Nur mal eben die Kehle befeuchten

Es ist 15 Uhr und ich habe Ja gesagt.

Nicht zum Guinness, wobei… Moment…

Also, ich habe ja gesagt zu einer Kopfschmerztablette.
Heute Morgen, zwei Sekunden nach dem Aufwachen, machte sich der kleine Mann in meinem Kopf mit einem Presslufthammer an die Arbeit. Dieser kleine Mistkerl kümmert sich nicht um Kleinigkeiten wie Wochenende oder Feiertage; So man ihm eine gewisse Menge Bier geschenkt hat, legt er los.
Nun, ich wollte den Tag nicht mit Pharmazeutika beginnen, also trank ich eine halbe Flasche San Pellegrino auf Ex, freute mich über das durchaus beeindruckende Aufstossen, kratzte mich am Allerwertesten – Forever alone, Level: Wochenende – und begann mit dem Koffeinschub dreier Kapseln Nespresso meine Blutgefässe zu weiten und die Organe anzuregen.

Wie konnte das eigentlich geschehen? Ich erinnere mich, dass ich gestern gegen achtzehn Uhr in den Betrieb zurückkehrte und wir uns gewahr wurden, dass wir schon länger keine Guinness mehr genossen hatten.

Hmm…  ich könnte mir etwas die Kehle feuchten.

Gedacht, getan.
Zwei Pints und das Abendmenü bestellt. Zwiebeln, Schinken, Zwiebeln, Käse und Zwiebeln zwischen zwei Weissbrotscheiben getoastet. Mit Zwiebeln.
Der Preis ist seit Jahren derselbe, ein stolzer wohlgemerkt, aber die Menge an erhaltenen Sandwiches scheint sich um die Hälfte reduziert zu haben, scheint mir.
Zur Kompensation greife ich in das kleine Körbchen, welches merkwürdigerweise stets neben mir platziert und zum Bersten gefüllt ist. Pro 1,3 Guinness konsumiere ich eine Tüte Chips, wobei wir hier von einer kleinen Hand voll Leckereien sprechen. Da ich regelmässig vergesse, die Tüten zu erwähnen ist dies nicht weiter tragisch und da sich die Dame beim Berechnen der Zeche mit derselben hübschen Regelmässigkeit verrechnet, ziehen wir uns wohl beide zu gleichen Teilen über den Tisch und sind beste Freunde.
Nach der ersten Pint, sie war einfach köstlich… Vollmundig im Geschmack, sanft die Kehle hinab, einen sehr dezenten Hauch von Bitterkeit im Aroma, der Schaum, fest in der Konsistenz – nicht dieses Spühlwassererzeugnis auf einheimischem Bier – welcher von der Lippe geleckt der perfekte Abschluss dieses tête-à-tête mit dem Paradies manifestiert.
Nach der ersten Pint betrat der Damenturnverein Hintertüpfeln den Pub.
Je nach Lokalität erwarte ich eine gewisse Klientel, so treffe ich im Güeterhof nicht denn Lolly-verteilenden Heinz Möckli, im Domino nicht meine Mutter und im Pub nicht den Damenturnverein Hintertüpfeln, denn aus diesem Grund besuche ich keine Hirschen, Sternen, Bahnhöfli und wie die Spelunken noch alle heissen.
Natürlich hat der Damenturnverein Hintertüpfeln jedes Recht der Welt, den Pub aufzusuchen und von selbigem machen sie auch Gebrauch.

Klassisch, wie man es erwartet, in wärmendem, bunten Flies und Elefantenhosen. Lasst mich die Beschaffenheit des Beinkleides etwas ausführen, ich bin kein sehr modebewusster Mensch und es ist durchaus denkbar, dass es gar ein Kleidungsstück namens Elefantenhose gibt, aber die von mir erwähnte Elefantenhose – eine Bezeichnung meines Bruders, möchte ich anfügen – sieht nun einmal aus, als wäre sie von Elefanten für Elefanten genäht worden.

Die Elefantenhose

Es handelt sich um eine Beinhülle aus Jeansstoff, den Begriff Jeans möchte ich nicht verwenden, da man hier zugleich ein gewisses Bild vor Augen hat.Besagte Elefantenhose zeichnet sich in erster Linie dadurch aus, dass sie am Gesäss über keine Taschen verfügt, was die ausladende – in jeglicher Hinsicht – Grösse desselbigen noch unterstreicht. Die Damen tragen sie gerne enger, dass uns auch die Panty-Line nicht verborgen bleibt – man will ja nicht hinstarren, aber ihr kennt das mit dem Autounfall – und ein flüchtiger Blick genügt um festzustellen, dass die Dame ordentlich hingreift, so die Migros attraktive Damenslips im vorteilhaften dreissiger-Budget-Pack feil bietet.
Frontseitig verfügt die Hose nicht direkt über Taschen, ich möchte eher von Beuteln sprechen, welche durch schrägliegende Eingriffe unterhalb des Hosenbundes zugänglich sind und welche mit dem Stauraum eines Mittelklasse-Mini-Vans durchaus mithalten können. Die Beinlänge endet übrigens auf der Höhe Knöchel und die moderne Dame schlägt den Saum gerne um, um die Illusion einer 7/8-Hose zu erzeugen.
Die Herrenversion, ja die gibt es auch, zeichnet sich durch einen klassischen Bundfaltenschnitt aus, dementsprechend findet sich auch auf dem Gesäss eine Tasche. Keine aufgenähte, wie man dies bei einer Jeans erwartet, sondern ein verstärkt vernähter Schlitz, welcher in ein weisses Beutelchen mündet, welches leicht aus besagter Öffnung quillt. Wohl könnte sie durch einen mittelseitig angenähten Knopf geschlossen werden, aber nach der neuesten Mode – since 1983 – wird die Tasche offengetragen, auch wenn sie nicht genutzt wird.
Für die privaten Habseligkeiten werden die frontseitigen Beutel, analog dem Damenmodell, genutzt, welche auch in der Herrenversion sich durch unglaubliches Volumen auszeichnen. Gerade etwas fülligere Herren schätzen die Hose sehr, da sie bis Grösse Partyzelt im gut sortierten Handel erhältlich ist und durch diese Passform ermöglicht sie es, den Bauch zu einem fünftel in selbiger zu verstecken. Dank des, optional erhältlichen, schmalen Ledergürtels, bietet sich einem die oft genutzte Möglichkeit, den Schliessknopf offen zu lassen und die Wahrung der Diskretion einer zierlichen Gürtelschnalle und dem erpropten Reissverschluss zu überlassen.
Praktischerweise sind die Beutelzugänge nicht unter dem Hosenbund, da steckt der Fünftel des Bauches, sondern leicht schräg in der seitlichen Beinnaht eingelassen. Die zugehörigen weissen Innentaschen reichen bis acht Zentimeter über der Kniescheibe und werden mit allen Habseligkeiten gefüllt, welche der moderne Herr so bei sich trägt. Portemonnaie, einen 24-teiligen Schlüsselbund, sieben USB-Sticks, ein Handy, ein Stofftaschentuch, ein Stück Schnur, etwas Kleingeld, einen Campingherd, die Hälfte eines Schokoriegels… Hier verliere ich mich in Mutmassungen; Tatsache ist, dass die Herren ihren Hausrat zwischen Bundfalte und äusserer Seitennaht in der Mitte des Oberschenkels mit sich führen, was ihnen eine sehr charakteristische Gangart verleiht.

Ich schlage vor, ihr achtet Euch im Alltag einmal darauf.

Wohlan, der Damenturnverein Hintertüpfeln betritt also den Pub, sie tragen wohl kein Vereinshemd, aber durch ihren verwirrten, suchenden Blick haben sie sich verraten.
Es gibt im Pub keine Tische.
Was hat dies denn damit zu tun, fragt ihr euch.
Wann immer der Damenturnverein Hintertüpfeln – Oberpfurzen und Unterpupseln übrigens auch – ein Lokal betritt, werden Tische zusammengeschoben. Unter lautem Hallo und mit viel Getöse, ohne Rücksicht auf Böden, andere Gäste und Inventar, beginnt das fröhliche Tischerücken nach Anleitung von Gitte, welche die Macherin im Verein ist. Ein Kerl von einer Frau, mit feschen Meches im kurzen Haar, Händen wie Kohlenschaufeln, Biberschwanzbrüsten in der Grösse 105 Doppel-D und eben Elefantenhosen. Im Grunde eine hilfsbereite Seele von Mensch, hätte sie nur nicht diese Polterstimme und das Flair für Tische rücken.
Nun, im Pub gibt es jede Menge Möglichkeiten seine Pint zu deponieren, nur ist eben alles den Wänden nach fix montiert und so der Herbert in seiner Elefantenhose keine rot-weisse Stihl-Kettensäge mit sich führt, ist da nicht viel zu machen.

Also belagern sie die Bar und da sie aufgrund des unverrückbaren Mobiliars keine Gspürsch-mi-Runde – jeder neben dem anderen und für die Kinder eine Literflasche Mineral mit dreizehn Gläsern – bilden konnten, kompensierten sie körperliche Distanz mit lautstarker Diskussion über die Zapfsäulen hinweg.
So laut, dass die geschätzte Dame hinter der Theke gar unsere Bestellung missverstand und wir plötzlich anstelle eines Guinness ein Killkenny genossen.

Gutes altes Killkenny, was ist es doch lecker. So Guinness der Hauptgang ist, darf man das erfrischende, leichte rote Bier durchaus als Kirsche auf dem Sahnehäubchen bezeichnen. Es stellte sich die Frage, noch eines zu geniessen, aber als die Käthe der Vrene über die Distanz von vier Metern von der Gummistiefel-Aktion in der Landi und dem Samenkauf des Peter’s berichtete, erkannte ich, dass ich noch Lust hätte unter Leute zu gehen.
Da ich in stahlbekappten Caterpillar und Mascothose mit Metertasche kaum am güterhöflichen Türsteher vorbeigeschlüpft wäre, nahmen wir uns eine Stunde Zeit zur Aufbesserung des Äusseren.

Also wechselten wir von Guinness, über Killkenny zu Corana, setzten ein kleines Nacho-Fundament und ich bezeuge, dass ich – vielleicht nicht zuletzt dank der erfrischenden Dusche in der Halbzeit – keine Spur von alkoholisiert sein verspürte. Natürlich nicht, sonst hätte ich den Wagen nicht mehr gelenkt.

Bis heute Morgen, als ich im Fitnesscenter plötzlich schwankend auf dem Laufband stand. Die Handläufe verhinderten, dass ich mit der Grazie eines Tanzbär zur Rechten wegkippte und ich schaffte es, meine Patschhand auf den NOT-AUS-Button zu schmettern und durch den aprupten Halt elegent über die Mittelkonsole zu fallen. Der Schlag in die Magengrube ermunterte mich, das Nacho-Fundament samt aufgegossenem Bier und Nespresso-Extrakt in die Kunstpflanze zu versprühen, aber ich schaffte es rechtzeitig den Mund zu schliessen.
Aber ich bin nicht aufgestanden um zu kneifen und ab Tempo dreizehn Kilometern pro Stunde schaffte ich es die Mittellinie zu halten, weil einem bei dreizehn Kilometern pro Stunde schlichtweg keine andere Wahl bleibt, als die Mittellinie zu halten.
Nach zehn Minuten bemerkte ich meine Ausdünstung. Ich roch nach zwiebligem Jugoslawe mit einer Idee Osterhasen-Aroma.
So beschloss ich die Laufaktivitäten einzustellen und zog mit meiner Duftwolke in Richtung Freihantelbereich. Nach wenigen Übungen und einem Liter Wasser quälte mich derarst der Nachbrand, dass ich beschloss, etwas vitalisierendes zu geniessen. Ein pinkiges Gatorade; Pink, da weitgehendst zuckerfrei. Die Dame versichterte mir wohl, es sei Grau – als Farbenblinder muss ich oft auf Drittpersonen vertrauen – aber ich würde für Pink oder meinetwegen Rosa die Hand ins Feuer legen.
Eine leckere Sache und nach weiteren zwanzig Minuten ergänzte ich meine Ausdünstung mit einem fruchtigen Akzent. Ihr kennt die von Grossmüttern so geschätzten, tausend Jahre und einen Tag haltbaren Bonbons. Fruchtig, klebrig und zuckersüss, in ein doppeltes Papier gelegt, welches an der Spitze verdrillt wird.
In etwa so.
Samstags bin ich nicht selten alleine im Kraftraum – Forever alone, Level: Fitness – daher war dies nicht sonderlich tragisch, aber ich entschied mich doch dazu, meine körperliche Ertüchtigung einzustellen.

Und dies war mein Start ins Wochenende. Nun, zwei Stunden später, sind auch die Kopfschmerzen weg.
Hossa.

 

Über RAB

Ein Schreiberling mit nüchternem Blick auf das Leben, beim Versuch, selbiges aus satirischer Sicht etwas angenehmer zu bewältigen.
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