe ich ein.
Schawinski hat ihn gelesen. Offenbar jedoch den Koran nicht. Zumindest nicht vollständig. Was ihn wiederum zu, gemäss Thiel, einem unqualifizierten Gesprächspartner mache und es einer grossen Dreistigkeit bedarf, den grossen Thiel zu diesem Artikel zu befragen. Nun, da müsste ich wohl jede Zeitung beiseite legen, weil mich mangelndes Wissen zu den Hintergründen zu einem unqualifizierten Leser degradiert. Wiederum wäre die Aufgabe des Journalisten, welcher diese Recherche für den unbedarften Leser übernimmt, in Frage gestellt.

Meines Erachtens startete Schawinski nicht falsch, wenn er sich erkundigte, mit welcher Begründung sich Thiel das Recht herausnähme das Christentum wäre, ist stets gewesen und wird immer die bessere Religion als der Islam sein. Um diese Frage zu formulieren muss man den Koran nicht kennen, im Gegenteil, gerade wer dieses Buch nicht kennt, sollte diese Frage stellen.
Was machen die beiden Streithähne? Sie beginnen zu diskutieren, wer über den besseren Bildungsgrad verfüge, wer qualifiziert sei, einen solchen Artikel zu schreiben und wer berechtigt wäre, ihn zu hinterfragen. Man möchte schreien, lasst diese Peinlichkeiten!

Schawinski geht über, Thiel als Rassisten zu beschimpfen.

Muslime sind, böse gesagt, irgendwo im Übergang zwischen Neandertaler und Homo sapiens stecken geblieben.

Thiel hat diesen Satz vergessen, kann ja passieren, Schawinksi bringt ihn kurz aus dem Takt und beginnt nun, froh über einen Angriffspunkt, mit Nachdruck in diese Kerbe zu hauen. Thiel dreht den Spiess um, ohne sich auf eine Aussage von Schawinksi stützen zu können und startet der Einfachheit halber mit einer Pauschalbehauptung.

Wenn man alle deine Aussagen nehmen würde, könnte man eine ganz lange Sendung machen.schwanzvergleich

Ich war in Burma, Nepal, haumich-tot, habe das Totenbuch gelesen, das Alte Testament, das Neue Testament… In diesem Stile fahren die Gockel weiter, auf gut deutsch, ein Längenvergleich der primären Geschlechtsteile, wer das Gegenüber in Sachen Bildung schlägt. Als Zuschauer schämt man sich hüben wie drüben ein wenig fremd ob dem infantilen Gebaren. Fakt ist, beide scheinen die Weisheit mit dem ganz grossen Löffel eingeflösst erhalten und versuchen mich nun mit Zuckersäckli-Phrasen und Paulo Coelho-Philosophien zu beeindrucken.
Zitieren ist eine feine Sache, doch im Hintergrund bimmelt stets eine Klugscheisser-Glocke und das tollste Gedicht ist zunichte, sobald sie einer laut erklingen lässt.

Die letzten zehn Minuten könnte man sich getrost schenken.
Keiner der Protagonisten hat sich mit diesem Auftritt einen Gefallen getan. Im Allgemeinen Tenor scheint jedoch einer dem Schawinksi die Stirn geboten zu haben, het em Knöpf inetue.
Die Stirn geboten hat er. Zweifelsohne. An der Meisterleistung an sich möchte ich jedoch zweifeln. Über 30 Minuten einen völlig unkonstruktiven Gesprächspartner abzugeben, sich dabei als Rebell zu profilieren; Diese Leistung könnte jeder erbringen.

Über RAB

Ein Schreiberling mit nüchternem Blick auf das Leben, beim Versuch, selbiges aus satirischer Sicht etwas angenehmer zu bewältigen.
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