Via Auszugsleiter ins Paradies

Solltet ihr auf let-op nur noch Grillen zirpen und Tumbleweeds kullern sehen, muss ich mich entschuldigen.
Da mittlerweile jeder unterbeschäftigte Beamte und pensionierte Weinbauer sich der Schreiberei widmet, formte sich die wahnwitzige Idee, meine geistigen Ergüsse zwischen zwei Buchklappen zu sammeln. Einerseits strebe ich nach den fünfzehn Minuten Ruhm, anderseits…dagobert-duckEs soll was zwischen Ephraim Kishon und Tommy Jaud werden, der Arbeitstitel könnte lauten, ‚Wenn der Pöstler mit der Ziege – Einmal Weinland und zurück‘. Wie dem auch sei, was mir durch den Sinn schiesst fliesst in dieses Projekt, in der Hoffnung, noch einen roten Faden einflechten zu können.

Täglich steht ein Trottel auf und einer dieser Trottel hat eine technische Errungenschaft des Namens DVB-T entwickelt. Die digitale terrestrische Verbreitung von Fernsehsignalen war der Bypass im Herzen der totgesagten Spielwiese unserer lieben Rentner. Die gute alte Antenneninstallation. Eine heilige Kuh, dennoch kann man sich daran verwirklichen, ohne einen tödlichen Schlag erwarten. Zumindest im elektrischen Sinne, so des Sonntag Abend um kurz nach acht anstelle einer Pilcher’schen Liebelei auf der grünen Insel, des Nachbars Babycam empfangen wird, kann für partnerschaftliche Übergriffe nicht die Verantwortung übernommen werden.
Der Pfeiffer hat diese gebaut; Dies ist ein Prädikat für eine ganz aussergewöhnliche Anlage von erlesener Qualität, vorwiegend deswegen, weil besagter Pfeiffer sich mit Kanalfiltern den Schnabel vergolden liess, folglich muss es eine aussergewöhnliche Anlage von erlesener Qualität sein, wer lässt sich schon gerne über den Tisch ziehen, und so wird das silberne Firmenschild auf der guten Asbestplatte liebevoll gestreichelt.

Kanalfilter, für den Laien kurz erklärt; Man nehme eine Metalldose, schmeisse ein paar Drähte rein, verbinde diese mit einer guten Handvoll Lötzinn und fertig ist das Ding. Dessen Sinn und Aufgabe bestand darin, nebst dem Vergolden von Pfeiffers Schnabel, dass während des Freitag-Derricks auf dem ZDF im Hintergrund nicht zeitgleich der Giro-d’Italia über die Bildröhre lief. Dies nannte man damals Schattenbild, heute würde ein Medium für 2.30 die Minute die Zukunft darin sehen.
Die grosse Herausforderung bestand im Abstimmen dieses Filters, näherte man sich mit einem Schraubenzieher dem Potentiometer, verstellte sich dieses gleich um vier Kanäle, ganz abgesehen davon, dass bei exzessiver Drehbewegung die mikroskopische Stellschraube aus dem Gehäuse fiel, oder sich das gesamte Innenleben um den Schraubenzieher wand. Mein Lehrmeister hatte grosse Freude an mir.

Nun gut, im Zeitalter der digitalen Technik findet diese Kanaltrennung im Empfänger statt. Damit selbige überhaupt dahin gelangen, müssen die Filter entfernt werden, denn genau dieses ausgeblendete Frequenzband gilt es zu Nutzen. Genug der Technik.

Mit beinahe sadistischer Freude weide ich die guten alten Pfeiffer-Anlagen aus, labe mich an den Tränen der Besitzer, welche nicht nur bares Geld sondern ein Stück Geschichte zu Boden fallen sehen. Sadistisch, weil ich mir gewiss den Mund fusselig geredet hatte, dass jeder in diese Anlage investierte Franken einer zuviel ist. Aber die Leute wollen es nicht einsehen. Uns genügen diese sieben Programme, denn, mein Lieblingsargument, man kann nur einen Sender aufs Mal sehen. Nein nein, nicht etwa weil es einen DVB-T-Receiver beim Kauf eines Kodak-Filmes gratis dazu gibt, man braucht einfach nicht mehr.
So steigt man auf den Dachstock. Wenn die Kunden einem richtig lieb haben, trägt man dabei die Schuhe unterm Arm durch den Flur, um sie auf der Auszugstreppe der Dachluke wieder anzuziehen.
Wie man beim Springen in unbekannte Gewässer kurz das Cello-Stakkato aus dem Weissen Hai im Ohr hat, fliegen vor dem geistigen Auge alle lustigen Filmsequenzen mit Dachluken und deren Auszugleitern durch. Ich habe noch keine Leiter in die Kauleiste gekriegt, aber so ziemlich jede Extremität einmal gequetscht. Es gibt die modernen im Faltprinzip, welche beim Begehen sich trotz mehrmaliger Überprüfung noch um einen halben Meter ausdehnen, gerade genug um vornüber zu kippen und eine hässliche Kerbe im Parkett zu hinterlassen. Es gibt die klassische Auszugleiter aus Holz, welches sich dank dreissig Jahreszyklen in alle Richtungen gedehnt hat, dass man sie nicht ausziehen kann, ohne dabei die Hand zwischen beiden Elementen zu klemmen. Auch beliebt, die Ein-Elementleiter, welche den halben Dachboden als Platzhalter beansprucht, was den Kunstoffnikolaus nicht im geringsten interessiert und er einem samt Rudolph dem Rentier entgegenfliegt. Wahlweise ergiesst sich auch Mäxchens Legosammlung aus dem Schimmelkarton durch die Luke. Zu guter Letzt noch die Fixleiter, welche aus dem Keller zum Dachboden getragen werden muss, vorbei um sieben Ecken an Nippes, Parfümflakon- und Porzellanpuppensammlungen. An der Dachluke wird sie angelehnt, exakt mit einem Zentimeter Gleitreserve an der Oberkante, sprich, gibt der Läufer einen Hauch nach, segelt man die Treppe herunter in Nippes, Parfümflakons und Porzellanpuppen. Da sind wir bereits bei der nächsten Thematik, diese Luken sind stets über dem letzten Treppenabsatz, was bedeutet, dass bei jedem Gang zum Fahrzeug oder Fernseher, und glaubt mir, ihr werdet viel gehen, diese Leiter ein und ausgezogen werden muss. Wie auch, wenn die Kinderlein, der Mutter ‚Niiiiicht‘-Rufe ignorierend, just in diesem Moment mit unglaublicher Geschäftigkeit zwischen den Stockwerken flanieren müssen.

Steht man also unter der Lucke mit den Schuhen unterm Arm, übersäät mit tausend toten Fliegen und schickt sich an hoch zu steigen. Wegen der Kälte brauche man die Schuhe, so der Hausherr, ich trage sie lieber, weil auf Dachböden Marder und Ratten um die Wette scheissen. Mindestens ein toter Vogel verwest in einer Ecke und im Sommer freuen sich die Wespen über die unterhaltsame Ablenkung in ihrer ganz eigenen, stichelnden Weise.

Heute zerpflückte ich wieder eine solche Anlage. Nicht mit Leidenschaft, dafür mit klammen Fingern. Für den Gang auf den Dachboden, musste ich der Nachbarin Wohnung passieren, was diese mit freundlicher Ablehnung zur Kenntnis nahm. Wie auch ihr kleines Kind, welches bei meinem Vorbeigehen stets zu schreien begann, als würde ich gegen die Wiege treten oder es mit dem Schraubenzieher pieksen. Gut, ich mag Kinder nicht, Kinder mögen mich nicht, warum kann man dies nicht mit einem gepflegten, gegenseitigen Ignorieren begehen? Nein, Kleinkinder müssen schreien wenn ich komme. Grössere Kinder fragen mir ein Loch in den Bauch, ich ignoriere sie, wissentlich, dass in 47 Sekunden dieselbe Frage noch einmal gestellt wird, unabhängig davon ob ich eine Antwort geliefert habe oder nicht und ob diese Koaxialstecker oder Puuh der Bär gelautet hat. Teenager müssen einem auf Mutters Geheiss genau zusehen, damit sie einen solch tollen Beruf erlernen können. Noch sinn- und zukunftsloser als Multimedia-Elektroniker ist wohl nur noch der Beruf des Schreibmaschinenmechaniker und Setzbuchstabengiesser, aber bitte, gucke und schmeiss dein Leben weg.
Der schreiende Balg wurde in einen Wagen gepackt und durch das Dorf gekarrt, was mir etwas Ruhe verschaffte, mich dem Generalverdacht des Babyquäler enthob und ich mich auf das Marschieren konzentrieren konnte.
Ich verliess Frau Hübelis Wohnung durch die Tür, welche nur mit Schwung und Knall geschlossen werden konnte, trippelte die Treppe runter, auf der anderen Seite des Hofes die Treppe wieder hoch in Müllers Haus, durch eine Tür welche sich nicht schliessen liess, über einen penibel gereinigten Fluch durch eine weitere Tür in die Küche, daraufhin eine Treppe hoch, über ein Babygatter, mit diesen Verschlüssen bin ich stets überfordert, hinweg, und die auszuziehende Leiter wieder hoch. Diesen Weg erledigte ich, nicht übertrieben, fünfzig mal, hin und zurück. Fünfzig mal Treppe raus und rein, fünfzig mal „tschuldigung“, und fünfzig mal ein Baby, welches wie am Spiess zu schreien begann.

Man könnte nun meinen, ich wäre so ungeschickt oder vergesslich, zweimal gehen müsste reichen. An sich schon, nur bin ich von meiner Perfektion so wenig überzeugt, dass ich den Fehler stets an meiner Arbeit und nicht an des Kunden Gerätschaften suchte. Antennen ausrichten, Stecker erneuern, Kabel ersetzen, Verstärker neu einstellen, ja, ich schleppte gar eine neue Antenne durch den penibel gereinigten Flur, am schreienden Kind vorbei auf den Dachboden, verteilte alle mitgeschleiften Jacken, Schals und Mützen wieder im Haus, nur um festzustellen, dass diese Scheisse auch nicht funktionierte.
Zu guter Letzt ersetzte ich den 85-Franken-Empfänger und der Schrott funktioniert.
Nun, du wolltest DVB-T. Gespickt mit allerlei Fachbegriffen erklärte ich, warum kein einziger Gang zuviel war und liess mir und der Firma jeden einzelnen Fussstapfen vergolden.
Da hast du DVB-T, du Sparfuchs.

Für alle Hobby-Konsumentenschützer und Schmezer-Jünger; Es war nicht jeder Gang vergebens, die gute Kundin empfängt nun Sender, von welchen sie noch nie gehört hat, was sie wohlwollend zur Kenntnis nahm, obwohl sie nur einen aufs Mal schauen kann und sowieso nur Schrott gesendet würde.
Eben weil ich so perfekt bin.

Über RAB

Ein Schreiberling mit nüchternem Blick auf das Leben, beim Versuch, selbiges aus satirischer Sicht etwas angenehmer zu bewältigen.
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