Heute war Zukunftstag in der Schweizer Arbeitswelt.
Früher nannte man dies Vater-Tochtertag, um Mädchen Einblick in die andere Seite der Berufswelt zu zeigen. Irgendwann wurde die Sache auf Mütter und Söhne ausgeweitet und heute bringt einfach jeder alles mit zur Arbeit.
Quasi den lebenden Beweis für die Zeugungsfähigkeitsbescheinigungs-Aufkleber auf der Heckklappe des Mini-Vans vorweisen.
So wuselten auch irgendwelche Gören durch meinen Bundesbetrieb und straften damit Darwin mit seiner natürlichen Selektion lügen. Nicht alleine, weil nach Darwin nur die Stärksten überleben, sondern auch die sexuelle Selektion, welche entscheidet, welche Lebewesen überhaupt einen Partner zur Fortpflanzung finden.
Möchte sagen; Wenn schon die Wahl auf einen permanent meckernden und notorisch unzufriedenen Bundesbeamten mit Bauch und schütterem Haar fällt, wie muss mich mir dies praktisch vorstellen?
Der Akt als solches bedingt immerhin eine gewisse Standhaftigkeit. Ganz zu schweigen davon, dass es bei allem Vergnügen doch auch ein Mass an körperlicher Leistungsbereitschaft voraussetzt. Wer sich gewohnt ist, aufzuhören, bevor es in Arbeit ausartet wird nie über die Ziellinie laufen. Auch der Blick auf die Uhr; „Lass uns für heute Schluss machen, morgen müssen wir auch noch was zu tun haben“ versetzt die Gattin wohl kaum in Ekstase.
Nun gut, wir lernen, auch Menschen, welche sonst nicht viel auf die Reihe bringen pflanzen sich fort. Lehrten uns eigentlich schon die Talkshows im Privatfernsehen und die jährlichen 4,5 Milliarden für Hartz IV sprechen für sich.
Angesichts dieser Erkenntnis frage ich mich natürlich, ob denn nicht gerade ich in der Pflicht stehen würde, meine Gene weiterzugeben. Perfekte Gene! Eine mensch gewordene Maschine mit unbegrenzter Leistung und überragender Intelligenz.
Gewiss, ich habe auch meine Fehler. Aber ich bin zuverlässig. Ich mache keine halben Sachen. Menschlich und beruflich. Warum übernehme ich denn in zwei Wochen die Einkaufsabteilung? Weil ich eine saubere Weste habe. Weil ich politisch in Ordnung bin. Weil ich alle Tricks kenne. Weil mir keiner was vormacht.
Selbstverständlich, bei neunzig Prozent der mit Nachwuchs gesegneten Paaren denke ich mir, uff, besser ihr als ich.
Kevin ist kein Name, sondern eine Diagnose
Da gibt es zum Beispiel diese Frau, ein wenig jünger als ich, welche in der Schule… wie soll ich sagen; Sie wäre nicht direkt Ballkönigin geworden, aber man wäre auch kein Sauhund gewesen.
Heute trägt sie Leggings, schwarz und abgewetzt, mit den obligaten Hundehaaren, weil dies wohl einfach bequem ist. Also die flexible Hose, nicht die Hundehaare. Man kann sie Tag und Nacht tragen und ist nur bedingt an eine Kleidergrösse gebunden. Schuhe von Billy, nimm drei, bezahl zwei und erhalte einen OTTO-Gutschein, eine Fleece-Jacke aus der Dienstzeit bei Denner rundet das Gesamtwerk ab. Das Gesicht erinnert an eine Wasserleiche, mit so viel Farbe bestrichen, als würde Bob Ross im Spiegelschrank sitzen.
Gewiss hat der ‚NEIN NICHT‘-Justin auch einen Daddy, kaum denselben wie die Mandy-‚Komma her!‘ und ob dieser oder eben jener noch das Ausziehsofa mit der adretten Mama teilt, entzieht sich meiner Kenntnis.
Genau da drin liegt eine meiner Hemmschwellen. Nicht, dass ich einer kognitiv beeinträchtigen Plattenbauprinzessin einen Balg anhänge, sondern, dass ich dereinst in einem Plattenbau hause, weil 80 Prozent meines verfügbaren Einkommens per Gesetz an die Mutter meines Nachwuchses überwiesen wird.
Und dieses Schicksal kann jeden treffen. Zumindest glaube ich nicht, dass Mann dies bereits schon so kommen sieht, wenn er auf der Pont des Art einen Kniefall macht. Heulte sich doch Montags ein Arbeitskollege bei mir aus, er hätte seine Kinder nicht sehen dürfen, weil die einstige Partnerin fürs Leben, mit Unterstützung ihres neuen Lebensabschnittspartner, die Kinder gegen ihn aufgehetzt habe. Und er ist nun wirklich einer dieser Menschen, welche einem stets zur Hand gehen und auch noch ihr letztes Hemd geben würden. Gibt er wortwörtlich, denn seit der Trennung dreht er den Rappen zweimal um.
So musste ich Montags fünf Minuten nach sieben eingestehen, so furchtbar war mein eher langweiliges Wochenende gar nicht.
Dann sind noch die zehn Prozent der Bilderbuch-Familien. Jene, bei denen einfach alles rund lauft. Wenn diese stolpern, dann nur, um den Goldklumpen zu finden, welcher im Weg lag.
Schleppt der TCS ihre Karre in die Werkstatt, sind sie die hundertdreiundzwanzigsten Kunden, was ihnen einen nigelnagelneuen Mini-Van und Tankgutscheine für drei Generationen beschert.
Und stirbt der Ur-Opa, tröstet neben den zehn Millionen noch dieses hübsche Häuschen am Bergsee über den Verlust hinweg.
Glücklicherweise bin ich nicht so naiv, diese Krankenkassen-Werbe-Flyer-Familien als Standard zu sehen.
Nichts desto trotz, sind es natürlich diese Eindrücke, welche einem dann manchmal überlegen lassen, ob man vielleicht nicht etwas verpasst.
Aber ich denke, solange mir Win-for-life nicht die monatliche 4000-Franken-Rente schenkt – und ich arbeite wirklich hart daran, bei jeder Tankfüllung investiere ich 5 Franken – nehme ich dies als Wink des Schicksals.
Und irgendwann ist man für solchen Kinderkram dann auch zu alt.
Nicht, dass es dann heisst ‚So, begleitest du deinen Opa an den Zukunftstag?‘