Tales from the kitchen; Knusper knusper Knäuschen

Man lernt seine Grenzen kennen.

Für mein Weihnachtsgebäck habe ich nette Reaktionen erhalten, was mich beflügelte, eine weitere Aktion in Sachen backe backe Kuchen zu starten.guetsli
Gefährliche Eigendynamik nennt man dies, vergleichbar mit sich handwerklich einbringenden und kaum zu bremsenden Kunden im Arbeitsalltag.
Also mischte ich gestern eine Unmenge von flüssigem Honig mit Ruchmehl und süsste das ganze noch mit Zucker. Wer schon einmal Kekse gebacken hat, wird mir beipflichten; Angesichts der Menge Süsswaren, welche in einem Guetzli verarbeitet werden, sollten sich uns beim Verzehren die Pupillen weiten und das Insulin aus den Ohren schiessen. Gerade, wenn Honig noch mit Zucker gesüsst wird.
Aber so ist nun einmal das Rezept und schuld war nur der Restposten an Lebkuchengewürz in der Coop-Filiale.lebkuchenhaus

Geht ruck-zuck, hatte ich im Gefühl.
Eigentlich mag ich Lebkuchen nicht besonders, der ist irgendwie langweilig und angesichts der Tatsache, dass er zu einem Drittel aus Honig besteht, im Geschmack mehr als enttäuschend.
Beim Backen bin ich gerne speditiv; Brunsli, Zimtsterne etc. sind daher die reine Küchenfolter und Kühlzeiten für Teige sehe ich bestenfalls als Empfehlung. Dennoch gönnte ich dem Lebkuchenteig seine mindestens zwölf Stunden Ruhezeit, das erste Mal soll alles perfekt werden. Zwei Kilo, oder in etwa 9000 kcal, habe ich davon in einer Schüssel auf dem nun durchhängende Abteilgitter meines Kühlschranks zur Ruhe gelegt.
Dank der beigemischten Natronlauge, Triebsalz fand ich nicht und ich belästige ungern das Personal bei den Grossverteilern, explodierte der Teig nahezu in seinem Gefäss.

Ich hatte eine ungefähre Vorstellung von meinem Lebkuchenhaus, so etwas zwischen Buckingham-Palace, Hogwarts und einer Blockhütte. Den Teig auf 5 Millimeter Dicke ausrollen stand in der Anleitung. Eine Hausfrau hat dies gewiss im Gefühl, bei mir variert dies zwischen einem Stück Tischplatte in der Ausstechform und dem Verschwinden derselbigen in der süssen Masse.
Entweder ist man in der Küche cool wie Jamie Oliver, verzichtet auf Mess und Massgeräte jeder Art, oder man spielt den Biolek und sichert einen Deziliter Milch mit Massband, Waage und Messbecher dreifach ab.
Da gäbe es Schablonen, fixfertig zum Ausdrucken, aber ich schnitt mit dem Filetiermesser lieber munter darauflos und mein Tisch ähnelte immer mehr der Elk-Fertighaus-Manufaktur. Flugs in den Ofen, da nahm das Unheil seinen Lauf.
Der Teig quoll auf wie Vera Int-Veen während einer Staffel Schwiegertochter gesucht und es war nur eine Frage der Zeit, bis das Ofenfenster aus seiner Fassung springen würde. Anstelle der sauber vorbereiteten und haarscharf zugeschnittenen Kleinteile für den ausgefeilten Häuslebau kippte ich kissenförmige Pakete auf das Gitter. Oben knusprig braun, unten hartnäckig am Backpapier haftend.
Unbeirrt davon schob ich noch drei weitere Ladungen Bauteile in den Ofen, während im Elektrizitätswerk eine weitere Schleuse geöffnet wurde und die Axpo die Korken knallen liess.
Aus dem restlichen Teig stach ich süsse Herzen aus, weniger der Romantik, denn der bequemen Tatsache willen, dass dies die grösste Form in meinem Accessoires ist.

Nun sollte der witzige Teil kommen. Aus Eiweiss und Puderzucker rührte ich den Mörtel an.
Übrigens, schon einmal überlegt wieviel rohes Ei in Weihnachtsgebäck verarbeitet wird während die übrigen 11 Monate vom Verzehr derselbigen aus Salmonellen-Gründen abgeraten wird?
Mit dem Essen spielt man nicht, aber ich kam nicht umhin, mich wie ein Kind vor einer Packung Playmobil zu fühlen. Grosszügig wurden die Teile mit der klebrigen Zuckermasse bestrichen und aneinandergepappt. Danach von der Tischplatte gekratzt und wieder gepappt. Das Grundstück meines Lebkuchenhaus war schon weiss wie ein Winter im Bilderbuch, der Tisch, mein Beinkleid und die Arme bis zum Ellbogen nicht minder, trotzdem wollten diese dämlichen Wände nicht kleben.
Ganz im Gegensatz zu meinen ESPRIT-Pantoffeln am Plattenboden; Die hafteten so ausgezeichnet, dass ich mich beinahe auf die Fresse legte, als ich zum Geschirrspüler hetzen wollte. Da mussten Stützen her, was bedeutet, dass ich Gabeln abwaschen musste. Ich war noch immer frohen Mutes und trotz der Widrigkeiten, hatte der Spassfaktor noch nicht gelitten.
Mein Vater pflegt zu sagen, eine Konstruktion muss als Ganzes halten; Kaum die Wände notdürftig fixiert, machte ich mich an das Dach. Als Ästhet dachte ich mir, es wäre nett anzusehen, wenn das Dach überlappend geschichtet wäre. Daran ist nichts auszusetzen, an einem hübschen Schieferplatten-Dach…dach… nur machte das Volumen meiner Dachplatten jedem Gestein Konkurrenz. In Gewicht und Grösse. Sogar an ein neckisches Vordach hatte ich gedacht, welches sich nun traurig der Erdanziehung hingab.
Die Wände bogen sich nach aussen und ich zwang sie mit geschickt platzierten Nespresso-Tassen wieder in ihre Position zurück.
Auch einem unverbesserlichen Optimist wie mir wurde allmählich bewusst, dass hier irgendwo der Wurm drin war. Die Elemente müssten wohl dünner und härter sein.

Ich liess das Häusle bauen und entschloss mich dazu, mit der Verzierung zu beginnen. Die Zuckermasse in den eigens angeschafften Spritzsack gefüllt, zur Baustelle geschritten, zurück an der Theke den Sack abermals gefüllt und die Öffnung zuhaltend der Zuckerspur folgend wieder zur Baustelle und eifrig damit begonnen die Dachkannte zu verzieren.
Die Zuckermasse ergoss sich einem kräftigen Herbstregen gleich über meine Architektur, den Tisch, die Stühle…

Nun wurde es mir zu blöde, ich brach die Übung ab und nahm die ganze Geschichte als Motivation, mal wieder ordentlich durch die Küche zu fegen.lebkuchenhaus-2

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Über RAB

Ein Schreiberling mit nüchternem Blick auf das Leben, beim Versuch, selbiges aus satirischer Sicht etwas angenehmer zu bewältigen.
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