Shopping!

Die Tage gedenke ich wieder einmal meine Fähigkeiten auf zwei Brettern zu erproben. In Anbetracht der Umstände, dass ich mich schon länger nicht mehr mit der Ausübung des Skisportes befasst hatte, war eine Überarbeitung der dafür notwendigen Ausrüstung unumgänglich.
So bewegte ich mich zu Müller Sport in Singen. Genau, ich gehe zum Einkaufen über die Grenze. Schon wieder. Nicht wegen der Schnäppchen, nur am Rande wegen der Euronen, vor allen Dingen aber wegen der Auswahl. So der Gedanke.
Gewiss gibt es eine unglaublich ausgeklügelte Strategie wie die Verkaufsfläche mit den feil gebotenen Artikeln zu bestücken sei. Natürlich im Hinblick darauf, dem Klientel möglichst viel Geld aus den Rippen zu leiern.
Nun werfe den speziell talentierten Menschen mitten zwischen die Regale und freistehenden ob dem Angebot durchgebogenen Kleiderstangen und lasse ihn ein Kleidungsstück suchen.

Unlängst durfte ich die Bekanntschaft einer exzellenten Einkaufsberaterin machen, doch bin ich nicht ihre alleinige Verpflichtung, so muss ich für heute ein grosser Junge sein und alleine losziehen.
Meine Unfähigkeit die Namen von Farben in Einklang mit einer betrachteten bunten Oberfläche zu bringen, ist nur die erste Herausforderung. So werden in erster Linie Farben herausgefiltert, welche mein Hirn mit einer 86.7 prozentigen Wahrscheinlichkeit einem Muster zuordnen kann, was die Auswahl erst einmal einschränkt. Es sei mir verziehen, dass man mit Schwarz nicht viel falsch machen kann und ich gerne auf Nummer sicher gehe.
Die Begebenheit, dass junge Männer keinen Bartwuchs mehr haben und gerne einmal den Kajalstift der Freundin benutzen führt nicht nur die Gesellschaft wieder einen Schritt in die Nähe der Popstars der 80er Jahre, sondern macht auch feminine Muster und Farben zum unisex Gemeingut. Mann trägt Stretch-Jeans und rosa Blumenmuster.

So ich also ein Kleidungsstück mit hoher Trefferwahrscheinlichkeit mit der Farbe Rosarot bezeichnen kann, bedeutet dies noch lange nicht, dass ich in die Damenabteilung abgerutscht bin. Da es mir nicht im Traum einfallen würde, meine Blösse in Rosa zu bedecken, ist dies nicht weiter tragisch. Wenn jedoch das vermeintliche Blaub eben auch ein Lila sein könnte und das Produkteetikett weder über Farbe noch Zielgruppe für betrachteten Artikel Auskunft erteilt, zudem die Damen und Herrenabteilung nicht klar signalisiert und durch einen kleinen Zaun mit Gartentor getrennt ist, wird das Ganze eine Spiessrutenlauf.
Unweigerlich sinkt der Spassfaktor mit zunehmenden Herumirren und wandelt man gar zu orientierungslos zwischen den Regalen, fühlt sich über kurz oder lang eine aufmerksame Verkaufsangestellte genötigt, mir ihre Unterstützung anzubieten. Darauf antwortet man für gewöhnlich, dass man nur eben gucke und hofft inständig, man bewege nicht gerade in demonstrativ guckender Weiser Damenkleider am Bügel von Rechts nach Links. Den stoischen Mienen der Angestellten ist nicht zu entnehmen, ob man überzeugend den Nur-Guckenden mimt, oder ob die gerade vorgeführte Tätigkeit in 15 Minuten Anlass für Schenkelklopfer und Bauchweh im Pausenraum liefert.

Natürlich könnte ich um Hilfe bitten, aber so springen wir vom Regen in die Traufe.

Denn eindeutig indentifizierbar als männliches Kleidungsstück sah ich eine schicke Jacke mit Hose eines namhaften Herstellers, reimend auf Löffel.
Aber diese Sicherheit schien mir mit 500 Euro teuer erkauft. Ich nahm die Kleider von der Stange drehte sie nach rechts und links, guckte oben und unten rein. Da war weder ein Fernseher eingebaut noch hing ein Kleinwagen am Reissverschluss. Man erhielt tatsächlich nur einen hochsynthetischen Stoff. Gewiss, nach dem modernsten Verfahren hergestellt, kühlend und wärmend zugleich und so unzerstörbar wie die Scheren-Verpackung in der Migros.
Man kann durchaus 500 Euronen für ein Kleidungsstück ausgeben, doch nicht für eine Skiklamotte, welche ich keine zwei Wochen im Jahr trage. Würde nun ein Verkäufer beratend und beschwörend um mich kreisen, wäre die Gefahr gross, dass ich genau mit selbigem Artikel zur Kasse trete. Ein Drahtseilakt.

Übung halt an dieser Stelle, ich setzte an den Laden zu verlassen bis mein Elan gebremst wurde, da ich mich an einem Stosszahn eines prähistorischen Tieres verfing. Bildlich gesprochen, aber ihr versteht mich schon. Hier erhält man für 500 Euronen noch viel weniger Stoff.
Doch wir wollen nicht weiter über Geld reden und nein, ich löhnte auch bei allem Patriotismus nicht eine solch stolze Summe für ein Kleidungsstück.
Dennoch erschien mir bei diesen Artikeln die Verwendung etwas universeller, auch wenn ich damit, in modischer Betrachtungsweise, gewiss völlig untauglich für die Piste bin. Da scheinen harte Regeln zu gelten; Erklärte mir doch kürzlich ein Kollege, dass die Ausübung von Skisport in einer Jacke, wenn auch explizit Skijacke mit Schneeschutz und so, der Marke Helly Hansen ein totales No-Go sei. Manchmal muss ich einfach auf die Meinung von Experten vertrauen.

Als solcher sich der Verkäufer, wir sind mittlerweile wieder bei einem Schweizer Grosshandel dessen Name dem Altgriechischem anlehnt, gewiss auch bezeichnete. Doch beginnen wir vorne.
Benötigte ich doch ein Beinkleid und geschnalltes Schuhwerk, war jedoch nicht mehr gewillt Geld auszugeben. Beinkleider fand ich im Preis reduziert und genau ein Exemplar in meiner Grösse und einer genehmen Farbe, einem erfrischenden Schwarz. Trotz Abwesenheit meiner Styleberaterin befolgte ich doch gewisse Richtlinien und bewegte mich widerstrebend in einen beengenden Raum mit einem stählernen Hocker, Spiegel und Haken an der Wand. Nein, nicht der Darkroom des örtlichen Nachtklubs, die Umkleide des regionalen Athleticums. Die Hose bescherte mir gewissermassen ein gebärfreudiges Becken und einen flachen Arsch, so sah ich mich zumindest, vielleicht leide ich auch unter einer abgeschwächten Form von Dysmorphophobie. Was solls, mein Shopping-Bedürfniss war ziemlich befriedigt und mit Weibsvolk gehe ich voraussichtlich auch nicht in den Schnee. Bleiben wir mal lässig.
Schuhe… Auch im Preis reduziert, Gott segne den Konkurrenzkampf, das nahe Euroland und den WSV. Da die Nummern von 27 bis 32 verliefen, ich jedoch eine solide 41er Schuhgrösse vorweisen kann, war ich leicht überfordert. Nach dreimaligem Umrunden des Regals gab ich die Suche nach der Umrechnungstabelle für Idioten auf und begann zu probieren. Leider nicht ein rein und raus wie beim Schäferstündchen, da waren beim bevorzugten Modell jedesmal vier Schnallen zu lösen und ein geknülltes Papier aus dem Zehenraum zu fischen. Wenn alle Kunden so verfuhren wie ich und das Papier unauffällig unters Regal kickten, konnte ich mit einer beruhigenden Sicherheit davon ausgehen, dass noch nicht halb Schaffhausen seinen Fuss in meinem künftigen Schuh hatte.
Das vierte Paar sass gut, liess Platz für die Skisocken und ein elegantes Wippen an Ort und Stelle vermittelte den Eindruck von währschafter Standfestigkeit. Zudem wirkte ich gewiss ausserordentlich Professionell.
Nicht professionell genug für den schmalen Verkäufer, welcher mir begegnete, als ich mit den lässig an meiner Seite schlenkendern Schuhen die Kasse anstrebte.
“Passen sie?”
Fragen alle Schuhverkäufer. Was erwarten sie? Wohl kaum mein “Nein, ich kaufe aus Prinzip keine passenden Schuhe”.
Ja, sie passen. Ja vorne und an den Seiten. Nein, sie drücken nicht. So befriedigt entliess er mich zur Zahlstation, mit dem Hinweis, ich dürfe meine Skier zur Anpassung bringen.
Und bei diesem Satz fällt mir ein, dass ich den Kassenzettel aus Gewohnheit wohl beim nächsten Müllbehälter entsorgt habe.
Was solls, Skischuhgrundplatten sind eh genormt und sonst guckt man halt. Bei solchen Sachen bin ich lässig.

Über RAB

Ein Schreiberling mit nüchternem Blick auf das Leben, beim Versuch, selbiges aus satirischer Sicht etwas angenehmer zu bewältigen.
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