Schwiegertochter gesucht 2015, Folge 1

So, endlich ist es wieder soweit. Da meine Mutter mittlerweile die Aussicht auf Enkel begraben hat und mir die Anschaffung eines Hundes ans Herz legte, sollte ich eher besorgt sein. Also wenn Mutti schon glaubt, dass man nicht mehr vermittelbar ist, kommt man wohl nirgends mehr unter.
Nun gut, habe mir ‚Schwiegertochter gesucht‘ dennoch angetan.

schwiegertochter-gesuchtEs gibt ja Bewerber, da möchte man RTL anklagen. Von wegen Quote jagen indem man beeinträchtige Menschen der Lächerlichkeit preis gibt.

Der nette Netzwerker Michael, was immer ein Netzwerker ist, hat nicht direkt ein augenscheinliches Problem. Abgesehen davon, dass er seine Post mit Mutti Maria liest, aber dies schreibt RTL ins Skript.
Zwei Damen werden geladen, die Silvia (53) und die Rebecca (53). Die Silvia besticht mit mit ihrem Zweizeiler weniger, als mit dem BH-Blitzer in bester Kate-Manier auf dem beigelegten Foto.
Ein Foto aus den Neunziger, wie es scheint. Am Bordstein steht etwas braunes mit blondem Schopf. Direkt aus Münz-Mallorca. Dem Tussi-Toaster entsprungen. Dürr, dass selbst die VB-Jeans um die Stelzen schlabbert wartet sie mit ihrem Hund und schrankgrossem Rollkoffer.
Der nette Netzwerker wirkt schon leicht genervt, als der Hund über das Lederpolster seines Proll-Cabrio wetzt und irgendwie seinen Platz nicht findet. Wer will ihm einen Strick drehen. Der Hund wollte gewiss nicht zu ‚Schwiegertochter gesucht‘, aber RTL hat darauf bestanden. Silvia mit Knusprig-Hähnchen-Teint und Natascha Ochsenknecht-Style will ihren dürren Hintern irgendwie dazu zwängen. Reise nach Jerusalem im BMW-Cabrio.
Nicht genug, wartet ums Eck die Kosmetikerin Rebecca, welche auch noch in die Karre soll. Eher der Mutti-Typ, brav und bieder.
Armer Michael, aber was hast du gedacht, wer sich auf eine Fernsehanonnce meldet?
Rebecca besticht Mutti mit einer Orchidee, während Silvia eine angebrochene Flasche Ahorn-Sirup liefert. Aber aus New York! Und New York ist auf dem selben Kontinent wie Vermont. Ein typisches Holland-Mitbringsel ist schliesslich auch die bayrische Weisswurst.
Zu guter Letzt hat Michael noch eine Retour-Kutsche. Das Brathähnchen muss ins Hotel. Seine Hündin akzeptiere keine andere Hunde im Haus.
Sonst nicht viel los im Hause Netzwerker.

Lother ist 55, seit zwanzig Jahren Single und wohnt bei Mama Helene, 78 Jahre. Von Beruf Geflügelzüchter. Drei Hühner sah man am Bildrand, aber RTL jubelt auch einem Frührenter noch schnell einen Bauernhof unter, um das Programm „Bauer sucht Frau“ zu füllen, da ist man flexibel. Frührentner scheint im grossen Kanton eine gängige Berufung zu sein, kennen wir Schweizer so ja nicht.
Der Jahre 55, gehemmt im Umgang mit Frauen und lebt noch im Kinderzimmer. Liebe Freunde und Nachbarn, irgendwann ist der Zug abgefahren. Dem hat Mutti eben noch die Wäsche für Montag rausgelegt, nachdem sie ihm beim Samstagbad den spärlichen Haarkranz gewaschen hat. Aber für die Quote immer noch gut.

Zwei Bewerberinnen haben ihren CV im Briefkasten deponiert und Lothar, Überraschung, lädt gleich beide ein. Es müssen mindestens zwei sein, RTL-Richtlinien.
Die eine Bewerbung ist mit PC geschrieben, die andere erinnert an Schreibunterricht Primarschule.
Da der gute Lothar wohl noch in der Kinderwanne gebadet wird und duschen was für Grosse ist, verfügt der Haushalt auch nicht über die elementarsten Einrichtungsgegenstände. Wie eben einen Duschvorhang. Doch Lothar war im Baumarkt und hat sich eine Latte besorgt. Stange, pardon. Mit Ringen und Vorhang.
Lothar bezeichnet sich als begabt, legt gerne auch mal selber Hand an. Mutter Helene bezweifelt dies. Mache er was selber, müsse sie ihm oftmals zur Hand gehen, sonst komme da nichts raus.
Ja, ich kann mir durchaus vorstellen, bei RTL die Texte zu schreiben.
Nun denn, sie sind sich da eher uneinig, machen sich aber gemeinsam an der Stange zu schaffen. Also an der Duschstange, wir müssen jetzt seriös wirken. RTL hat dies neckisch mit einem Quietschen unterlegt. Mutti und Sohn geben es sich verbal so richtig schmutzig, am Schluss ist die Stange jedoch eingezwängt und der Vorhang mit Hawaii-Motiv hängt.
Nun gilt es die Damen aufzupicken.

Die Johanna, 63, quillt aus einem Regionalzug und hängt wie ein Schluck Tee auf dem Bahnsteig. Der Lothar versucht sich an einer Umarmung, da die gute Johanna die Hände jedoch immernoch schwer beladen hat, ist es eine eher einseitige Sache. Etwa wie Bäume umarmen.
Zurück auf dem Hühnerhof, drei Hühner, trifft die Montagehelferin, was immer das ist, Margrit aka Fee ein. Wirkt etwas wie Olivia Jones, nur weniger adrett. Fühle sich auch schön weich an, bemerkt Feinschmecker Lothar. Für Komplimente hat er ein Händchen, der alte Schlawiner. Und Margrit für Geschenke. Mit einem Wurstkorb kann man bei Schwiegertochter gesucht nichts falsch machen, das kommt ins Programm.
Deine Mutter, fragt sie beim Anblick der Konkurrenz, worauf Johanna ordentlich betupft einwirft, dass sie keine Falte hätte. Muss man ihr lassen, eine Falte in dieser gut gestopften Pelle käme auch einer medizinischen Sensation gleich. In etwa wie ein Ballon mit rechtwinkligen Ecken.

Nach einem Rührei, was soll man sonst zum Nachmittagstee naschen, führt Lothar durchs Hotel Mama. RTL hat sich beeilt das Kinderzimmer mit einem Fliesentisch auszustatten. Des weiteren ein Bett und eine Klappcouch. Margrit ist mit diesem Arrangement eher unglücklich, sie brauche im Schlaf viel Bewegungsfreiheit und zieht das Hotel vor. Wenn sie einen Hauch Selbstachtung hat, setzt sie sich in ihren Opel Kadett und sucht mit quitschenden Reifen das Weite. Aber RTL wir das Hotelzimmer schon verrammeln.

Zustellungslehrling Ingo ist auch zurück. Der sportliche, romantische Rheinländer. Das Attribut sportlich hat er, seit er sich eine Kraft-Multi-Station neben sein Teddyregal gestellt hat und seine acht Hauptmahlzeiten mit Proteinpulver ergänzt. Für den Muskelaufbau. Erhalten hat er ein hübsches Paar Männerbrüste. Ist auch was.
Schon zweimal hat er es versemmelt, obwohl er in Paris war. Mit XXL-Kondomen. schwiegertochter-gesucht-ingo-badehoseschwiegertochter-gesucht-ingo-familie-badetschwiegertochter-gesucht-ingo-familie-badet-2Weil es so nett ist, in Erinnerungen zu schwelgen.

Für Papa Luz zaubert er ein kleines Mittagessen. Sprich 8 Bratwürste und ein Kilo Kartoffeln. Dazu eine Schüssel Zwiebelringe für den guten Mundduft.
Es ist ein Rätsel, warum die ganze Familie leicht mobbelig ist.

Luz weiss genau wie es läuft. Letztendlich hat er Ingos Mutti Stups rumgekriegt und bis heute behalten. Respekt. Also nimmt er die Sache wieder in die Hand. Pflichtbewusst, irgendwie geht die Schlappe in Paris mit seinen telefonischen Tipps zur Liebesnacht auch auf seine Kappe.
Nach Polen soll es gehen. Ist irgendwie Tradition, schon der Urgrossvater hat es so gemacht. Also umgekehrt, der war ein Pole und hat sich ne Deutsche gekrallt.
Nach diesem Ausrutscher hat der Ostblock sich auf Mercedes und BMW konzentriert.
Ingo, kommste mal?
Über eine Freeware soll Ingo polnisch lernen. Sachen wie „Ja“ und „Ich liebe dich“. Nicht, dass es daran scheitert.
Auch am Äusseren soll man arbeiten. Dr. Werner Mang hat so schnell wohl keinen Termin frei, also beschränkt man sich auf die Garderobe. Frech soll sie sein. Sportlich und dynamisch. Wie der Ingo eben.
Ab auf den Catwalk zwischen Küche und Wohnzimmer.
Ein neckisches Deux-Pieces. Schwarze Hose aus der Sport-Kollektion von Kik. Etwas weiter im Schritt, luftig am Bein, dafür Passform an der Taille. Ein neckischer Blick auf die Knöchel unter weitschwingendem Saum. Obenrum ein Shirt im modernen Used-Look. Used für drei Wochen getragen. Schweissränder deuten Engelsflügen am Rücken an.
Mama und Papa sind nicht erbaut, so führt Ingo weitere Perlen seiner Garderobe vor. Dieselbe Kombination in unterschiedlichen Farben.
Er müsse anschaffen. Also Kleider kaufen, meint Mama. Selber gekleidet im neckischen kleinen Schwarzen. Nur das es blau ist, mit Blumen. Etwas weiter als das kleine Schwarze. Und länger. Also irgendwie ein Sack mit Trägern.
Auch Ingo mag es zweckmässig. Er achte nicht so auf die Kleider.
Es könne auch eine braune Kutte mit Kalberstrick um die Bauchmitte sein. Freie Interpretation der Redaktion.
Der Luz, in Jogginghosen, merkt an, dass Ingo gewissermassen das deutsche Land präsentiere, also auch stattlich erscheinen soll.

Mama Irene und Hobbydichterin setzen einmal mehr ihre Bowle auf. Nicht, dass sich das Abfüllen der Kandidaten bewährt hat, aber ich denke auch, dies wäre die falsche Ecke um was zu ändern.
Gemacht hat Beate etwas mit den Haaren. Da ist irgendwie Farbe drin. So Streifen. Frech. Und mit den Augen. Das eine scheint irgendwie grösser und höher angesetzt als das andere. Kurz gesagt, sie wirkt mit jeder Ausgabe angsteinflössender. So die Frau, welche Männer an das Kopfende des Bettes fesselt und ihnen die Fussgelenke bricht. Damit sie nicht weglaufen, bevor sie gemerkt haben was für ein Hauptgewinn Beate ist.
Beate hat ja mehr Männer abgeschossen, als ich Frauen kenne. Da war der Jens, Peer, Andre, Sven, Willi, Sascha, noch n’Jens, Kevin, Luke, Michael, noch n’Michael der es übrigens nochmal versucht und der Thomas.

Und schon wieder stehen vier Schlange. Der Schnallenschuhträger Stefan (wer denkt sich solche Begriffe aus) der markante, sprich ausgemergelte, Michael und noch zwei arme Seelen, deren Namen mir entfallen sind. Respektive ich zu langsam tippte. Ja, ich habe das Auge auf dem Fernseher und haue gleichzeitig in die Tasten. Beeindruckend, nicht wahr?

Eine Pferdegespann voller Trostpreise und mitten drin die dicke Vera macht sich auf zu Beate. Es ist ja so, dass Beate das elterliche Haus nicht verlassen möchte, potentielle Kandidaten hätten zu ihr zu ziehen. Die Prinzessin lässt bitten.
Der pferdegezogene Seelenverkäufer entledigt sich seiner Trostpreise vor der Garage, Vera checkt derweil die Lage in Beates Wohnzimmer.
Wie eh und je die Mutter auf dem Sofa. Diese welche entscheidet, wer an Beates Schmuckkästchen darf – angesichts der Beinbehaarung wäre eine Heckenscheere mitzubringen – und ihr so auch den letzten Typ vergrault hat.
Daneben Papa, welcher nach wie vor nichts wirklich mitkriegt.

Damit endete auch die erste Folge.
Fehlte etwas Panache. Das muss schlüpfrig werden. Das muss peinlich werden. Der Fremdschämfaktor um drei Punkte hoch schrauben. So ist es RTL, wir sind abgebrüht.

Über RAB

Ein Schreiberling mit nüchternem Blick auf das Leben, beim Versuch, selbiges aus satirischer Sicht etwas angenehmer zu bewältigen.
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