Will doch nur spielen

Er will nur spielen.

Selbstverständlich will er das, nur, verstehen ich und diese vierbeinige Ausgeburt der Hölle dasselbe unter spielen? Anderseits habe ich auch nie gehört; ‚Achtung der beisst!‘

Sie mögen unter den Trümmern eines türkischen Hotels Verschüttete finden, direkt der Postkarte entsprungen, mit Holzfässchen um den Hals auf grossen Pranken über Lawinen tapsen oder im Zirkus für Clowns durch einen Ring springen.
Victoria Beckham trägt sie gerne über die Champs-Élysées, Paris Hilton fährt mit ihnen in Limos, im Privatjet der Queen haben sie ihren eigenen Platz, auf jedem schmutzstarrenden Weinländer Hof lebt ein solches Vieh, aber die hellsten sind sie nicht.

Lenkt man von Truttikon sein Fahrzeug nach Dättwil, bei Adlikon, bei Andelfingen – so die offizielle Ortsangabe, wenn ihrs nicht glaubt, liest nach – springt bei Hübelis Hof der Kläffer bereits auf den Hofplatz. Biegt man in die währschafte, mit Kratern übersäte Landstrasse, dies erklärt warum Frau Hübeli immer mit dem Traktor in die Migros fährt, ein, ruiniert die Stossdämpfer und schüttelt jegliche Kohlensäure aus dem San Pellegrino, springt er einem entgegen. Nicht schwanzwedelnd mit rosa Schlaufe zwischen den Ohren und dem treuherzigen Bernhardinerblick, mitnichten, mit triefenden Lefzen, vorstehenden Reisszähnen und den Ohren an den Kopf gelegt. Klauen wie ein Velociraptor, den Schwanz mit Stacheln bewehrt und Feuer speiend.
Die erste Runde seines Spieles besteht darin, dass er versucht in die Reifen zu beissen, was schon einmal jede Menge Rückschlüsse auf die Intelligenz eines solchen Viehs ziehen lässt. Katzen suchen wohl keine Verschütteten und beschützen keine Wohnhäuser, aber sie sind zumindest so klug, dass sie nicht versuchen in einen Reifen zu beissen, welcher wohl gerade zehn Umdrehungen die Sekunde auf die Landstrasse legt.
Das Problem wäre wohl gelöst, würde der Kläffer es schaffen seinen Unterkiefer einmal zwischen Gummi und Strasse zu bringen, was er sich auch immer davon erhofft, aber ich bin immernoch Tierfreund und dies schliesst diese Vierbeiner nun einmal mit ein. Zudem steht schon die Dame des Hauses auf der Treppe. Gewandet in einer geblümten Zeltplane, was es nicht alles gibt, gebietet sie Fluffy mit energisch wacklendem Drei-Stufen-Kinn, stellvertretend für den Hals, Einhalt und pfeift ihn zurück, was Fluffy insofern interessiert, als würde ich mich mit einer Wespe im Haar im Zwiegespräch darüber auslassen, ob sie mir ihren Stachel nun in die Kopfhaut rammen sollte oder nicht.

So versuche ich auszuweichen, bemüht den Wagen von der Schlammrinne rechterhand fern zu halten, während der Kläffer jedem Zürcher Fahrradkurier Paroli bietet, indem er jeden erdenkbaren toten Winkel meines koreanischen Gefährts findet.

Ohne das Knacken eines Schädels, Beines oder auch nur ein wehleidiges Winseln zu hören, bringe ich den Wagen zum Stillstand. Giftig kläffend steht der Hund zur Fahrerseite, bereit seine Hauer in das erste Stück Fleisch zu hauen, welches dem Fahrzeug entspringt. Von den Stufen der Behausung erschallt im minutentakt ‚Fluffi aus!‘ während ich peinlich genau irgendwelche unbedeutenden Zettel sortiere um noch etwas länger auf der grünen Meile zu gehen, dem sicheren Tod noch ein paar Sekunden aus den alten Knochen zu leiern
Die Tür schwungvoll öffnen und ihn ausnocken? Den Crocodile Dundee geben und mit eisernem Blick den Köter in die Knie zwingen?
Nur nicht zeigen, dass man Angst hat. Pha! Aus Prinzip habe ich vor nichts Angst. Und wenn dem so wäre würde ich es nicht zeigen, aus Prinzip. Es sei denn Schlangen, aber diese Geschöpfe sind auch suspekt. Bewegen sich ohne Beine, töten aus purem Spass an der Sache und haben solch lidlose, tote Augen, dass man Sauron sofort mit Mary Poppins vergleichen und die Nachkommen in die Obhut geben würde.
Also, ich gestehe, vor Hunden habe ich einen gewissen Respekt, der Laie möchte dies als Angst interpretieren und wir haben wenige Zeilen vorher festgestellt wie intelligent Hunde sind, also werden sie in ihrer grenzenlosen Dummheit meinen grossen Respekt gewiss als Angst auslegen. Hunde merken dies, habe ich schon gehört. Ich bin willens, dies aufs Wort zu glauben.
Katzen mögen es nicht, wenn man sie anstarrt und ich drücke ihnen mein Vertrauen aus wenn ich den Blick abwende. Eine universelle Sprache, jede Katze weiss wie es läuft, aber Katzen sind ja auch klug. Starre ich diese kläffende Blödheit auf vier Beinen an, fühlt er sich provoziert und da er kein ‚Hesch Problem, Mann?‘ zu Gehör bringen kann, springt er mir einfach an die Kehle. Ignoriere ich ihn, glaubt er ich hätte Angst und bringt seine Überlegenheit dadurch zum Ausdruck, dass er mir an die Kehle springt. Er will nur spielen, würde der Ruf im Rauschen meines pulsierend strömenden Blutes ersticken.

Sitze immernoch hier, während das Fenster beschlägt, weil sich das Vieh heiser kläfft und in spielerischer Absicht mit seinen rasierklingenscharfen Krallen das Firmenlogo von der Tür kratzt. Ich höre schon sich auftrennendes Blech. Eine Katze faucht, man zieht sich zurück und die Sache ist klar. Nicht ein Hund, der kläfft sich die Kehle aus dem Stachelhalsband, man kann sich verhalten wie man will, entweder fühlt er sich bestätigt oder provoziert, Hauptsache Lärm.

Früher hatte ich einen Lehrling, welcher sich solcher Situationen annahm. Einerseits hielt er grosse Stücke auf diese Biester, sie pinkelten vor Freude beinahe gemeinsam auf den Vorleger, anderseits war er flink wie ein Wiesel und wäre mit seinen kurzen Beinen schneller als ein Eichhörnchen, die mochte er ebenfalls, auf dem nächsten Baum gewesen. Ein ganz famoser Bursche und ich vermisse ihn nicht nur wegen seiner hundepsychologischen Fähigkeiten.

Irgendwie habe ich es noch immer aus dem Wagen geschafft, in Clint Eastwood-Manier den extra langen Fünfer-Schlitzschraubenzieher lässig in der Metertasche tragend, die Hand bedrohlich über dem roten Griff schwebend.

Irgendwo auf der Welt ist gerade zwölf Uhr Mittags.
Staub bedeckt meine Caterpillar, während seine Hinterläufe leicht im Sand tänzeln.
Blasse Farbe auf einem verwitterten Schild, ‚Jeden Sonntag Zopf ab 9 Uhr, mit eigenen Eiern‘. Es schaukelt im leichten Wind, das Geräusch der Scharniere unterbricht die Totenstille mit schauerlichem Kreischen. Leise, anschwellend und abrupt wieder verstummend. Immer wieder.
Im Korral scheut ein Pferd, schlägt die Hufe in den Staub. Ein Bauer muss umhergehen, denn der Duft von frischer Jauche strömt um meine Nase. Die Sonne blendet, ich ziehe die Mütze tiefer in die Stirn. Feststellend, dass selbige keinen Schirm hat, aber die Gestik ist an Dramatik nicht zu überbietend.
Ein Traktor bewegt sich zur Linken in mein Blickfeld. Klein und grün. Mit einer gelben Schaufel und schwarzem Schalensitz, das ganze Gefährt keine fünfzig Zentimeter hoch. Fendt, 24 Valve. Auf dem Hänger, rot mit grauen Rädern, nehme ich Bewegung wahr. Ich lasse mich nicht beirren. Meine Augen zu Schlitzen verengt nehme ich den Hund ins Visier, er zeigt seine Reisszähne.
Ein Papiersack hebt sich aus dem Hänger. Blau. Mit weisser Schrift. UFA ‚Das Futter stimmt!‘.
Es ist kein Rathaus hier, keine Turmuhr, kein Klicken, kurz vor dem Sprung uf die Zwölf. Aber wir wissen es beide. Wenn der Sack zu Boden fällt, zählt nur noch die Geschwindigkeit. Muskelkraft wie ein Bär, die Schnelligkeit eines Pumas, die Reaktion eines Murmeltiers, die Instinkte eines Mungos, gegen einen von der Evolution übergangenen Haufen Fell auf vier Pfoten mit seinen Zähnen.
Der Staub wirbelt auf, mit dem Fallen der UFA ‚Das Futter stimmt!‘-Tüte, prallen wir aufeinander, das Krachen muss über Niederwil, bei Altiken, bei Andelfingen, bis nach Volken, bei Berg am Irchel, gehört worden sein. Stemmen die Beine in den Boden…

Hätte, wäre, wenn; Es ist ja nicht so, dass einem der Höllenhund aufrichtig gegenüber steht.
Nein, er fletscht die Zähne um einem, den Schwanz die Genitalien bedeckend zwischen die Hinterläufe geklemmt, zu umrunden. Blickt man ihm nach, suggeriert man Angst, bestätigt ihn und er beisst einem in den Arsch. Ignoriert man ihn, beisst er einem in den Arsch, weil in seinem bescheidenen Geist einfach nichts dagegen spricht.

Irgendwann wird das Vieh am Halsband genommen und in ein Zimmer gesperrt. Trotz seiner bescheidenen Fähigkeiten nimmt die Erkenntnis überhand, dass er wegen diesem Fremden in Schwarz in die gute Stube gesperrt wurde. Sitzt zwischen Gummistiefeln und dem Speckbrett an der Wand. Fünfundachtzig Jahre Turnverein Gumpetswil, dem getreuen Helfer Konrad. Nebenstehend ein Foto von einem Herren in Keilhose, Feinripphemd – Schweizerische Kreditanstalt – und Schirmmütze. GVS Gisenhard. Bei Truttikon. Bei Ossingen.
Sitzt und wird immer agressiver.
Bei jedem Passieren des Flurs wirft er sich gegen die Tür, der Rahmen zittert in Gebälk und ich weiss genau, wenn das gute Schloss der Schmiede Oberneunforn nachgibt, bin ich ein toter Mann. Die Katze umstreicht schnurrend die Beine, es gibt eine voll verrechenbare fünf-Minuten-Streicheleinheit. Katzen sind klug, beinahe unheimlich klug. Darum muss man sie auch nicht an Ketten legen, mit ihnen nicht zur Schule gehen und sie nicht registrieren.

Und sie verräumen ihre Scheisse selber, das wollen wir mal nicht vergessen, was für eine Überleitung.
Lehrte ich vor einiger Zeit eine Dame kennen. Etwas verstockt aber an sich ganz nett. Blond und schlank, eine Dänin eben. War zum Kaffee geladen, drückte mit dem Glockenschlag auf die Klingel, in der Hand eine Tüte Croissants, Schokogipfel, Berliner, Teilchen; Dänen stehen auf Süssgebäck, man bereitet sich schliesslich vor. Während die Klingel im modernen Betonbau die letzten Töne spielt, kläfft es giftig durch die Türe. Rechts und kehrt, über das Geländer springen und wie ein Schuljunge von dannen sprinten?
Die Klinke senkt sich, zu spät. Statt ein blondes, dänisches Model springt mich ein Flusenteppich mit platter Schnauze auf vier Beinen an. Es gereicht ihm einzig zum Vorteil, dass er zu klein ist um richtig zu stinken, so wie man es von einem Hund erwarten würde. Versteht mich nicht falsch, er stinkt selbstverständlich schon und toppt in Sachen Mundgeruch beinahe meinen ex-jugoslawischen Mitarbeit nach seinem bezwiebelten Standard-Werktagsmittagessen, nur eben nicht so stark wie ein nasser Schäferhund.

Eine Katze sitzt einem auf den Schoss, wenn man dies nicht mag geleitet man sie zu Boden und sie trollt beleidigt von dannen.
Einem Hund, welcher seine manikürten Krallen an meinen teuren Jeans wetzt ist man gnadenlos ausgeliefert. Von der gegenüberliegenden Seite des Tisches erklingt wohl im minutentakt ein ‚Ssssscht!‘ abwechselnd mit einem ‚Niiiicht!‘, den kleinen Kläffer interessiert dies nicht im geringsten. Mit eifrigem Kläffen und Kratzen verhindert er, dass auch nur halbwegs ein vernünftiges Gespräch in Gang kommt. Und wie soll man sich auf das einstudierte Balzen konzentrieren, während man im Augenwinkel einen kleinen Accessoire-Hund sieht, welcher seinen juckenden Anus über den Läufer zieht?

Das blonde Gift springt peinlich berührt auf, den Hund in seinem Tun zu stoppen und während man noch hinterher schaut um auf den Hintern zu starren, verflüchtigt sich der Eindruck wie eine Seifenblase im Ventilator. Man presst die Augen zusammen, schüttelt den Kopf unmerklich und schaut nochmals hin.

Haben sich nicht sämtliche Phantasien jetzt schon im Raum verloren, dann spätestens wenn sich die Dame bückt.
Draussen im Grünen.
Und mit der Hand in einer kleinen Plastiktüte Scheisse vom Gehweg klaubt.hunde

Über RAB

Ein Schreiberling mit nüchternem Blick auf das Leben, beim Versuch, selbiges aus satirischer Sicht etwas angenehmer zu bewältigen.
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