Predigt zum neuen Jahr

So wurde es also der 1. Januar 2013 und mein Zutun beschränkte sich auf das alleinige geniessen einer Flasche Rotwein. Das Angenehme am manierlichen Betrinken mit Rotwein liegt nicht zuletzt im beschwerdefreien Erwachen am Folgetag.

Sitzt man also zuhause und während sich auf der Leinwand über sechs Folgen einer Serien-Staffel eine Gruppe von Überlebenden gegen einen Planeten voller Zombies behauptet, überlegt man sich, dass das Leben an sich eine triste Sache sei, so man keine zwei Kollegen hat, aus welchen man sich einen Dritten basteln kann.
Über das Handy trudeln Neujahrsgrüsse ein, so individuell wie Streichhölzer oder Zahnstocher in ihrem Behälter, worauf mir die Erwiderung zu dümmlich und das Weiterleiten zu schäbig wäre. So man wollte, wäre dem silvestrigen Treiben analog einer BRAVO-Foto-Love-Story auf einem sozialen Netzwerk zu folgen, was einem lediglich zum Nachdenken anregen würde, ob sich die letzten zwanzig Jahre die Definition von „Freund“ gewandelt hat.
Nun, dahingehend wurde ich kürzlich belehrt, dass soziale Netzwerke in der Tat so funktionieren, dass man zufällige Bekanntschaften hinzufügt, sprich; Man muss die Personen in der Freundesliste nicht speziell mögen, man muss sie noch nicht einmal wirklich kennen, es genügt eine flüchtige Begegnung. Das Halbwissenfernsehen lehrte mich, dass ein Mensch maximal 150 Personen im Auge behalten kann, das heisst, sich wirklich für deren Belange interessieren kann. So ergibt die Sache mit den flüchtigen Bekannten Sinn und mir scheint, Twitter mit seinen Followern ist da die aufrichtigere Geschichte.

Aber lassen wir soziale Netzwerke.

In vino veritasin-der-tat

Der Mensch neigt dazu, dass ihm das Glück eingeprügelt werden muss, dass er es erkenne. Lasse ich den Blick über das vergangene Jahr schweifen – ganz oberflächlich im Stile von, nennen sie mir drei Dinge, welche ihnen spontan einfallen; Bella, Arbeit, Ferien – zeigt dies auf, welches wohl die prägenden Elemente waren.
Mir scheint, noch nie soviel gearbeitet und so wenig Ferien bezogen zu haben wie letztes Jahr. Das Unangenehme an der ganzen Sache ist, in einem Angestellten-Verhältnis kann man nicht auf Vorrat arbeiten, Fluch und Segen; Man hat seinen gesicherten Lohn in schlechten Zeiten, man hat seinen fixen Lohn in guten Zeiten. So kann man über sieben Monate eine fünzig Stunden Woche hinlegen – der Arbeitgeber bringt seine Schäfchen ins Trockene -, daraufhin können sieben magere Woche folgen und man kann seinen Job verlieren. Für einen etwas skrupellosen Arbeitgeber eine win-win-Situation, als Arbeitnehmer kann man dem nur entgegenwirken, indem man sich selbst zwingt, täglich nicht mehr als sieben Stunden präsent zu sein und davon mindestens eine Stunde mit Online-Kartenspiel und dem Studium diverser digitaler Boulevardzeitungen oder dem klassischen Solitärkartenspiel zu verbringen. Verliert man seinen Job, muss man sich nicht über die Gründe hintersinnen, man braucht sich nicht ausgenutzt zu fühlen, man kann es mit Fassung hinnehmen.

Dafür bin ich dankbar. Dankbar, dass ich nicht so gepolt bin, dass ich mit einer Aufrichtigkeit beseelt bin, welche es mir verunmöglicht auf dem Rücken anderer eine ruhige Kugel zu schieben. Natürlich, ich bin nur Mensch, es ärgert mich solche Individuen zu sehen, doch dauern sie mich auch und ich möchte nicht tauschen. Wortwörtlich mein Brot im Schweisse meines Angesichts zu verdienen beschert mir eine gewisse Befriedigung, so ich neun Stunden gearbeitet habe fühle ich mich besser, als wenn ich acht Stunden meinen Hintern platt gesessen hätte, um den vertraglichen Bestandteil der Tagesarbeitspräsenzzeit zu erfüllen, ohne dabei effektiv etwas zum Gemeinwohl beigetragen zu haben.

Dieses Glück muss man sich zeitweilen vor Augen führen, da man geblendet vom materiellen Reichtum anderer Leute und angesichts der Tatsache eher zu erkennen was man alles haben will, dazu neigt, zu vergessen was man alles besitzt.

Auch ich entsage nicht dem materiellen, ganz und gar nicht, sind es doch diese Dinge, welche die Wertpapiere erst ihrer Bestimmung zu führen.
Brauche ich ein neues Auto, einen Fernseher, neue Skier, einen Hotelaufenthalt, was immer mich gelüstet; Ich gehe hin und kaufe es. Brauche keine Schnäppchentage abzuwarten, brauche keine Artikel zu vergleichen, brauche keine Rabattmarken zu sammeln und leiste mir das Verlegen von Garantiescheinen sowie die Musse nicht danach zu suchen.
Dies klingt auf den ersten Blick sehr dekadent, doch bin ich in keiner Weise wohlhabend. Ende Monat habe ich lediglich einen Mund zu stopfen, einen persönlichen Bankrott zieht nur mich in Mitleidenschaft und ich bin einer dieser Glücklichen, welcher mit einer Zahl auf einem Bankauszug keinen Wohlstand verknüpft; Die nichtige Bedeutung selbiger Zahl, wird nur noch von der Niedrigkeit ihrer selbst übertroffen. Luxus ist für mich, zu kaufen was ich vermag, wann ich will und wo ich will.

Beim stetigen Gejammer über meine Einsamkeit vergesse ich oft, mir vor Augen zu führen, dass genau selbige mir diese unbeschwerte Lebensform zu führen erlaubt.

Weitaus tragischer wiegt, dass ich bei besagtem Jammern einem speziellen Menschen Unrecht tue.
Vielleicht hat jeder von Euch da draussen den Einen, die Eine gefunden, ich mögte es Euch gönnen. Nicht selten wird wohl auch aus einer Not eine Tugend gemacht, salopp gesagt, man nimmt was man bekommt. Einen kleinen Kompromiss da, ein Eingeständnis hier, eine Prise Sachlichkeit, etwas gesunden Menschenverstand und schon hat man eine wunderbare, funktionierende Konstellation welche Bestand über das Menschenalter hinaus haben kann.
Gewisse Stärken mag ich haben, Kompromissfreudigkeit gehört nicht dazu und Eingeständnisse sind an so viele Bedingungen geknüpft, dass sie als solche keine mehr sind, was einem zwangsläufig zu einem Leben in Einsamkeit verdonnert.

Wenn meine Laune auf dem Tiefpunkt ist und eine kurze digitale Mitteilung hebt diese auf ein Hoch, kann dies bedeuten, dass ich ein sehr launischer Mensch bin, oder, dass eine ganz spezielle Person soeben eine Nachricht abgesetzt hat.
Habe ich den Eindruck, wenige Minuten in einem Lokal gesessen zu haben und ein Blick auf die Uhr verflogene Stunden offenbart, kann dies bedeuten, dass ich über einem Scotch eingenickt bin, oder mit einem ganz speziellen Menschen Zeit verbracht habe.

Das Glück, eine solche Person in meinem Bekanntenkreis zu finden überwiegt alles. Wenn Eingeständnisse keine sind, ein allein verbrachter Silvester kein Unglück ist, da Feiertage durch ihre Gesellschaft neu definiert, im Kalender einfach neu platziert werden; Was wünscht man sich mehr?

Bisweilen soll man die Augen schliessen um das Vergleichen einzustellen und im Jammern verstummen, um der inneren Stimme Gehör zu schenken.

In diesem Sinne, ein frohes 2013.

Über RAB

Ein Schreiberling mit nüchternem Blick auf das Leben, beim Versuch, selbiges aus satirischer Sicht etwas angenehmer zu bewältigen.
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