The same procedure as every year

Nun sitze ich also hier, neben mir läuft drei Haselnüsse für Aschenbrödel und ich frage mich, ob für diesen äusserst produktiven Arbeitstag ein Verlassen der Bettstätte zu rechtfertigen sei.
Ich frage mich ernsthaft, ob Detailhändler und Unternehmer die Angst leben, so der 24. Dezember zu einem arbeitsfreien Tag erklärt würde, die Menschen einen Tag hungern und weniger Geschenke kaufen würden? Oder würde man nicht eher dieselbe Menge – oder noch mehr – Nahrung, die gleiche Anzahl Geschenke und allen anderen Krimskrams einfach einen Tag vorher beziehen?

Aber was verstehe ich schon davon; Eine Order ist nun mal eine Anweisung und ich bin ja nicht der Einzige. So sitzen im Coop Gruben äusserst gestresste Kassiererinnen mit einem Stern auf der Brust.
Die Symbolik an sich empfinde ich etwas unglücklich – in der nicht so alten, europäischen Geschichte wurde von höherer Stelle bereits einmal ein Flair-Button in Sternform verteilt und angeheftet – zudem scheint mir der Platz auf dem rechten Busen ziemlich schlecht gewählt, da ich den Coop-Verkäuferinnen ungern auf ihr 115 EE-Dekolleté starre. Aber wie soll ich die Weihnachtswünsche annehmen, ohne auf die Aufschrift zu starren?
Da muss man einfach durch.
Es sind die wunderlichsten Leute unterwegs, wie immer, wenn die Frauen ihre Ehemänner zum Einkaufen mitnehmen. Ob die Frauen dies wünschen, dass sich der Mann in der täglichen Haushaltsarbeit mehr einbringen möge, oder ob die Männer sich aufdrängen um das Haushaltsgeld einem gewissenhaften Controlling zu unterziehen kann ich nicht beurteilen – noch nicht – aber mir scheint, diese ungewohnte Konstellation um das gegen zwei Franken Pfand geborgte, beräderte Gittergefährt mit rotem Kindersitz bringt Unruhe in die ganze Sache.
Was die Frau in den Wagen legt, fischt der Mann wieder hinaus; Ist er doch nicht umsonst um sieben in der Früh aufgestanden und hat im Microsoft Office-Word eine alphabetische Einkaufsliste zusammengestellt, um hernach plan und ziellos durch den Laden zu steuern. Meinetwegen steht der Vanille-Zucker gleich neben dem Backpulver, aber dies ist kein Grund um in der Tabelle vorzugreifen und nicht erst in der Metzgerei die Bratensauce zu greifen und danach zum Brot weiter zu zuckeln.
Die Dame soll froh sein, dass wir nicht schon das Frühjahr einläuten und er noch in die Gartenabteilung zu den Blumenzwiebeln soll, so schauts aus.
Die werte Gattin pflegte Wochentags zwischen Tee und Gewürnelken jeweils die Frau Meier aus dem Hochparterre zu treffen und man hält in der anstrengenden Tätigkeit inne, um einen kurzen Schwatz zu halten. Doch mit je einem zappeligen, sekündlich auf die Uhr schauenden, männlichen Anhängsel am Wagengriff will das Gespräch nicht recht in Gang kommen.
Zudem schmilzt die Eistorte im Wagen, da im Alphabet das E nunmal vor dem P wie heisses Poulet kommt und die Liste unbedingt eingehalten muss.

Kleiner Einschub betreffend Einkaufsverhalten; Die Organisation pinkstinks habe ich nebst dem unsäglichen, geschlechtspeziefischen Rollenzwang in Hänsel und Gretel – er lümmelt und frisst, während Gretel Haus und Hof bestellen muss, worauf ich eine Verbrennung aller Grimm-Märchen verlangte – auf die Entrecote-Werbung von EDEKA hingewiesen.

 

Geschätzte Frau Schmiedel,

ist bei Ihnen auch schon der EDEKA-Werbespot über den Bildschirm geflimmert?

Die beiden Kinderchen, welche sich erkundigen, welches Mahl am einfachsten zu bereiten wäre, bei welchem gar ein Idiot nichts falsch machen könne.
Und als der Papa sich nach dem Essenswunsch erkundigt, wird ihm gerade dieser Vorschlag des Verkäufers unterbreitet.

Da muss man wohl nicht mehr viel zu sagen.

Das Mädchen wird doch total in die Rolle der Hausfrau gezwängt, welche zu nichts anderes nütze ist, als den dummen Papa zu beaufsichtigen und ihm gar noch das Menü zum Kochen vorbereitet präsentieren muss, damit er sich hernach brüsten kann, eine Mahlzeit zubereitet zu haben.

Ich finde, sie sollten gegen EDEKA vorgehen.

Hochachtungsvoll
RAB

Nicht, dass ich mit einer Antwort rechne, aber es ist Weihnachten und der alleinstehende Junggeselle lebt doch recht einsam, während der besinnlichen Zeit.
Dagegen vor, geht zum Beispiel das Hofackerzentrum mit dem Weihnachtsanlass „Gemeinsam statt einsam“, bei welchem Leute wie ich unterkommen würden. Gefilmt vom Dieter Amsler, Schaffhausens einzig geduldetem Kamera-Voyeur, dessen stets vorgebrachten einleitenden Satz „Villicht gsehnd sie ja öpper wo sie kenned“ angesichts der Tatsache, dass vereinsamte Leute diesen Event besuchen, irgendwie bissig ironisch klingt.

Natürlich besitze ich so etwas wie Familie; So wurde ich gestern zu Mutter geladen, wie jedes Jahr. Und jedes Jahr ist etwas weniger Lametta, wobei  ich mit dem jährlichen Bekunden meines Missfallen an diesem Weihnachtsfest, wohl meinen wesentlichen Anteil beigetragen habe, dass dieses Jahr gar kein Lametta mehr war.
Das gesellige Beisammensein hatte den festlichen Touch eines Zvieri-Besuch am Dienstag Nachmittag zur lauen Sommerzeit und nachdem die Vorweihnachtsstimmung schon flöten gegangen war, hat diese Verköstigung Weihnachten 2012 noch den Rest gegeben.
Dem Wunsche nachgebend, ich solle doch bald wieder einmal vorbei schauen, versprach ich, dass Ostern ja bald ins Haus stünde, empfahl ich mich von der Party, öffnete zuhause noch eine Flasche Wein, fragte mich, ob ich weitere Weihnachtsfeste in dieser Art anstreben wolle und besoff mich in feinster Manier mit einem billigen, kundengeschenkten Fusel.

Wie schon öfters angedroht, habe ich noch sieben Monate um mir eine Lebensparole zu fassen, ein Ziel zu stecken, oder denn von einem Mühlstein um den Hals, im Treiben der Fluten mir ein Ziel weisen zu lassen – etwas angespitzt ausgedrückt.
Mir scheint, nächstes Jahr ein hübsches Weihnachten zu feiern, so wie es die Leute rundherum – Dieter Amsler ausgenommen – zu begehen pflegen, wäre wohl kein Lebensziel, doch etwas erstrebenswertes. Zumal ich um dies umzusetzen so etwas ähnliches wie eine neue Familie brauche, oder zumindest eine Person ausserhalb der Blutlinie, welche es sich vorstellen könnte, einen Feiertag mit mir zu verbringen.

In diesem Sinne, noch frohe Weihnachtstage.

Über RAB

Ein Schreiberling mit nüchternem Blick auf das Leben, beim Versuch, selbiges aus satirischer Sicht etwas angenehmer zu bewältigen.
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