Neulich, in der Shopping-Arena

Haben sie das Gemüse abgewogen?; erkundigte sich die mollige, deutschstämmige Sieglinde mit den adretten Krauslocken bei der solariumgegerbten BMW SUV-Lenkerin. Erkannte ich, als ich hinter ihr die Verkaufslokalität verliess.
Ja, eigentlich schon…
Wo ist der Zettel mit dem Strichcode?
Sieglinde hätte das Solariumleder auch nach einem Beweis für die notwendige Existenz von Singularitäten in der allgemeinen Relativitätstheorie fragen können, viel dämlicher hätten die Kuhaugen nicht unter der MaxFactor Mascara – und es gibt doch Fliegenbeine und keinen falschen Wimperneffekt – hervorgucken können.
Ich habe doch gewogen…jackie-chan-memeOb das Ächzen nun von Siglindes Sitzgelegenheit oder der Protagonistin selber erklang war schwer zu beurteilen, es ging im Stöhnen der fünfundzwanzig Einkaufswilligen unter, welche sich an den Schokoriegel vorbei bis zur Fischtheke nahezu stapelten.
Auch das Hihi aus den Gummiboot-Lippen der Solariummatte vermochte den Pöbel nicht zu beruhigen, ich glaubte zu sehen, wie sie sich des Quengelware-Arsenal bedienten, Twix scharf anspitzten und Erdnüsse auf Kondomschleudern spannten…

Nun, auch ich bin kein einfacher Kunde.
So suchte ich neulich das Shopping-Center meines Vertrauens auf.espritIm Zuge meines Gewichtsverlustes kleiden mich Hemden ähnlich wie Bruder Tuck, nur dass eben der Bauch fehlt. Das perfekte Hemd ist schwer zu finden, für mich gar unmöglich; Sitzt es am Bauch kneift es am Arm, passt der Kragen laufe ich Gefahr mit brustseitigen Schliessknöpfen um mich zu schiessen. Es ist der reine Wettkampf, ob die Verkäuferin zuerst die Segel streicht, oder es mir vorher zu peinlich wird. Wohl sitzen in einem Keller viele kleine Kinder um Kunden mit Platinum-Status die Kleider kostenlos auf den Leib zu schneidern, aber dann müsste ich die Oberbekleidung dem Personal überlassen, die Tage wieder vorbei gehen und abholen… In der Migros gibt es Shirts im Dreierpack, nehme ich fünf kriege ich die Strümpfe gratis dazu; Des Aufwand zuviel betrieben.

Ob ich alles gefunden hätte?; Als sie meine Auswahl von Plastikkarten auf dem Tresen durch den Scanner zieht. Gürtel, die wären einfach einen Tick zu lang…
Ich könne mich in der Damen-Abteilung bedienen.
Bitte?
Es wären dieselben.
Ach…
Nur der Schriftzug wäre obenrum, während er bei den Männern seitwärts platziert wäre.
Und das ist dasselbe?
Dies sieht ja niemand.
Nun, sie haben es bemerkt und würden nun noch drei Damen an der Theke stehen, wäre der Raum wohl von seichtem Kichern erfüllt.
Ob ich denn ledig sei… Man beachte, nicht Single sondern ledig; Mein fortgeschrittenes Alter setzt wohl nicht mehr eine Partnerschaft als Option, sondern bereits ein veränderter Zivilstand.
In der Tat.
Ja dann könne ich dies nicht tragen.
Nun, ich hoffe auch in einer Beziehung nicht zum tragen von Damenkleider zu neigen, aber ich wäre froh, dass wir dies geklärt haben.

Da sich das Hemden Dilemma in der Wahl der Jeans bei Esprit erfahrungsgemäss fortsetzt, irrte ich durch einen Laden, welcher wohl Fischknochen in Hosenform feil bot, von meiner favorisierten Marke jedoch noch nie gehört hatte.pepe-jeansNun, vielleicht habe ich auch die Reinigungskraft gefragt, ich wollte mich nicht versteifen und verschob in die nördliche Ecke des Centers. Der Vorteil wenn man frühen Vogel spielt, man kann beinahe bis an die Starbucks-Theke vorfahren, der Nachteil; Alle Verkäufer sind topmotiviert und widmen einem zugleich die ungeteilte Aufmerksamkeit, da man als einzige nicht auf der Lohnliste stehende Person zwischen den Kleiderständern irrt.

Suchen Sie Männer?; fragte man mich im nächsten Laden.
Ja… Also nein… Aber…; ich guckte wohl auch zu verwirrt herum, die Übergänge von Männerklamotten zu Frauenkleidern sind aber auch fliessend, bisweilen wird der Unterschied – haben wir eben gelernt – nur durch die Platzierung eines Markenlogos ersichtlich. Was natürlich keine Garantie ist, dass ihn nicht auch jede Person auf den ersten flüchtigen Blick bemerkt.
Dort drüben; Wies sie mich über den Flur.

Mittlerweile hatte ich den Eindruck, die Damen sprachen sich ab und warteten nur auf den komischen Kauz der da in den frühen Morgenstunden durch das Center irrte. Mit Propellermütze und überdimensioniertem Lutscher.

Nein, ich will nur mal gucken.
Wollte ich auch. Used mag im Trend sein, aber für eine Jeans, welche wirkt als hätte ich damit einen Trecker über einen nassen Feldweg geschleppt, mag ich kein Geld ausgeben. Dahingehend bin ich etwas altmodisch. Oder wie ein Kollege zu sagen pflegte; Er verlässt doch den Laden nicht um zweihundert Bucks ärmer mit versiffteren Hosen als er ihn betreten hatte.
Die Hosen mit den kürzesten Beinlängen in das oberste Regal zu packen ist doch nur gemein. Und damit meine ich wirklich im obersten. Ich hätte springen und den ganzen Stapel mit dem Schwung meiner Masse herunterreissen können, aber dies ziemte sich doch nicht. Mit dem Mute der Verzweiflung entfloh ich mit einem Paar Beinkleider in die Mitarbeiterküche, von wo ich zu den Umkleidekabinen am anderen Ende des Raumes verwiesen wurde.
Zu meiner Verteidigung, ich musste über drei Rahmenpaletten hechten, es war nicht klar ersichtlich, dass hinter dieser Kampfbahn noch Kundenräumlichkeiten zu finden wären. Der Name war Programm, ich brachte diesen Jeansstoff erfolgreich über die Waden, bei den Oberschenkeln war Schluss. So hüpfte ich wieder hinter den Vorhang, welchen ich im Krampfe der Anstrengung mit den Zähnen umklammert hatte um verzweifelt das Gleichgewicht zu halten, ich meine, wer sitzt schon auf die ekligen Hocker um Hosen anzuziehen?
Eine Angestellte erbarmte sich und begann mich mit Beinkleidern einzudecken. Etwa fünf Minuten – „Alles in Ordnung?“ – verbrachte ich nur damit, mir Ausreden auszudenken, warum mir gerade diese Jeans nicht so zusage, nur um nicht erwähnen zu müssen, dass ich doch nicht so bekloppt sei, den Gegenwert eines Kleinwagens für ein sackartiges, ausgeblichenes und löchriges Beinkleid auf den Tresen zu legen.
Nun wir wurden fündig, was für eine glückliche Fügung, dass es auch die günstigste Jeans war.
Die Entäuschung flackerte über das quadratische Gesicht der Bedienung als ich eine einzige Hose wie die Kronjuwelen balancierend zur Theke trug, dennoch beauftragte sie im breitesten St. Galler-Dialekt drei Mitarbeiterinnen mit Schubkarren zur Umkleidekabine um die Ausschussware zu holen und einzusortieren.

Etwas weiter im Schritt, dafür etwas knapper im Gesäss, aber die passe sich im Gehen noch an.

Über RAB

Ein Schreiberling mit nüchternem Blick auf das Leben, beim Versuch, selbiges aus satirischer Sicht etwas angenehmer zu bewältigen.
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