Neulich, beim Verkehrsmedizinischen Check

Heute wurde ich zur medizinischen Fahrtauglichkeitsprüfung geladen. Wer immer von Gesetzes wegen zugelassen ist, ein Fahrzeug von mehreren zehn Tonnen zu lenken, muss dann und wann von einem staatlich zugelassenen Medizinmann eine Bescheinigung einholen, dass er auch noch 2 Meter nach der Frontscheibe klarsieht und im Fuss kein Taubheitsgefühl aufweist.

Was meine Künste im Lenken eines LKWs anbelangt, würde ich nicht zwingend die Hand ins Feuer legen. Auf dem Panzer bin ich sattelfest, aber dieser lenkt sich auch wie ein Go-Kart. Er ist kompakt, hat nahezu keinen Überhang oder grossen Radstand, ist übersichtlich und man fühlt sich schon sehr sicher. Denn mal ehrlich; Was da so am Strassenrand entlang aufgebaut ist, von Hinweistafeln über Ampeln und Alis Gebrauchtwagenhandel kann einem nicht viel anhaben. Jedenfalls nichts, was mit einer Spraydose ALN 612-5878 nicht wieder aus der Welt geschafft wäre. Dies gibt einem schon ein sehr sicheres Gefühl.

Aber LKW lenke ich dann schon eher selten. Geschweige denn, dass ich noch einen Hänger am Hinterteil habe. An der Prüfung vor gut vier Jahren, ich legte diese Zusatzprüfung nur ab, um irgendwann einmal einen Sattelschlepper zu lenken, habe ich das letzte Mal einen zweiachsigen Anhänger bewegt und wie ich es geschafft habe, den begehrten Ausweis zu erhalten, kann ich mir heute noch nicht erklären. Ich schaffte es, das komplette Gespann auf einem Parkplatz zwischen Fahrzeugen so zu verkeilen, so dass ich den Experten bitten musste als Abstandswarner zu fungieren. Auch die Ladungssicherung war Thema. Natürlich ist die Ladung auf dem Fahrschul-LKW so ziemlich fix montiert, entsprechend verzurrt, dass da überhaupt nichts rutscht und springt. Folglich warf ich auch nur einen kurzen Blick in den Container, bestätigte im Brustton der Überzeugung, dass alles fest sei und fuhr los. Bis bei der nächsten Bremsung eine Ladungssicherungsstange mit lautem Getöse quer durch den Anhänger flog und mein Experte mit den Augen rollte und meiner Nervosität solchen Vorschub leistete, dass ich die nächsten drei Verkehrskreisel beinahe auf dem kürzesten Weg nahm.

Nun das ist vorbei und der Teufel soll mich holen, wenn ich diesen Ausweis jemals wieder freiwillig aus der Hand gebe.

Deswegen muss ich alle 5 Jahre zum Verkehrsmedizinischen Check.

Heuer war mein erster. Ein klein wenig nervös, klar. Doch dann sagte ich mir, wenn ich meinen Blick so durch den Strassenverkehr streifen lasse, was da so alles auf dem Bock sitzt, vom ächzenden fettleibigen Polen bis zum sturzbetrunkenen Russen, kann der Untersuch ja nicht so dramatisch sein.

Ich hätte Wasser zu lösen, teilte man mir am Telefon mit.

Kein Problem. Eigentlich. Doch die Terminabsprache mit meiner Blase war dann doch eher schwieriger, eine halbe Stunde vor dem Termin war ich der festen Überzeugung, wenn ich nun der Natur nicht gleich ihren Lauf lasse, trage ich unreparierbare Schäden davon.

Die Erleichterung war grenzenlos, doch war nun die Hürde, bis um 14 Uhr wieder eine messbare Grösse an Harn zu produzieren, ohne dabei auf Bier zurückzugreifen. Glücklicherweise haben energiereduzierte, ich spreche von widerlichen Phenylalaninquellen, Energydrinks eine ähnliche Wirkung auf meinen Drang.

Allerdings machte ich mir dann wiederum Sorgen um den Blutdruck, wenn ich ein paar Dosen Red-Bull konsumiere. So griff ich zum Himbeersirup zero, in der Migros erhältlich und die Zusatzbezeichnung bezieht sich auf den Zuckergehalt wie auch Geschmack gleichermassen, füllte ein Glas 50:50 und leerte dies in zweifacher Ausführung in einem Zug. Um der Sache noch etwas Druck zu machen, kippte ich einen halben Liter Wasser hinterher. 13:45, keinen nennenswerten Veränderungen in meinem Wasserhaushalt. Also kippte ich noch einen Kaffee hinterher, nahm eine Flasche Wasser unter den Arm und begab mich zum Onkel Doktor.

Auf dem Parkplatz nochmals ein paar ordentliche Schlucke und mit Elan durch die Praxistür und gleich mit dem kleinen Becher zur Toilette, denn nun setzte die Wirkung ein.

So der Plan. Nicht einkalkuliert habe ich Corona. Da standen 5 Leute im ordentlichen zwei-Meter-Abstand zwischen mir und der Empfangstheke. Alle haben die 60 überschritten und so sie nicht in kleinen tippelnden Schritten gingen, schleppten sie sich an Krücken vorwärts. Der Arztbesuch war ihr Nachmittagsprogramm und entsprechend viel Zeit, also bis zur Nachtruhe um 17:30, haben sie auch mitgebracht.

Allmählich begann ich zu tänzeln.

Ah, der Verkehrsmedizinische Untersuch, gleich da links bis ganz hinten im Gebäude.

Zielstrebig steuerte ich mit festem, aber doch bewegungsarmen, nicht dass was überschwappt, Schritten begab ich mich ganz nach hinten.

Bitte nehmen sie doch einen Moment Platz.

Natürlich. Wie konnte ich nur annehmen, dass sich gerade heute etwas von einem normalen Arztbesuch unterscheiden würde.

Nach fünf Minuten, die Zierbrunnen plätscherte fröhlich vor sich hin, kam eine Dame und hinter dem Mundschutz erklang es «Haben sie schon Wasser gelöst?». Nicht? Na, dann hopp nach vorn zur Anmeldung, es reihten sich weitere Rentner ein, und das Becherlein geholt.

Wenigstens verleiten einem die Rentner nicht zu hektischen Bewegungen.

Erwähnte ich schon, dass es mir langsam peinlich war, vor Hinz und Kunz über das urinieren zu sprechen? Es ist ja nun nicht ein Thema, welches in einer netten Runde diskutiert wird, darüber hinaus fühlte ich mich, wie ein Junkie auf Bewährung.

Ah, gehen sie nach rechts, ganz nach hinten im Gebäude zum Labor. Dort kriegen sie den Becher. Sprachs, während im Hintergrund eine ihrer Kolleginnen laut plätschernd eine Tasse spülte und meine Halsschlagadern langsam anschwollen.

Beinahe ganz hinten hatte ich mich geringfügig verlaufen und erkundigte mich bei einer weiteren Dame nach dem Labor.

Gleich hier, wies sie auf eine offene Tür, welche ich vorher schon bemerkt hatte, aber die drei Rentner, welche dort drinnen an irgendwelchen Schläuchen hingen irritierten mich etwas. Oh, ist besetzt. Nehmen sie doch einen Moment hier Platz.

Leicht verkrampft sass ich auf dem Stuhl, während sie geräuschvoll die Topfpflanze zu meiner rechten aus einer neckisch kleinen Giesskanne tränkte.

So, Herr Huber, nun wollen wir ganz langsam aufstehen…. klang es aus der offenen Tür.

In der Zeit, zwischen dieser Aufforderung und dem vorbeischlurfen des Herr Huber in Filzpantoffeln hätte ich gut eine Toilette bauen können. Hätte ich mich getraut die Körperposition zu verändern.

Ich vermochte nicht zu warten, bis ich aufgerufen wurde.

Mit einem «Pardon» trat ich in das Labor und teilte mit, dass ich hier einen Fall von einer gewissen Dringlichkeit hätte.

Ah, der Herr… Endlich.

Endlich?
Aber da war keine Zeit zu diskutieren. Da vorne ist die Toilette, wir stellen ein Becherchen in die Durchreiche.

Hat irgendwie was widerliches. Eine Durchreiche für Becher voller Urin. Da gab es einen kleinen Diskretion-wahrenden Metallschieber, welcher zur Seite geschoben wurde. Der Anleitung zufolge noch vor dem Hände waschen, was es nicht weniger ekliger machte. Sprich, jeder, der sein Becherchen nicht mit einer Geschicklichkeit wie sie mir eigen ist füllte, fummelte danach mit seinen nassen Pfoten an diesem Schieber rum.

Glücklicherweise war mir das im Moment so lang wie breit und noch nicht einmal die Gewissheit, dass die Labordame nur 5 Millimeter Blech entfernt lauschte, was ich in diesem Toilettenhäuschen so anstellte, konnte meine Glückseligkeit ob der Erlösung trüben.

Wir überspringen weitere Details.

Wieder am anderen Ende des Gebäudes durfte ich zum Sehtest. Oben, links, rechts, unten… Augen wie ein Falke, kein Problem. Obwohl ich beim «Made in Germany» unten rechts ganz kurz ins Stocken geriet.

Weiter zum Hörtest.

Es pfeift aufs Ohr, die Dame spielt D-Jane am Mischpult und sobald ich den Ton nicht mehr höre, muss ich mich zu Wort melden. Dann gibt es einen Punkt auf den Zettel und das nächste Frequenzspektrum ist an der Reihe.

Also eigentlich kann man dabei taub wie ein Minensprengmeister sein. Bei der dritten Frequenz stellte ich fest, dass die Punkte, an welchen mein Gehör den Dienst quittierte, irgendwo bei der stilisierten Fledermaus, stets auf derselben Höhe sind und die Dame verbarg das Auswertungsblatt so gut, wie der Dealer den Flop beim Poker.

Irgendwie brach der Sinn für ein faires Spiel bei mir durch, und ich starrte zur Decke und richtete mein «Stop» nicht nach dem Punkt auf dem Auswertungsblatt.

Aber der sinnloseste Test stand mir erst noch bevor.

Konsumieren sie Drogen?

Ähm was?

Nicht, dass ich die Frage nicht verstanden hätte, aber welche Antwort erwartet die gute Frau Doktor? Fragt der Bankdirektor den Jobanwärter, ob er dann und wann auch mal gerne in die Kasse greift, sagt dieser wohl «Ui, jetzt haben sie mich aber erwischt… Verflixt nochmal»? So wenig wird wohl ein Chauffeur, auf das Billet angewiesen, sagen; Ja doch, ein Joint am Tag muss schon sein.

Auch die Frage nach meinem Alkoholkonsum, Schwindelanfällen, gelegentliche Ohnmacht tagsüber und Orientierungslosigkeit im Allgemeinen schien mir doch etwas sehr naiv.

Aber ich möchte sagen, für 135 Franken Pauschale kriegt man ganz schön viel Aufmerksamkeit.

Nun ziehen sie bitte die Schuhe, die Hosen, die Socken und das T-Shirt aus. Nur noch mit meiner Würde und einer Boxershorts bekleidet wurde die Prozedur fortgesetzt.

Herzgeräusche, Lungengeräusche, den Drehradius meines Kopfes, es wurde beinahe alles vermessen. Und mit beinahe alles meine ich, dass auch das Arbeiten meiner Verdauung abgehört wurde. Also wäre da nur ein Ansatz von Verschwörungstheoretiker in mir, es hätten alle Alarmglocken schrillen müssen.

Aber das einzige, was einem Klingeln noch am nächsten kam, war eine Art Stimmgabel an meinem Fuss und, welche vibrierte und ich sagen musste, wie lange ich die Vibration spürte. Wozu dieser Check gut sei, vergass ich in meiner allgemeinen Verwirrung zu fragen.

Welchen Sport ich treibe, wollte sie noch wissen, dann war die Sache abgeschlossen und ich darf für 5 Jahre wieder auf die Strasse.

Nach diesem Test frage ich mich offen, warum man in Lastern mehr Bud Spencers als Lincoln Hawks sieht. Aber dies kläre ich in fünf Jahren dann.

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Neulich im Bundesbetrieb

Seit einiger Zeit stelle ich einen kleinen Arbeitsrückgang fest. Ich darf präzisieren, die Menge an zu erledigenden Tätigkeiten scheint mir abgenommen zu haben. Selbstverständlich würde mir jeder Mitarbeiter bestätigen, dass die Arbeitsbelastung seit dem Jahr 1973 einer stetigen Zunahme unterliegt. Was insbesondere beeindruckend ist, da der langgediente Angestellte schon seit 44 Jahren komplett am Anschlag läuft und nur von seinen Reserven zehrt.
Mitarbeiter mit mehr Dienstjahren kann ich leider nicht auftreiben, ja selbst der Club der Elite, jene mit mehr als 40 Jahren, ist ein kleiner, überschaubarer Kreis. Es ist ein Fakt, dass der normale Bundesangestellte ab fünfzig Jahren beginnt auseinanderzubrechen.

Hier hat die Gewerkschaft kläglichst versagt. Während ein Bauarbeiter aufgrund der hohen körperlichen Belastung mit 60 Jahren in Pension gehen darf, werden Standschäden an Bundesangestellten sträflichst vernachlässigt.

Im 1. Stock meines Betriebsgebäudes sitzt ein freundlicher Herr auf einem Stuhl. Also im Wesen ist er ein guter Kerl, doch die Flut an administrativer Arbeit, welche Tag für Tag durch das Patchkabel auf seinen Rechner quillt lässt ihn bereits um neun Uhr aussehen, als wäre er drei Mal in einen kalten Fluss geklatscht und danach ordentlich gewalkt worden. Dies schlägt sich auf seine Laune nieder und ich bin ihm noch nie über den Weg gelaufen, ohne, dass er mit den Augen gerollt hätte und ein erschöpftes „mein Gott“ über seine Lippen hauchte. Gefolgt von einem kräftigeren „Diese Austrittsöffnung des Darmkanals“. Natürlich benutzte er den geläufigeren Ausdruck der Umgangssprache im Plural und bezieht es auf Bedienstete in höheren Lohnklassen in der Bundeshauptstadt.

Nun ist diesem Herren kürzlich aufgefallen, dass er an einer Entzündung der Achillessehne leidet. Wie lange er dieses Gebrechen schon mit sich trägt lässt sich nicht datieren, denn um dieses Leiden überhaupt zu diagnostizieren muss man sich bewegen und da liegt der Hase im Pfeffer.
Die fünf Höhenmeter in den oberen Stock überwindet er mit dem Warenlift. Für die regelmässige Zigarette verlässt er diesen um ungefähr drei Schritte. Gerade soweit, dass sich der linke Türflügel noch schliessen lässt und er sich erschöpft an die Aussenfassade lehnen kann. Da er nun noch langsamer und mit kürzeren Schritten tippelt, sind es vielleicht ein paar mehr.
Die grösste Gehdistanz beträgt etwa dreissig Meter. Soweit ist die Stempeluhr vom Lastenaufzug entfernt. Des Abends, also um 15 Uhr, absolviert er diesen Distanzmarsch jedoch nur mit mehreren Pausen um sich mit Arbeitskollegen auszutauschen. Auf dem Hinweg, versteht sich. Kaum ausgestempelt, flitzt er wie ein Wiesel auf den Parkplatz. Zwanzig Schritte auf der anderen Seite des Lastenaufzugs.

Ein weiterer Kollege von mir kann die Hand nicht vollständig öffnen. Eine lustige Erkrankung für einen Bundesangestellten. In etwa wie ein farbenblinder Maulwurf; Die Chance, dass der Maulwurf dies überhaupt einmal feststellt ist dann doch eher klein.
Dieses Hand-nicht-öffnen-Syndrom begleitet den Herren nun schon seit mindestens vier Jahren, so lange bin ich dabei, was darauf schliessen lässt, dass es ihn in der täglichen Arbeit nicht wirklich einschränkt. Um so diebischer freut er sich auf die Operation, man kann dies anscheinend beheben, welche ihn für Monate aus dem Arbeitsprozess nehmen wird. Wobei man sich fragt, woran ein Bundesangestellter überhaupt merkt, dass er sich gerade in einem Arbeitsprozess befindet.

Nun, ein Gespür für die Präsenzzeit haben die Bundesangestellten ja eigentlich schon.
Nicht zuletzt, weil er seine Verdauung dahingehend konditioniert hat, dass der Stuhlgang in die betriebliche Präsenzzeit fällt. Mit dieser Glanzleistung, verzeiht den Ausdruck, scheisst er sich jedes Jahr zwei Wochen zusätzlichen Urlaub zusammen.
Darüber hinaus wird er im Beurteilungsgespräch für seine hohe Präsenzzeit sowie das vorbildliche Zeitmanagement gelobt. Verbucht er seine zu erwartenden gestuhlten Stunden doch bereits im Voraus, was ein überborden des Gleitzeitsaldo verhindert. Gott bewahre, dass der arme Kerl irgendwann an Verstopfung leidet. Die mit dem Lob verbundene Prämie kann er gleich nutzen, seinen Bungalow in Bangkok zu bezahlen.

Dass ich in den letzten vier Jahren nichts gelernt habe, zeigte sich gestern wieder. Aufgrund einer zu erledigenden Arbeit liess ich das jährliche firmeninterne „Eiertütschen“ aus, immerhin eine Stunde Arbeitszeit welche man mit sitzen und Essen verbringen könnte. Dadurch war mein Auftrag zeitgerecht erledigt und ich beschloss gegen zwei Uhr, meinen Gleitzeitsaldo abzubauen und nach Hause zu gehen.
Mitarbeiter T, welcher sich gerade vor seinem Bildschirmschoner in eine bequemere Position fläzte, erklärte mir, man muss schon sehr bescheuert sein, wegen mangelnder Auslastung früher nach Hause zu gehen. Es wäre ja nicht sein Problem.
An meinem Lenkungsgespräch wird mir der mangelnde Teamgeist, immerhin habe ich keine Eier getütscht, und der niedrige Gleitzeitsaldo – arbeitest nur das Minimum, wie? – wohl zum Verhängnis und mit Prämienausschüttung wird dies nichts.

Nun ist es natürlich so, dass nie keine Arbeit anliegt.
„Irgendwas gits immer ztue“ muss irgendwo auf einem Betriebsflyer stehen. Im Notfall können wir immer noch uns selbst verwalten und dies wird im Moment wieder auf biegen und brechen betrieben.
Gerade in Zeiten wie diesen ist es wichtig, dass Abläufe korrekt eingehalten werden.
Wie in jedem grösseren Betrieb gibt es die Linie, welche sich nach der arbeitenden Unterschicht über fünf Führungsstufen erstreckt. Von der ersten Führungsstufe hört man selten etwas. Die sitzt im Rang eines Divisionärs in Bern. Die Aufgabe der dritten Stufe besteht darin, die Anweisungen der zweiten Stufe in Worte zu fassen und sie ihrem Stellvertreter zu mailen. Dieser versieht die Mail mit Signatur und dem Text ‚Zur Kenntnis‘ oder ‚Zur Info‘ und leitet sie weiter an die vierte Stufe.  So geht das Spiel weiter, bis die Nachricht in der Arbeiterschicht anlangt.
Man scrollt sich durch bis zu sechs Signaturen und ‚Zur Kenntnis‘ bevor man bei der eigentlichen Information landet. Und selbstverständlich gibt es überall diesen einen Mitarbeiter, welcher einen Packen Papier holt und die ganze fünfseitige Litanei ausdruckt und an ein Anschlagbrett hängt.
Und spätestens am Folgetag erhält man einen Anruf, ob man das Memo auch gelesen habe.

Ist der Information noch eine Anweisung angehängt, muss das Spiel den umgekehrten Weg wieder zurück gehen. Die Linie darf keinesfalls übersprungen werden.
Ab der Führungsstufe 5 nach oben spricht man liebevoll von Durchlauferhitzern.

Ebenfalls Donnerstags, ein ereignisreicher Tag, wurde ich Zeuge, dass die Bürokratie noch lange nicht absurdum getrieben wurde.

Mittels eines fünfseitigen Mails wurden wir aufgefordert, die Betriebsstunden der Stapler zu melden. Angehängt war eine Excel-Liste um die drei Ziffern einzugeben. Da die Liste jedoch angehängt und nicht verlinkt war, kam man nicht darum herum, eine Arbeitskopie mit den Daten zu speichern und selbige zu senden. Darauf hat der Datensammelnde irgendwann nächste Woche fünfzig Listen in seinem Posteingang, auf jeder stehen drei Ziffern.
Meinem Arbeitskollegen stiess nicht dieses Prozedere sauer auf, sondern die Tatsache, dass für seinen Stapler ein falscher Betriebsort hinterlegt war. Eine rein buchhalterische Sache, braucht ihn nicht zu kümmern. Es sei denn, er hat sonst keine Sorgen und genau dies schien der Fall zu sein.

In der Hoffnung, bei ihm wäre besagte Liste vielleicht verlinkt und nicht angehängt, trat ich also an seinen Schreibtisch.

Musst du auch eine Arbeitskopie speichern, oder haben sie bei dir die Liste verlinkt?
Nein, ist sie nicht und dazu den falschen Betriebsort! Aber dem zeige ich es jetzt!
Wie denn?
Er soll so richtig Aufwand haben! Ich habe das Mail ausgedruckt.
Aha.
Nun schreibe ich die Betriebsstunden mit einem Kugelschreiber; er suchte ihn in der Tasche, auf das Mail und scanne es.
Und dann?
Dann sende ich es vom Scanner auf mein Mail, dort speichere ich es als PDF und sende dieses in einem Mail an B. zurück!
Dir ist aber schon klar, wer bei der grossen Inszenierung den grossen Aufwand hat?
Ja der B.!
Warum der?
Er muss die Zahl in seine Liste schreiben und kann sie nicht einfach kopieren.
Aber wir sprechen schon von drei Ziffern, oder?
Ja!
Und du betreibst den ganzen Aufwand, dass er drei Ziffern tippen muss?
Ganz genau!
Und wer hat nun den wirklichen Aufwand….
Na er! Und es ist mir scheissegal…

Ich brauchte eine Minute um zu realisieren, dass er wirklich dachte, er hätte dem B. jetzt so richtig eins ausgewischt. Und weitere zehn Sekunden um einen Raum weiter zu gehen, bevor es mich buchstäblich zerriss.
Ich lachte, bis mir der Bauch schmerzte. Und wann immer ich an den Dialog dachte, ging es wieder von vorne los. Irgendwann trat ich zu ihm hin und dankte, dass er mir den Tag gerettet hätte. Sein Engagement sei etwas vom witzigsten, was ich seit langem gehört hätte.
Es wäre ihm scheissegal, dass…. entgegnete er wieder und ich musste schnell meinen Schluck Kaffee in den Magen befördern bevor ich erneut losprustete.

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Ein Schaffhauser in St. Moritz

Nun habe ich es getan; Ski-Urlaub in St. Moritz.
Ja, lasst es euch auf der Zunge zergehen, ich war im mondänen Top of the world.

Einen Punkt auf meiner Bucket-List abgehackt. Nicht, dass ich die nächsten Jahre gedenke das Besteck zurück zu legen, doch kratze ich nur noch ein paar wenige Tage unter der Hälfte der durchschnittlichen Lebenserwartung eines durschnittlichen Schweizers. Da darf man sich schon Gedanken machen. Wobei, in der Hälfte der Schulzeit denkt auch noch niemand daran für die Abschlussprüfung zu lernen, also hoch die Tassen.
Jedenfalls pflegte ich stets die Meinung, einmal muss man seinen Ski-Urlaub in St. Moritz verbringen. Dann hat man es geschafft. Flitzte denn nicht schon Roger Moore als britischer Spion über die verschneiten Hänge des Oberengadin?
Nun, es war kein richtiger Urlaub, lediglich vier Übernachtungen. Und bereits nach der ersten wusste ich, wieso der Prince of Wales nach Klosters fährt.

Als Unterländer stellt sich schon die Frage, lässt man seinen Wagen von der RHB durch den Vereina transportieren, oder ist man ein Mann und flitzt über den Julier. Mit meiner aktuellen Winterbereifung würde ein auf Sicherheit bedachter Formel 1-Pilot bei Regen in die Box fahren, aber wozu hat man denn Schneeketten.
Mein Vater, der Beste von allen, hat mich in der Kunst des Aufziehens von Schneeketten unterrichtet. Vor 22 Jahren. Und auch dies nur im Rahmen der allgemeinen Fahrausbildung.
Der durchschnittliche Unterländer, also jener mit dem „DAVOS“ oder „LAAX“-Schriftzug nebem dem ZH-Nummernschild, kauft sich ja gerne ein SUV, weil er in einer der erwähnten Destinationen eine Ferienwohnung besitzt. Warum man deswegen einen Schriftzug auf den Wagen packt wissen wohl nur die Zürcher. Wie sagte Zuccolini; Es fährt kein Bündner mit einem „Bülach“-Schriftzug durch die Lande. Auch die „Wo ich hin will – Hinwil“-Aufkleber liegen wohl wie Blei in den Regalen. Eigentlich unverständlich, ist denn Zürich nicht der Nabel der Welt?
Der bergwelt-subventionierende Zürcher steht also im Auto-Center Wetzikon und sagt ja zum Offroad-Paket mit 4×4 und der manuellen 80%-Differenzial-Sperre.
Im näheren Umfeld unserer Feriendestination, da dieser kleine Ort keinen Souvenirshop betreibt ist meine Heckklappe leider nicht entsprechend beschriftet, bestand bis vor kurzem die Schneeräumung darin, dass der Schnee vor der Dorfbeiz flachgetreten wurde. Dennoch erreichten wir das Ziel stets mit einem langweiligen Fronttriebler ab der Stange.

In meinem Kofferraum liegt also dieser Koffer mit der Schneekette, gefüllt mit der Hoffnung, dass selbige auch passt und versiegelt mit einem Werks-Kabelbinder, welcher mich wohl an den Rand der Verzweiflung bringen würde.
Mein Stangen-Fronttriebler brachte uns elegant auf die Passhöhe. Mit den modernen Fahrhilfen ist dies auch kein Problem mehr. Sollte man meinen. Der elegante 911-er welcher nach Bivio noch mit röhrendem Boxer vorbeizischte um später verquer auf einem Parkplatz zu stehen, würde uns vielleicht Lügen strafen.
Die Fahrt nach Silvaplana war dann eher eine Rutschpartie, aber dank eines Sattelschleppers vor mir geriet ich nicht erst in Versuchung die Grenzen auszuloten. Oder anderst ausgedrückt, Mani mit dem Brummi liess mich meine Männlichkeit bewahren. Ich konnte immer noch sagen „I wür ja scho füra, aber i mag eifach nid!“

Da vorne rechts, sagte meine Begleitung, als wir auf der Höhe des Kempinski-Hotels waren.
Hatte ich da bei der Offerte den Namen falsch gelesen?
Und dann gerade aus…
Also vorbei am Kempinski, vorbei am San Gian, vorbei am Reine Jungfrau und links in das Laudinella. Ist ja auch ganz nett und ich bin davon abgekommen, dass es immer das Teuerste auf dem Platz sein muss. Was natürlich nichts mit meiner Erwartungshaltung gemein hat, dass nicht auch das Billigste das Beste sein muss.
Dennoch, sind wir ehrlich, gerade beim Skifahren schläft man im Etablissement, geht morgens raus und Abends torkelt man hackedicht wieder zurück. Solange da keine Etagendusche steht und man die Toilette nicht mit dem Nachbarzimmer teilen muss, ist man doch ganz zwecksmässig untergebracht.
Sprich, ein Urlaub in St. Moritz muss nicht teurer sein als in Davos. Das klingt nur so.

Wenn wir gleich bei Davos sind; Der prättigauer Kurort ist wohl die einzige zivilisierte Gemeinde, in welcher man während der Wintersaison trotz gefüllter Brieftasche gemütlich verhungern kann. Spontan einen Tisch zu finden ist ein Ding der Unmöglichkeit.
In St. Moritz, respektive im Laudinella ist dies anders. Selbstverständlich haben sie Platz. Sie parkieren einem einfach zwischen Salatbuffet und der Eingangstür im Durchzug der frischen Engadiner Bergluft, bis ein Tisch frei wird.
Seine Worte hat man bei der Bestellung mit Bedacht zu wählen. Besser fährt man, wenn man des portugiesischen mächtig ist. Ein lautes Nachdenken oder gar Nachfragen endet darin, dass der Kellner schlichtweg alles anschleppt, was man im Verlauf der Bestellkonversation einmal erwähnt hat.
Ein Engadiner Bier oder meinetwegen ein Calanda sucht man vergebens, man hat sich mit einer eingeschleppten Franziskaner Pfütze zu begnügen. Dafür kriegt man hier aber auch Pouletbrüste welche einem Bein unglaublich ähnlich sehen. Der Knochen am Brustfilet lässt auf Ukraine-Import oder einen lausigen Speisekartenlektor schliessen.

Wir logierten in einem Eckzimmer und dies leistet sich nun auch nicht jeder. Gut, es wurde uns zugeteilt. Die hinterste Türe im äussersten Flügel des Anwesens. Solche Dinge pflege ich unbewusst persönlich zu nehmen.
Dass sich besagtes Eckzimmer auch noch direkt über der Anlieferung befand, wurden wir erst am Freitag Morgen gewahr. Als gegen sieben Uhr der befliessene Paco sämtliches Leergut entsorgte. Gewissenhaft nach Farben sortiert und mit morgendlichem Elan in den Glascontainer beförderte. Jede Flasche einzeln.
Kaum fertig kam die Wäschelieferung. Auf einem grossen Truck, welcher mit lauter Rückfahr-Sirene sehr langsam die Rampe anfuhr. Dies alles konnte ich feststellen, ohne einen Blick aus dem Fenster zu werfen. Der Radiator hat zwei Stellungen. Lava und Antarktis. Weswegen wir das Fenster öffnen mussten und ich quasi mittendrin im Geschehen war. Das Ventil des anderen, unser Etablissement hatte doch eine gewisse Grösse, pfiff je nach Stellung über 13 Halbtonschritte durch die Suite. Nur ein konsequentes Schliessen sorgte für Ruhe.

Da gibt es diese eine Komponente eines Hotelzimmers, welche noch nie erfüllt wurde. Wobei das Südamerika-Themenzimmer im Bell Rock des Europa-Park nah dran war, aber auch nur, weil man fünf Minuten brauchte um die Suite zu durchschreiten. Ich spreche von einer vernünftigen Trennung des Bades, möchte beinahe Nasszelle sagen, von den Wohnräumlichkeiten.
Und wenn ich von einer vernünftigen Trennung spreche, meine ich vor allem Schallisolation. Unter uns, man kann sich noch so mögen, gewisse Grenzen müssen bestehen bleiben. Nur ist es schwer diese zu wahren, so zwischen Toilette und Bett nur ein Vorhang hängt.
Natürlich waren da Angeln und eine Klinke, aber dieses Stück Balsaholz, versehen mit zwei Lüftungsgitter durch welche man sich ungezwungen zuwinken konnte, hatte mit einem Vorhang mehr gemein, denn mit einer Tür.
Der Lärm der Lüftung stand in keinem Verhältnis zur Abzugleistung, war aber immernoch zu leise um einem wenigstens eine akustische Privatsphäre zu gönnen.
Natürlich, aus Rücksicht aufeinander guckt man dann das regionale Wetterfenster im TV mit erhöhter Lautstärke, doch kommt man um eine gewisse Verkrampftheit nicht herum.

Doch sonst war das Zimmer nett. Nach einem verrücken der zwei Bettstellen, es geht doch nichts über ein konservatives Bsuechergräbli, fanden wir auch die Steckdosen um unsere Smartphone zu laden.

Fünfundneunzig Prozent der Hotelgäste verprassten hier die Rente, es war dann wohl auch der senilen Bettflucht geschuldet, dass der Frühstücksraum bereits um neun Uhr komplett überfüllt war.
Doch ich will mich nicht beklagen. Wohl verschütten sie auf dem Weg zum Tisch die Hälfte des Kaffees und das Rührei wirkt schluckfreundlich püriert, aber zumindest spielen sie nicht schreiend fangen zwischen Brotkorb und Früchtetheke. Rollator sei Dank.
Darüber hinaus war das Frühstücksbuffet wirklich nahezu oppulent und liess keine Wünsche offen. Davon abgesehen, dass sie das Ei nur gerade zufällig sechs Minuten lang kochen. Es ist eine Lotterie.
Für die Flachländer; Auf 1800 Meter liegt der Siedepunkt von Wasser etwas über 90 Grad, daher lässt man das Ei eine Idee länger schwimmen.

Ab auf die Piste.
Ein Winterfahrplan für den Skibus lag nicht auf, also stiefelten wir den halben Kilometer zur Signalbahn in Skischuhen. Um mittendrin vom Bus überholt zu werden, welcher wohl doch öfters als nur alle halbe Stunde fuhr.
So nebenbei, man kann mit dem Postauto von St. Moritz bis Chur fahren. Wenn man 150 Minuten Zeit hat. Spätestens bei Marmorea beginnt man zu heulen, vertraute mir meine einheimische Begleitung an.

Es ist ein Wunder, dass ich überhaupt das Drehkreuz an der Signalbahn passieren durfte.
Also mit den Stöckli-Skiern brauchte ich mich nicht zu verstecken. ‚Da bisch agleit‘ sagen wir in unseren Breitengraden. Die Salomon-Skischuhe, waren bei Athleticum im Angebot, gehen ja auch noch. Sind sie doch zu zwei Dritteln unter der Hose. Doch da beginnt es. Eine viel zu weite Salomon-Hose, auf dem linken Oberschenkel die Rückstände einer halben Flasche Calanda Glatsch, rechts ein Kebabsaucen-Fleck. Da ich an chronischer Überhitzung leide, neige ich dazu die Lüftungsschlitze zu öffnen, was dem Beinkleid den Anstrich einer SS-Stiefelhose verleiht.
Die Spyder-Jacke ist ja zumindest markentechnisch vertretbar, würde ich nicht das Modell 14 tragen. Der linke Ärmel kriegte im Bolgen-Plaza einen Schwall Kaffee-Baileys ab, die rechte Seite wurde mit einem Kräuter-Luz auf den Namen ‚Oh fuck sorry‘ getauft.
Und so getraue ich mich auf die Pisten der Corviglia.

Bisher dachte ich, Bogner ist ja in etwa das Schlimmste was man tragen kann. Also nicht falsch verstehen. Willy Bogner hat meinen Respekt. Immerhin fuhr er mit George Lazenby vom Piz Gloria / Schilthorn auf Skiern den Abhang hinunter. Insofern noch keine Leistung. Dass er dabei quasi verkehrt in den Skiern stand, rückwärts fuhr und James Bond filmte finde ich dann hingegen schon sehr beeindruckend.
Aber…. das war doch der Bernhard Russi! schreien die Schweizer empört. Ja, er fuhr auch, er war derjenige, welcher in die Schneeräummaschine geriet. Im Geheimdienst ihrer Majestät, so nebenbei.
Doch seine grösste Leistung ist es zweifelsohne, dass er es mit einem simplen „B“ am Reissverschluss schafft, dass geltungssüchtige Menschen Kleider tragen, welche sich jeder Primarschüler empört vom Leib reissen würde. Und dafür auch noch 2000 Franken abdrücken. Mit lächerlichen „Polarexpedition“ und „Adventure Team“ Aufnähern versehen sollen sie wohl den Forschungsgeist des Trägers unterstreichen. Auch wenn seine einzige Kälteerfahrung darin besteht, dass eines Tages die Standheizung des Mercedes G nicht termingerecht angesprungen ist.
Dank den schreienden Farben und Mustern erkennt man einen neureichen Trottel bereits auf hundert Meter Entfernung.

Doch wie gesagt, es geht noch schlimmer.
Wenn man auf dem Sessellift in die Tiefe sieht, ist man unschlüssig, ist da nun ein schrecklicher Unfall passiert und das unglückliche russische Model in eine Rettungsdecke gewickelt, oder hat da einfach eine Trulla in Jetset-Klamotten Schnee gefressen.
Silber ist das neue schwarz. Glitzern wie eingerollte Dürüm’s auf Skiern. Dazu eine Hose, so eng geschnitten, dass nichts der Fantasie überlassen wird und ich mich unweigerlich frage, welches Zaubermaterial verwendet Jetset um bei einem Millimeter Stoffdicke noch etwas wie Kälteschutz zu versprechen.
Ebenfalls in der Bogner-Preisklasse zu erwerben, wir haben im Dorf recherchiert. Für den Preis eines Handschuhs kaufe ich mir eine komplette Ski-Ausrüstung. Inklusive Saisonkarte.

Wir hatten Wetterpech, ich will das Skigebiet nicht verurteilen. Im Gegenteil, ich würde gar sagen, es hätte Potential.
Die Hänge schienen jedoch schon länger keinen Pistenbully mehr gesehen zu haben. Es fühlte sich an, als würden wir durch Zuckermasse fahren.
Wir gehören ja dann doch eher zum Typ Skifahrer, welche auf dem Weissfluhjoch losfahren und bei der Klosters Talstation die Beine zum ersten Mal wieder durchstrecken.
Vielleicht waren die Pistenverhältnisse den Skiläufern geschuldet. Wie ein Daunenkissen den Sturz abfedern.
Ganz salopp möchte ich sagen; St. Moritz ist gesamtschweizerisch der Idiotenhügel aller Skigebiete.
Hinter jeder Kuppe liegt jemand mit der Nase im Schnee, daneben ein bemühter Kempinski-Privatlehrer und auf jede Biegung folgt ein neureicher Spross im Stemmbogen einem privaten Pistenführer in Badrutt-Palace Ski-School-Jacke.
Es ist ein Slalomkurs zwischen den Reichen und eigentlich gar nicht so Schönen.
Auf keinem anderen Hügel der Schweiz sind Pizza-Pommes so vertreten wie auf den Hängen über St. Moritz.

Irgendwann kriegt man Hunger und seit ich meine Tageskarte selber kaufe, muss ich diese auch nicht mehr herausfahren.
Dank des gelobten Zwiebelprinzips trägt jeder Skiläufer mindestens 5 Jacken übereinander. Jede mit speziellen Eigenschaften, von heizend über kühlend bis transportierend und formend. Dazu natürlich auch einen Rückenpanzer und den Helm. Gut 110 Jahre fuhren die Schweizer über tiefverschneite Hänge, die Wanderschuhe in irgendwelche Kabelzugbindung gequetscht. Die Menschheit ist nicht ausgestorben. Doch plötzlich kam dieser bescheuerte Helm auf und der Siegeszug dieser Ausrüstung ist so weit gediehen, dass man sich nackt fühlt ohne.
So braucht die Familie mit den schweizerisch durchschnittlichen 1,5 Kindern gut und gerne sechs Stühle und einen entsprechend grossen Tisch.
Auf die Frage ob hier noch frei wäre können sie natürlich nicht „Nein“ sagen, aber immerhin den gesamten Krempel unter Brummeln und mit einer solche missmutigen Miene beiseite räumen, dass die Gerstensuppe auf dem Tablett hinüberkippt.
Wird der Tisch von einer Bank umrandet kann man keine vier Minuten sitzen, ohne dass die süssen Kleinen mal eben vorbeikrabbeln müssen. Um daraufhin sinnlos in der Gaststätte herumzutollen, bis sie dank der Kombination von nassem Plattenboden und glatten Skischuhsohlen unter grossem Hallo Kopf voran in das Kuchenbuffet rauschen oder dem fleissigen Servicepersonal die Beine weggrätschen.
Während man früher von den Erziehern eigenhändig aus der Gaststätte geworfen worden wäre, hört man heute bestenfalls ein „Nein, nicht, Justin-Dylan, komm her!“

A propos Plattenboden; Es ist ein ungeschriebenes Gesetz, dass die Toilette stets im Untergeschoss sein muss. Und wenn da kein Untergeschoss wäre, würde man eigenst eines buddeln. In dieses führt eine steile nasse Treppe mit einem viel betatschten Handlauf. Die Toilettentüre muss ein wenig streng gehen. Der automatische Schliesser gerade soviel Widerstand bieten, dass man sich gefährlich dagegen lehnen muss und Gefahr läuft, elegant in das Urinal zu schlittern, so jemand im Begriff ist die Toilette zu verlassen und seinerseits an der Tür zieht.
Mit dem Helm auf dem Kopf, der Skibrille halb im Gesicht, den Handschuhen in der Achselhöhle und einem wackeligen Stand versucht man sich irgendwie durch die Lagen vorn Thermowäsche zu… ich erspare dem Leser den Rest.
Das Händewaschen verkommt zur Farce. Weil einfach alles nass und versifft wirkt, wird man den Verdacht nicht los, man holt sich beim Einhandmischer die Krätze, unter dem Seifespender einen Tripper und spätestens am Türgriff ein nässendes Ekzem.
Zudem muss man sich danach an dem vielbenutzten Handlauf wieder ins Obergeschoss ziehen.
Aber wir tragen Helme, es kann nichts schief gehen!

Natürlich war es auch toll! Aber dies will ja niemand lesen.
St. Moritz ist auf eine spezielle Klientel ausgerichtet.
Statt auf einem Coca-Cola Liegestuhl, bettet man sich auf eine Veuvet Clicquot-Rattanliege. Nicht eine Armeedecke aus dem Liq-Shop hält einem warm, ein Merino-Schaf musste Federn lassen. Selbstverständlich konnten wir keine Liege beziehen. Zum einen hatten wir weder Cüpli noch Weisswein in der Hand, darüber hinaus hätte unsere zwecksmässige Skikleidung das Gesamtbild versaut. So durften wird an einer Ecke der Holzbar sitzen und wurden bereits nach 20 Minuten flehendem Winken bedient. Für einen ordinären Café Baileys und ein proletenhaftes Calanda macht die Kellnerin im Descente-Anzug ungerne den weiten Weg.
Ich darf mit Davos vergleichen? Bei 50 Rappen Trinkgeld wird die Treichel geschmettert und die Bedienung lässt einem hochleben, als hätte man soeben im Bolgen Plaza eine Lokalrunde geschmissen.
Statt, dass sich Andreas Cabalier hinterfragt was ein Hulapalu ist, wird einem ein Trancebeat auf die Ohren gehauen. Versucht der Lokale Plattendreher, also das iPhone unterm Tresen, sowas wie Feierstimmung zu generieren, ist ein Sommerhit aus dem Animationsprogramm des Club Med auf Teneriffa das Höchste der Gefühle.

Meine umsichtige Begleitung hatte dann doch ein Gespür für das einzige schöne Restaurant auf dem verdammten Hügel. Der Jetset-Lift, ich nenne ihn so weil er in silber und weiss gehalten ist, trägt uns auf Las Trais Fluors und wir gleiten zur Glünetta. Beim zweiten Anlauf erhielten wir gar einen Platz.
Das Tellersujet beschreibt einen Appenzeller Alpaufzug, aber da waren wir nicht kleinlich. Feines Essen, die Sonne und Calanda-Schaum im Gesicht.
Am sonnigsten Tag war nichts mit Tageskarte herausfahren, wir blockierten den Tisch gute 90 Minuten lang.

Die Hoffnung auf Apres Ski hatten wir nicht aufgegeben.
Vor dem Hotel standen zwei schmucke Blockhütten mit einer einladend blinkenen Lichterkette. Mittendrin eine verwaiste Terrasse aus gefährlich rutschigem Teakholz.
Das Wetter war auch nicht so für draussen stehen, also wagten wir uns in den bebenden Festtempel.
Da gibt es Beerdigungen, auf welchen bessere Stimmung herrscht.
Es war totenstill. Etwa 10 Personen sassen in dunklen Ecken, ein einsamer Skifahrer geiferte über den Tresen die Bedienung an.
Langsam wurde wieder im Flüsterton gesprochen, das Zippen unserer Reissverschlüsse klang wie das Kreischen einer Kettensäge durch die Hütte.
Die Getränkeauswahl war so bescheiden wie die Stimmung. Während meine Begleitung einen widerlichen Holdrio in die Kehle zwang, schüttete ich mit Todesverachtung einen Zwetschgen-Luz in den Kragen. Sie hätten mir guten Gewissens auch den nicht vorhandenen Kräuter verkaufen können, denn mehr als ein Glas heisses, eingefärbtes Wasser hatte ich nicht erhalten.
In unser scheu eingestimmtes „Reisst die Hütte ab…“ wollte niemand einfallen, also hoben wir unsere Helme auf und verliessen diesen Platz der Freude wieder.

Am zweiten Abend war die Hütte nicht abgerissen, aber geschlossen. An unserem letzten Abend genehmigten wir unsere Biere auf dem Parkplatz der Signalbahn. Eine aufopfernde Seele hatte da einen Barwagen und auf dem Asphalt ein paar Liegestühle platziert. Auf die Nachfrage meiner Begleitung hin erklärte ein Saisonier, dass dies hier etwa der Gipfel des Apres-Ski in St. Moritz darstelle. Zumindest für Normalsterbliche.
Der Jet-Set steigt natürlich in den Apres-Ski-Bogner, geht beim Friseur vorbei und hebt dann Cüpli im Dracula-Club oder dem Cascade.
Offen gesagt, da laufe ich lieber Gefahr, dass mir ein Luz über die Hosen gekippt wird, weil ein Besoffner über seine Skischuhe stolpert und sich am Bartisch festklammert.

Nun, ich habe St. Moritz gesehen.
Es ist nach wie vor ein netter Ort in einer atemberaubenden Landschaft. Sie haben wohl schlecht präparierte, aber schön gelegene Pisten.
Der Zauber ist der Realität gewichen, aber es waren doch tolle Tage.

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Fifty Shades of Grey, der zweite Versuch

So, ich habe es getan. Schon wieder.
Ich fügte mir ein cineastisches Werk mit dem Titel „Fifty Shades of Grey – Gefährliche Liebe“ zu Gemüte. Mit der simplen Absicht, das Werk in der Luft zu zerreissen. Es sollte billiges Celluloid regnen.

Ein ‚was bisher geschah‘ hätte ich begrüsst, ich habe völlig vergessen, mit welchem Cliffhanger der erste Teil aufwartete. Gab es überhaupt einen Cliffhanger oder sorgten lediglich die Besucherzahlen für eine Fortsetzung?
Dinge welche man recherchieren könnte, aber wir wollen es nun auch nicht auf die Spitze treiben. Was ich noch leidlich aus meiner Erinnerung abrufen konnte, der Vorgänger schien zu Beginn die Zeit und 7.50 Franken noch wert, wurde in dessen weiteren Verlauf jedoch so vorsehbar, dass ich das Drehbuch im voraus wortgetreu hätte tippen können.

In der Eröffnungssequenz wird man akustisch Zeuge eines Beziehungsstreit, während man die Flucht eines kleinen Jungen unter das Bett verfolgt. Immer wieder erstaunlich, wie hoch solche Betten gebaut sind, wenn der Protagonist sich darunter verstecken soll, aber dies wird in allen Filmen so gehandhabt.
Kaum ist der Junge in vermeintlicher Sicherheit, wird er von seinem, vermutlich, Vater gefunden, eine Zigarette in seiner Hand. Mit Brandbeschleuniger versetzt, zumindest erinnert die aufflackernde Glut an das Feuer im Schicksalsberg und dies, ohne dass jemand Beihilfe geleistet hätte. In etwa durch einen tiefen Zug, wie dies bei einer Zigarette nicht unüblich ist.
Dass es bei dem kleinen Jungen um Christian Grey handelt liegt ziemlich auf der Hand, letzendlich verleiht das Trauma seinen saddistischen Zügen einen zum Mitfühlen ladenden Hintergrund.

Wohlan, in der nächsten Sequenz erhält Anastasia Steele einen Bund Rosen, die Farben konnte ich nicht einordnen, verzeiht, und sie erwägt, selbigen der Abfallentsorgung von Seattle zu übergeben.
Dies liess mich zum Schluss kommen, dass der vorgehende Film wohl mit einer Trennung endete und die Sache von Grey in den Sand gesetzt wurde.

Anlässlich einer Fotoausstellung trifft Steele Grey wieder, sie entscheiden sich es nochmals zu versuchen.
Mit neuen Bedingungen, sprich, eine irgendwie normale Partnerschaft ohne vertragliche Vereinbarung, was Greys sadistische Neigung anbelangt.
Apple sponserte Grey das Willkommen-zurück-Geschenk, ein MacBook sowie ein iPhone in netter Verpackung, was bedeutet, dass Steele genau 24 Stunden Spass an den Dingen hat, weil Netz- und Ladegeräte das adrette Product Placement versaut hätten.

Nun kommt der Punkt, an welchem ich eingestehen muss, eigentlich ist der Film gar nicht durchwegs übel.
Ich möchte ihn mit den letzten Fast and the Furious vergleichen. Der Drehbuchautor setzt sich hin, schreibt eine unterhaltsame Story und kurz vor dem Abspann gelangt er zur Erkenntnis, dass noch schnelle Autos in den Plot müssen. Also fügt er sie irgendwie in die Geschichte. Das Ganze hätte auch gut ohne funktioniert, aber man hat eine Stammkundschaft zu füttern und ein Klischee zu bedienen.

So scheint mir Fifty Shades of Grey. Sie schreiben eine unterhaltsame Geschichte, ein wenig Liebe eine ganz kleine Prise Geheimnisse und müssen dann irgendwie noch diese Sexszenen einfügen, welche die Filme von normalen Romanzen unterscheiden.
Letztendlich celebrieren die Lichtspielhäuser die Premiere mit strippenden Männern, Anbieter von Liebesspielsachen haben kleine Marktstände aufgebaut und Nadine die Nageldesignerin verleiht der biederen Hausfrau etwas Glamour. Sprich, es wurden Versprechungen gemacht, der Titel weckt Begehrlichkeiten. Werden diese nicht befriedigt ist bestenfalls noch eine Fortsetzung erfolgreich.
Doch eigentlich hätte der Film auch ohne die Szenen funktioniert. Denn sind wir ehrlich, eine Augenweide sind beide Darsteller nicht. Die Blässe von Dakota Johnson wird nur noch durch ihre Ausdruckslosigkeit übertroffen, Grey hat kalte Teddybärenaugen und sein Stoppelbart wächst viel zu weit die Wangen hoch.

Der Film ist nun nicht sinnentleerter als andere Vertreter des Genres.
Mal unter uns, wie viel Bordsteinschwalben aus Beverly Hills werden die respektierte Gattin eines Multimillionärs?
Wann ehelichte zuletzt ein Senator das Zimmermädchen und wenn wir Legenden der Leidenschaft schauen; Filme, in welchen eine Frau unter Brüdern herumgereicht wird tragen für gewöhnlich witzigere Titel und haben eine plattere Story.

Grey leidet unter seinem Trauma, versucht sich trotzdem in einer ernsthaften Beziehung. Steele bemüht sich um Verständnis und so ist es wie in jeder Schmonzette ein Auf und Ab. Wobei der Verdacht nicht ganz zerstreut wird, dass es Steele durchaus gefällt, dass Grey sich kaufen wann was immer er will, ein tolles Penthouse besitzt, in jeder Stadt ein Haus stehen hat und im Hafen ein Boot vor Anker liegt.
Doch verleiht diese vom Materiellen ausgehenden Anziehung der Geschichte nicht eine realistische Note?
Dieses Mal vermerke ich mir den Cliffhanger; so konstruiert er auch war.
Steeles zudringlicher Chef, nach einer Intervention von Grey seiner Stelle enthoben, beobachtet aus der Ferne das Feuerwerk anlässlich der Verlobung von Steele und Grey.
In den Händen ein Familienfoto der Grey-Patchwork-Konstellation und langsam zerfrisst die Zigarettenglut Christians Konterfei.

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No Billag, oder No No Billag?

No Billag oder No No Billag?

Ihr seht mich noch ein wenig unentschlossen. Geschuldet der Tatsache, dass der Schweizer ungern an seiner Tradition rüttelt und zumindest meine Generation ist nun einmal mit dem Schweizer Fernsehen DRS gross geworden.
Selbstverständlich schwelge ich gerne in Nostalgie. Samschtig Jass mit Jürg Randegger und „Em scharfe Egge“, Pirmin Zurbriggen fliegt über den Hundschopf, kullernde Fünfliber beim Kassensturz und irgendwie habe ich seit den Achtzigern einen Karussell-Ohrwurm.

Wischen wir die Träne aus dem Augenwinkel und ziehen das Portemonnaie aus der Gesässtasche, geht man bereits ein wenig rationaler an die Sache. Fakt ist, 450 Franken sind kein Pappenstil. Bevor man diese einfach auf den Tisch legt, drängt sich doch die Überlegung auf, brauche ich diesen Artikel wirklich.
Es sei denn, es handelt sich um eine Abgabe und einem diese Entscheidung abgenommen wird. Dann knirscht man mit den Zähnen und spart den Batzen an anderer Stelle ein.

Im Rahmen der No-Billag-Initiative wird mit dem Begriff Solidarität schon nahezu inflationär umgegangen.
Die Verbundenheit ist eine feine Sache. Wir beweisen sie zum Beispiel bei der Krankenversicherung. Wer seelisch und körperlich unversehrt ist, leistet dennoch seinen finanziellen Beitrag, um Menschen zu unterstützen, welche nicht in dieser glücklichen Situation sind. Und berappt das Millionengehalt des Krankenkassen-CEO, sowie dekadente Arbeitstempel, aber dies ist nicht das Thema.

Wir leisten unseren Beitrag in die AHV, damit die Generation 65+ einen würdigen Lebensabend verbringen darf. Sie haben unser Land mit aufgebaut, diesen haben sie sich redlich verdient.

Die erwerbstätige Bevölkerung speist die Arbeitslosenkasse und die Sozialhilfe, der Kinderlose beteiligt sich an den Bildungkosten und finanziert die Prämenverbilligung für Familien.

Dies ist Solidarität. Auf dieser ist unser Land aufgebaut und das System funktioniert.

Solidarität ist nicht ganz uneigennützig. Jeder, der sich in diesem Kreis der Verbundenheit bewegt, ist sich gewahr, dass einem jederzeit ein Unglück ereilen kann und man auf die Gunst der Mitmenschen, ihren finanziellen Beitrag angewiesen ist.

Dürfen wir also diesen Begriff für Medienschaffende verwenden?
Als Nutzer eines Internetanschluss muss der Schweizer Bürger Rundfunkgebühren bezahlen um das Produzieren und Ausstrahlen von Fernsehinhalten für die italienischsprachige Schweiz zu finanzieren. Unabhängig davon, ob er während seiner Reise im Internet Radio hört oder nur die Daily Mail liest.
Da stellt sich doch direkt die Frage, wo bleibt der Solidaritätsbeitrag für meine Tageszeitung?
In Sachen unabhängiger und neutraler Berichterstattung, reitet sie auf derselben Welle wie die SRG. Bei allem Respekt vor dem Journalismus, eine politische Couleur prägt jede Berichterstattung und dies ist ja nicht verkehrt. So bleibt es meiner Wahl überlassen, ob ich die Weltwoche oder die WOZ abonniere.
Genau, meine Wahl und hier liegt der Hase im Pfeffer.
Selbstverständlich ist es auch mir überlassen, ob ich die Tagesschau oder die Tagesthemen, Bericht aus Berlin oder 10 vor 10 schaue. Die Wahl liegt bei mir, doch auch wenn ich konsequent Monitor sehe komme ich dank der Billag nicht um eine Finanzierung der Rundschau herum.

Deswegen stellt sich der Wähler die Frage; Will ich nur bezahlen, was ich konsumiere, oder leiste ich einen Solidaritätsbeitrag für die Schweizer Rundfunkanstalten.

Glaube ich den Gegnern der Initiative, steht die gesamte Schweizer Medienlandschaft auf dem Spiel.
Ja, wir laufen sogar Gefahr, dass Murdoch künftig die Schweiz berieselt, oder noch schlimmer, Christoph Blocher schwingt zum Tycoon auf.
So arg wird es wohl kaum kommen, doch es ist eine Tatsache, dass auch private Stationen von den Gebührengeldern profitieren.
Und wiederum stellt sich die Frage, was ist es mir wert?

Ich mag Nik Hartmann, dann und wann höre ich den Schaffhauser Lokalsender und obwohl ich RSO die Übernahme von Radio Grischa nie wirklich verziehen habe, lausche ich im UKW-Einzugsgebiet „Ds Radio vu do“.
Doch wie ich während des Haare schneiden gerne in der Gala blättere, würde meine Coiffuse, die Beste von allen, für mein Eintauchen in die Promiwelt 165 Franken verlangen, würde ich mich höflich entschuldigen und ein mitgebrachtes Buch aufschlagen.
Ist mir das gelegentliche reinhören in die Radiosender diese Investition wert?
Nach aktuellem Stand stellt sich die Frage gar nicht, denn wer ein Auto fährt, besitzt auch ein Radio, so er den Umbau- und Abmeldeaufwand nicht absurdum treiben möchte.

Was ich sagen möchte, die Billag bewegte sich schon stets auf sehr dünnem Eis, gestützt von einem Gesetzbuch, und die Art und Weise, wie der Abstimmungskampf geführt wird, schafft nicht direkt Sympathien für die Geldeintreiber.

Ein weiterer Punkt; Ich zahle keinen Pauschalbeitrag an die Firma Zimmerli für den Kauf meiner Unterwäsche. Und wenn die Modeboutique Dux einen leichten Kundenmangel verzeichnet, kann sie nicht einfach in den grossen Topf der Firma Zimmerli greifen. Wie jedes privatwirtschaftliche Unternehmen, muss Herr Dux die Ärmel zurückrollen, in die Hände spucken und aktiv gegen den Umsatzrückgang angehen.
So geht es Waschmaschinenverkäufern, Fernsehhändlern und der Bäckerei ums Eck. Wenn sich eine Firma nicht selber tragen kann, dann, und dies klingt etwas abgebrüht, hat die Firma keine Daseinsberechtigung.
Jedes Unternehmen, welches nicht eine Dienstleistung im Auftrag der öffentlichen Hand erbringt, muss sich selber über Wasser halten.

Warum sollen für Rundfunkstationen andere Regeln gelten? Tageszeitungen müssen sich schliesslich auch behaupten.

Im Schnelldurchgang die schwachen Argumente.
Die Informationspflicht oder der Versorgungsauftrag.
Ich bitte Euch. Auch die Armee hat das Sparen beileibe nicht erfunden. Alleine der Logistikbasis würde ich die Hälfte der Mittel streichen, ein anderes Thema.
Dennoch, der Unterhalt der Sendestationen, ein Mischpult, ein Mikrofon und jemand mit einem gewissen Klang in der Stimme; Dafür muss nicht jeder Haushalt knapp 500 Franken abdrücken.

Die Beschäftigung von mindestens 6000 Angestellten.
Unternehmerisch gedacht; Gesetzt der Fall, alle Angestellten sind schwer vermittelbar, bei einem Bundesbetrieb durchaus denkbar, kosten sie den Beitragszahler beim RAV nur noch 75% der ursprünglichen Lohnsumme. Ganz zu schweigen vom Wegfall der Infrastruktur und dem Entsenden einer Hundertschaft an Technikern und Moderatoren in ferne Länder für eine Sportübertragung.

Sportübertragung, eine Knacknuss, hier mache ich Zugeständnisse.
Swisscom, Hauptsponsor und Mutterfirma der Billag lasse ich aussen vor, was bleibt sind unter anderen Swiss, Rivella oder Audi. Dazu die persönlichen Sponsoren, wie etwa Ragusa.
Sponsoren sehen nicht einfach gerne ihre Logos auf einem Skidress, elementar ist die Sensibilisierung der Zuschauer für das jeweilige Produkt. Während man an einem Lauberhornrennen rund 13’000 Besucher begrüsst, erreicht das Schweizer Fernsehen über eine Million in den heimischen Wohnzimmern.
Wie wirkt sich der Wegfall der SRG auf die Schweizer Sportwelt aus?
Nun, würden wir Kranzschwinger Schläpfer fragen, würde sich der Skizirkus im schlimmsten Fall auf die Tradition besinnen und der Kommerzialisierung würde Einhalt geboten.

Was hier jedoch gerne heruntergespielt wird; Die Million Zuschauer, und dies nur in der Schweiz, welche gebannt vor dem Bildschirm sitzt, hat nicht im Hinterkopf, dass die 450 Franken amortisiert werden müssen. Man gewissermassen die Tageskarte herausfährt und so viel Stunden wie irgendwie möglich SRG konsumiert.
Hier sitzen kaufhungrige Kunden auf ihrem Sofa.

Panem et circences

Die SRG macht beileibe nicht alles falsch. Sie ist einfach bequem geworden. Jede Behörde, jeder Bundesbetrieb trägt ein grosses Joch. Sie haben vergessen, dass jeder ausgegebene Franken erst verdient werden will. Sprudelt der Franken, ob man nun entsprechende Leistung erbringt oder nicht, verliert man den Bezug zum Markt. Durch die fehlende Abhängigkeit von der Kundschaft, stehen die Wünsche derselbigen nicht mehr im Zentrum. So wird die No-Billag Initiative zum Forum für die unzufriedene Kundschaft.
Das Volk will Brot und Spiele.
Der Zuschauer ist sich bewusst, dass Unterhaltung einen Wert hat und ist durchaus bereit, seinen Beitrag zu leisten. Netflix ist nicht kostenlos, online Videotheken verleihen auch nicht für Vergelts-Gott und mancher bezahlt für seine Sportübertragungen gerne ein Extra-Abonnement. Unabhängig von der Billag sind Fernseh- und Radioschaffende in einer komfortablen Position. Vergleichen wir mit den Printmedien, welche gegen die Gratis-Angebote der Häuser Ringier und TA-Medien antreten müssen, kämpft die Tagsezeitung mit jedem Artikel um die Gunst der Leser, ohne dabei die journalistische Verantwortung zu vergessen und sich in reisserischem Unsinn zu verlieren.
Und wie allen Apps zum Trotz immer noch Abonnenten des regionalen Tagblattes existieren, besteht auch eine Nachfrage nach hochwertigem Fernsehen. Der Kunde muss nur gefüttert werden.

Die Schweiz wird keine Fernsehwüste. Wo Geld zu verdienen ist, lassen Unternehmen nicht lange auf sich warten.
Im Falle einer Annahme der Initiative hat jeder Schweizer Haushalt beinahe 500 Franken mehr im Portemonnaie. Wenn er nur schon für die Hälfte dieses unerwarteten Wohlstands ein auf ihn zugeschnittenes Programm erhält, lebt er immer noch im guten Gefühl, ein Schnäppchen gemacht zu haben.

Wie sollen wir nun abstimmen?

Die Finanzierung der Rundfunkanstalt ist kein solidarischer Akt. Keiner in diesem Land ist seinem Nachbarn ein Informations- und Unterhaltungsprogramm schuldig.
Legen sie vierhundertfünfzig Franken auf den Wohnzimmertisch. Schalten sie ihren Fernseher ein. Und überlegen sie sich; Würde neben dem Flachbildschirm ein hübscher kleiner Schredder stehen, würden sie für das dargebotene Programm, diesen mit den bereit liegenden 5 Banknoten füttern?

Veröffentlicht unter Ein Hauch Politik, He works hard for the money, Kurz nachgedacht | Verschlagwortet mit , , , , | Kommentare deaktiviert für No Billag, oder No No Billag?