Warum ich kein Laborant wurde…

Um den Blog nicht vollends zum Verstummen zu bringen, ein Auszug aus meinem, noch zu bearbeitenden, Manuskript…

 

Es galt zu beobachten und die Erkenntnis schriftlich festzuhalten. Eine Ampulle, befüllt mit einer klaren Flüssigkeit, wurde auf einem Eisengestell über einem Bunsenbrenner platziert.
Als Farbenblinder befiel mich wohl die Angst, ich müsse eine Verfärbung erkennen, fand mich dennoch in einer fiebrig gespannten Erwartung ob einer bahnbrechenden Reaktion in besagtem Gefäss. Nach fünf Minuten meldete ich, dass hier etwas nicht funktioniere, es geschiehe nichts. Mit der erforderlichen Zurückhaltung, versteht sich. Ein kleines Husten, noch ein Räuspern, ein piepsiges „Siiiiie…“, selbstverständlich hatte ich den Namen der betreuenden Laborantin beim Schliessen der Tür bereits wieder vergessen.
Die überwachende Chemielaborantin trat mit ungläubigem Blick hinzu, sah mich an, betrachtete die Ampulle, wandte sich wieder mir zu und bemerkte, dass hier allerhand vor sich gehe. In einem Ton, welcher russische Truppen über die Tundra gejagt hätte. Mit Luchsaugen starrte ich in die Ampulle, nichts. Ich bedaure, aber ich sähe nur, dass ein paar Blasen aufstiegen. Vielleicht ein kleiner Blaustich, fügte ich leiser hinzu, obwohl ich nicht die Spur einer farblichen Veränderung bemerkte. Etwas blau ist nie schlecht, gleich jeden Verdacht im Keim erstickend, dass ich keine Farben erkenne. Ich hatte nicht nur die Augen eines Luchses, sondern auch die Schläue des Fuchses.
Erstaunt erkundigte sich die Dame, was denn dies wäre, wenn keine Reaktion. Ich solle Notizen machen und trollte wieder von dannen. Und blau sei da nichts, schallte es noch aus der Tiefe des Raumes, dass ich beinahe in die Kappelle stürzte.
Sass ich also da, auf einem Hocker ohne Rückenlehne und sollte siedendes Wasser beschreiben. Sie hätte mich mit dem selben Erfolg ermutigen können, beim Montagsmaler Würde zu zeichnen. Um das Blatt seiner vernichtenden Leere zu berauben notierte ich, dass langsam Blasen aufstiegen. Immer mehr Blasen. Bis zur Oberfläche. Dort schienen sie zu platzen. Neue Blasen. Wieder von unten.
Meine Notizen erschienen selbst mir zu dümmlich. Ich sah drei Varianten.

Erstens, die Dame geriet ob meines Protokolls in Verzückung und ich musste meine Faszination für diesen Beruf nochmals gründlich überdenken.

Zweitens, ich konnte für eine Ampulle siedendes Wasser nicht die erwartete euphorische Hingabe entwickeln und die Ausbildnerin musste meine Qualifikation für diesen Beruf nochmals gründlich überdenken.

Drittens, es geschah wirklich noch etwas, das ansatzweise schreibenswert erschien, wir fallen uns in die Arme und schliessen einen Lehrvertrag ab.

Wie der Zufall es wollte, ging der metallene Träger der Ampulle in Flammen auf. Nun, dies nicht direkt, aber er begann merkwürdig zu riechen und es stieg etwas Rauch auf.
Mit fiebrigem Eifer näherte ich mich dem Blasen werfenden Lack, schrieb von leichtem Schwindel befallen und mit tränenden Augen die Reaktion des Drahtgestells, verzeiht mir den fehlenden Fachbegriff, nieder. Nicht direkt Seite um Seite, aber ganz gewiss eine ordentliche Abhandlung. Bis zum Eintreffen der Laborantin, welche bemerkte, da wäre etwas nicht in Ordnung. Ich verkniff mir die Bemerkung, dies schon vor geraumer Zeit erwähnt zu haben.
Von den Dämpfen noch etwas benebelt nahm ich wahr, dass besagtes Drahtgestell noch ganz neu wäre und deswegen hier…
Ich kippte nicht komplett nach hinten weg, aber etwas übel war mir schon. Etwas Theatralik erschien mir nicht verkehrt, alles zum Wohle eines Lehrvertrags.
Ungerührt meiner bühnenreifen Präsentation des sterbenden Schwans studierte sie meine Notizen. Eine wunderprächtige Abhandlung über die Konseqzenzen eines dürftig legierten oder lackierten, so genau weiss ich dies nicht, auch im Werkunterricht war ich keine Leuchte, Drahtgestell, jede Konsumentenschutzsendung hätte diese detaillierte Beschreibung als mustergültige Mängelrüge anerkannt. Die Laborantin bemerkte trocken, mein Protokoll entspräche nicht der Aufgabenstellung.

Dies war das Ende meiner Karriere in einer Pillenfabrik namens Cilag.kosmos

 

Über RAB

Ein Schreiberling mit nüchternem Blick auf das Leben, beim Versuch, selbiges aus satirischer Sicht etwas angenehmer zu bewältigen.
Dieser Beitrag wurde unter He works hard for the money, Pub veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.