Wenn einer eine Prüfung ablegt

Mal wieder eine Geschichte, die das Leben schreibt

Eigentlich war alles geregelt. Ein nettes Hotel in Gehweite zum Prüfungsort gebucht. Ich sah mich schon über Mittag auf dem Bett liegen, „Punkt tfffwölffff“ auf RTL gucken und die Prüfungen vom Morgen aus dem Gedächtnis schlagen.
Die Prüfungen waren zu ganz moderaten Zeiten angesetzt. Der Morgen erlaubte ein Ausschlafen, zumindest für Menschen mit seniler Bettflucht, ein gemütliches Frühstücken und bereits Mitte Nachmittag war wieder Schluss.

Und dann kam Corona.

Die Prüfungen werden von der Firma A. durchgeführt. Ihre erste Reaktion zum Verbot von Massenveranstaltungen, bei 1’200 Prüflingen spricht man von einer solchen, war abwarten.
Danach wurden Veranstaltungen bis, nagelt mich nicht fest, 300 Personen zugelassen.
A. reagiert mit abwarten.

Im Juni teilte ich A. aus Gründen der Anonymität via meinem Lehrgangsleiter mit, sie sollten mal in die Gänge kommen. Es sei denn, bei unseren Organisations-Aufgaben der Prüfung wäre Abwarten eine adäquate Antwort. In meiner wohlfeilen Ausdrucksweise, versteht sich.
Die Antwort entsprach der klassischen A.-Reaktion. Beginnend mit „was fällt euch ein“, über „wir können auch nichts dafür“ zu „und überhaupt haben wir schon lange… guck mal richtig hin…“.
Und danach warteten sie weiter ab.
A. pflegt den militärischen Stil. „Ich will…“. Ich wäre der letzte, welcher dagegen wettert. Es ist die einzig vernünftige Methode um mehrere Individuen in einer organisierten Form an einen Punkt X zu führen. Sobald A. sich jedoch mit einem Einspruch konfrontiert sieht, speien sie Gift und Galle und betonen ihren gottgleichen Status in der Schweizer Bildungslandschaft. Die Krux ist. Wer den Titel „Specialist in Business Administration and Applied Technical Management, Federal Diploma of Higher Education“ will, kommt nicht um diesen Verein herum. Ergänzend muss man anmerken, dass die Korrektur der Prüfung sehr viel Spielraum für individuelle Ansichten lässt. Sprich, wenn sie dir eine Kröte zu schlucken geben, fragst du höchstens, ob am Stück oder häppchenweise.

Zwei Wochen vor der Prüfung setzten sie die Kandidaten von ihren beinahe übermenschlichen Bemühungen in Kenntnis und gaben einen zweiten Prüfungsstandort bekannt. Natürlich war ich einer der Betroffenen. Ausschlafen und Frühstück wurden durch zwanzig Minuten Fahrt im Basler Tram ersetzt.
Die Herausforderung sah ich bedingt in der Tramfahrt als solches, vielmehr bereitete mir der Umstand Sorgen, dass nun 435 Personen, welche die Hotels im Umfeld der Messe Basel belegten, zur selben Zeit in den Sankt Jakobs-Park verschieben wollen. Gut, Tram fahren wollte ich auch nicht, öffentliche Verkehrsmittel überfordern mich schnell einmal.
Also organisierte ich einen Chauffeur für die drei Tage.
Selbstverständlich würden sie mich gerne morgens abholen und nachmittags zurückfahren, erwiderte der Taxianbieter Arisdo. Wir vereinbarten eine Pauschale und gewiss zehnmal wies ich den Chef auf die Wichtigkeit der pünktlichen Abfahrt hin.

Dienstagmorgen, 08:00 kein Taxi vor Ort. „Oh, ist er nicht da? Er kommt gleich. Drei Minuten!“ erwiderte der Herr Ramushi auf meinen Anruf hin.
08:05. Auf sein erneutes „In drei Minuten!“ entgegnete ich, dass ich dies schon vor 5 Minuten gehört hätte.
08:10 „Wir sind komplett ausgebucht, aber ich sende den Fahrer eines anderen Unternehmens, er ist gleich um die Ecke…“.
08:13… Klingelton. Combox.
08:14… Combox.

Glück im Unglück; ein Mitschüler war von der Umsiedelung ebenfalls betroffen und ich bot ihm im Vorfeld an, mit mir mitzufahren. Was mir natürlich ein immens schlechtes Gewissen machte, als wir so verloren am Strassenrand standen.
Glücklicherweise war er mit dem Auto hier.
So rasten wir, soweit der morgendliche Stossverkehr ein Rasen eben zulässt, durch Basel in den St. Jakobspark. Inzwischen informierte ich A. prophylaktisch über eine eventuelle Verspätung. Sitzt man bei Prüfungsbeginn nicht am Pult, hat man eine eins. Sie würden die Prüfung liegenlassen, die Verspätung gehe uns einfach an der Zeit ab. Und ich hätte meinen Erstgeborenen nach ihnen zu benennen.

Bevor die Tore der Kampfarena geschlossen wurden, sprinteten wir zu unseren Plätzen und mit einem entspannten Ruhepuls von 170 machte ich mich an die erste Prüfung.

Mein Erinnerungsvermögen lässt nach, Supply Chain Management, ich meinte, es wäre nicht so übel gelaufen. Zumindest steht bei jeder Frage eine nachvollziehbare Antwort.
Im Rahmen der Vorbereitung stellte ich fest, Multiple-Choice ist mehr Fluch als Segen. Die gängige Annahme ist, bei diesen Kreuz-Test sind die Antworten bereits gegeben und im Zweifelsfall C. Also eine gemütliche Sache. Die Krux ist, bei 90% der Aufgaben musste ich sagen, es kann alles, wie auch nichts zutreffen. Das Mögliche zieht am Unmöglichen vorbei und wird zum Vermöglichbaren, oder so.
Vier Antworten, es können zwei, drei oder vier Lösungen richtig sein. Haut man auch nur ein Kreuz daneben, sprich zu viel, falsch oder zu wenig angekreuzt, hat man 0 Punkte.
In diesem „einfachen“ Teil, einen Drittel der Prüfung, kann man also schon jede Menge falsch machen.
Die 90 Minuten waren unglaublich fix durch.

Rausgehen nur, wenn unbedingt notwendig. Tragen sie Hygienemasken. Richten sie sich auf Wartezeiten beim Betreten der Halle ein. Halten sie Abstand. Desinfizieren sie ihre Hände.

Sie nahmen es sehr genau mit Corona. Sogar vor der Toilette gab es teilweise ein Einlassverbot.

Zeit umzuschauen, wer so meine Mitstreiter waren.
Wir sassen an kleinen Einzelpulten. Eine Tischfläche von 110 auf 40 cm. Im fünf Minutentakt rauschten irgendwo in der Halle Prüfungsbogen, Getränkeflaschen, Stifte, Heftapparate und ganze Etuis zu Boden. Teilweise halfen die flanierenden und kontrollierenden Studentinnen aus der Patsche und reichten einem die Utensilien. Darüber hinaus möchte ich anmerken, dass hier künftig bei der Attraktivität und Kleiderwahl gewisse Richtlinien erlassen werden sollten. Wie soll man sich da noch auf die Prüfung konzentrieren?

Die beengten Platzverhältnisse wurden zusätzlich dadurch eingeschränkt, dass stets ein Lichtbildausweis gut sichtbar auf dem Tisch zu liegen hat. Zur Kontrolle, dass man nicht seinen Lehrer an seiner Statt an die Prüfung gesandt hat.
Rechts von mir eine Ordensschwester. Zwischen den Prüfungen sass sie steif wie ein Brett auf dem Stuhl, die Hände auf dem Faltenrock im Schoss gefaltet, den Blick starr nach vorne gerichtet.
Keine Begrüssung, keine Verabschiedung, keine Erfolgswünsche. Nicht, dass ich diesbezüglich sehr initiativ gewesen wäre. Doch im Vergleich zu den anderen Prüflingen hatte ich doppelt so viele Sommer gesehen, folglich hatte sie mich zu grüssen. Nämlich.

Rechts von mir das arme Schwein, welches die erste Prüfung in den Sand gesetzt hatte. Er blätterte in den Lösungsblättern eine Seite zu wenig um, verpasste, dass das Raster einer Nutzwertanalyse mit den Kriterien bereits gegeben war und verlor Unmengen an Zeit, alles selber zu erstellen.

Die nächste Prüfung wurde geliefert.
Stets dasselbe Schema. Alle sitzen still, vorne erschallt der Befehl „Prüfung austeilen“ und die Umschläge werden auf den Tisch gelegt.
„Kandidatennummer und Prüfungsfach kontrollieren“ lautete die nächste Anweisung.
„Prüfung startet, sie haben 60 Minuten“ und an den Bildschirmen beginnt der Countdown.
Problemlösungs- und Entscheidungsmethodik.
Wer nun davon ausgeht, ein rational denkender Mensch würde hier einfach durchmarschieren liegt völlig falsch.
Ein Beispiel; Sie müssen Personalkosten sparen und 6 Personen entlassen. Wie gehen sie vor.
Eine Kosten-Nutzenrechnung wäre völlig falsch.

Erst muss analysiert werden, was ist zu tun. Mit einem bekannten Modell, Fischgräte oder was immer ihr wollt. Danach muss das Ergebnis wiederum beurteilt werden. Selbstverständlich wieder mit einer Lehrbuch-Methode. In diesem Stil geht es solange weiter, dass die Entlassung eigentlich für nichts ist, weil alleine die Analyse, wen man entlassen will und die Lohnkosten der involvierten Kader so zu Buche schlagen, dass man die sechs Personen noch zwei Jahre beschäftigen und ihnen gar ein fettes Weihnachtsgeld auszahlen könnte.

Organisieren sie ihren Tag, sie haben eine halbe Stunde Zeit.
Es gilt, alle Termine innert 8 Stunden unterzubringen. Dabei so immens wichtiges, wie die Tochter in der Kita abholen und Anzüge in die Reinigung bringen. Teilen sie die Termine in wichtig und dringend, dringend aber nicht wichtig und so weiter ein.
Als Faulen-Falle ist die Option gegeben, Tätigkeiten zu delegieren.

Vielleicht fühle ich mich im Allgemeinen zu Höherem berufen. Nach einem ersten Durchlauf hatte ich von einem Business-Lunch und einer kleinen Besprechung am Nachmittag abgesehen keine weiteren Pflichten mehr. Es schien mir nichts so wichtig, dass meine Anwesenheit erforderlich gewesen wäre. Also begann ich nochmals von vorne, die Bildschirme wurden bereits rot. Dies bedeutet noch 15 Minuten Zeit.
Im Endeffekt trug ich mir doch den ein oder anderen Termin in die Agenda ein.

Mittagspause.
435 Personen stürmen den örtlichen Manor. Und ich erhielt genau diesen Gehirnf… welchem ich entfliehen wollte. „Was hast du bei Aufgabe 5b? War bei 8i nicht…. oh verdammt…. und heute Nachmittag? Lernst du noch? Hey, wie ist jetzt dies….“ schallte es in traumhaften Surround um mich herum.
Natürlich auch während dem Mittagessen, welches man auf einer Betontreppe sitzend vor der Halle einnehmen musste.
Zwei Stunden können entsetzlich lang sein.

Diagonal vor mir links hat sich Mister Redundant platziert.
Zwei Hefter, zwei Stempel, zwei Flaschen Getränke, jeden Stift und Marker in zweifacher Ausführung, zwei Rechner.
Ich blickte auf meine Tischplatte. Ein Füllfederhalter, die Patrone mit halbem Füllstand und eine leere im rückwärtigen Teil des Schreibers. Ja, ich schreibe mit Füllfeder, finde dies zum einen stilvoll, zum anderen unterstützt es die Lesbarkeit meiner Schrift, was durchaus zum Killerkriterium werden könnte.
Daneben liegt ein Korrekturband, Tipex der Moderne, welches im Ursprung mit 12 Metern bestückt war. Dazu noch der obligat schmierende Kugelschreiber, ein kleines Karten-Lineal für eventuelle Grafiken und einen Marker, welchen man vor Inbetriebnahme kräftig schütteln musste. Als Rechenmaschine dient mir ein Texas aus den frühen 90er-Jahren, für welchen ich in der Sekundarschule schon gehänselt wurde. Der Lehrer empfahl den TI-40 Galaxy, welcher direkt bei der Schule zu erstehen war. Was meinem Vater dazu veranlasste, mittels seinem Junior ein Exempel zu statuieren. Schnurstracks marschierte er in den Interdiscount und erstand einen TI-31. Selbstverständlich demonstrierte mein Lehrer konsequent alle Operationen auf dem TI-40, indem er eine entsprechende Folie für den Hellraum-Projektor vorbereitet hatte und ich fühlte mich, als würde ich mit einer Schachtel Buntstifte in einem Adobe Illustrator-Kurs für Fortgeschrittene sitzen.
Ja, hätten wir damals schon Schulpsychologen gehabt, was wäre wohl aus mir geworden?

Wieder in der Gegenwart; die Prüfungen zogen sich durch, bis am Donnerstagmorgen.
Nur noch kurz Rechnungswesen, ein Selbstläufer, und die Integrierte Fallstudie. Bei selbiger sind Unterlagen gestattet, was soll schon passieren.
Ich habe gelernt, je sicherer ich mich fühle, desto furchtbarer das Ergebnis.
15 Minuten sass ich an der simplen Rechnung, ab welcher Menge sich die Eigenfabrikation gegenüber dem Einkauf von Fertigprodukten lohnt. Kam auf Lösungen von 5 Millionen, nachdem die vorgehende Rechnung bereits ergeben hat, dass man bei 50’000 Stück bereits günstiger ist und ähnliche phantastische Werte.
„Stoppen sie mit dem Lösen! Sie haben jetzt noch zwei Minuten um alle Lösungsblätter mit dem Namen zu beschriften.“

Ich darf vorstellen?

Fixkosten/(Fremdbezugskosten-variable Kosten)
Mein neuer Name.

Wenn ihr bei diesen Prüfungen etwas nicht habt, ist es Zeit.

Aber nun nur noch die Integrierte Fallstudie. Die Krux an dieser; wenn man hier unter vier fällt, sind alle voran absolvierten Prüfungen hinfällig. Man fällt durch.

„Öffnen sie die Umschläge, sie haben 150 Minuten Zeit“.

Zum ohnehin schon begrenzten Platz gesellt sich nun noch ein Bundesordner und ein Gesetzbuch. Die gestatteten Hilfsmittel sind eine nette Idee, doch nichts mehr als ein trügerisches Gefühl von Sicherheit.

Nachdem ich mir bis Aufgabe zwei schon beinahe einen Wolf geschrieben habe, warf ich einen Blick auf die Uhr und stellte fest, so komme ich nirgends hin. Der Frontseite entnahm ich, dass die Aufgabe vier punktemässig so richtig einschenkt. Also springe ich vor.
Berechnen sie die Amortisationszeit der Investition für die Weiterverarbeitung von Shrimps-Schalen. Die Zahlen dafür hatte man aus 5 Seiten Text zusammen zu klauben.
Nachdem ich einen Gewinn von 113 Millionen im ersten Jahr bei einer Investition von 1.8 Millionen errechnet hatte, wusste ich, hier muss irgendwo der Wurm drin sein. Oder ich muss sofort ins Schrimps-Geschäft einsteigen.
Die Zeit verrann und die kleine Stimme in meinem Kopf flüsterte pausenlos „Du brauchst eine vier. Hallo, du brauchst eine vier. Hörst du mich? Eine vier. Hallo, hallo? Jemand da? Seh doch, dass Licht brennt. Du brauchst übrigens eine vier.“
Das Husarenstück, diese kleine Stimme zu ignorieren, die komplette Aufgabe zu überspringen und weiter hinten fortzufahren gehört unabhängig vom Ausgang dieser Prüfung zu meinem ganz persönlichen Erfolgserlebnis.
Meine Schrift wurde zusehends unleserlicher, weil mir ein kleines weisses Kaninchen in einem fort eine Uhr auf den Kopf haute. In der letzten Minute hatte ich tatsächlich bei jeder Aufgabe ein paar Zeilen oder Berechnungen hinzugefügt. Ein weiser Lehrer sagte; Wenn ihr nichts hinschreibt, habt ihr garantiert null Punkte, steht irgendwas, besteht eine Chance, dass irgendwas bewertet wird.

Wir werden sehen.
Das Gröbste ist durch und mittlerweile wache ich auch morgens nicht mehr auf und erschrecke, weil ich doch pünktlich zur Prüfung erscheinen muss.

Das Rechtliche Wissen, den Taxifahrer auf Schadenersatz zu verklagen hätte ich nun, aber ich bin zu faul zum Schreiben.

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Watson huldigt Frau Seiler-Graf

Dies gelesen…

https://www.watson.ch/schweiz/review/351266441-kampfjet-arena-viola-amherd-ueberzeugt-bis-eine-sp-frau-kontert

… und dies gedacht.

Eigentlich hegte ich keinerlei Ambitionen zum ehrenamtlichen Korrekturschreiben der Zeitung watson zu werden. Doch liegt die Krux, darin, der durchschnittliche Facebook-Leser überfliegt die Zeilen, zieht es noch nicht einmal in Betracht, eine Zeile zu hinterfragen, glaubt den Blödsinn und teilt ihn mit einem Klick noch. Und hier scheint mir Watson seiner Verantwortung, welche mit einer öffentlichen Berichterstattung einher geht, nicht gewahr zu sein. Im Besonderen, wenn andere Tageszeitungen diese Artikel auch noch aufgreifen.

Das Empfinden, wie sich ein Politiker in der Arena geschlagen hat ist natürlich sehr von Sympathien geprägt. Doch die Lobpreisung, welche das Blatt Watson an die Adresse von Frau Priska Seiler-Graf ausspricht, grenzt schon beinahe an Götterverehrung. Ich versuche mich beim Zerpflücken Ihres Artikels in Objektivität zu üben, Frau Serafini.

Nein Frau Serafini, ein Nein zu den Kampfjets würde den Verteidigungsauftrag nicht in Frage stellen. Denn der Auftrag ist in der Verfassung verankert. Es würde den Auftrag ganz erheblich erschweren, de facto wäre eine Luftraumsicherung nicht mehr zu gewährleisten. Doch solange dieser Auftrag in der Verfassung steht ist dieser wahrzunehmen und es bleibt die Aufgabe der Armee, diesen Auftrag zu erfüllen. Mit den Mitteln, welche ihr gegeben werden.

Korpskommandant Süssli erwähnt, dass für den Ernstfall eine Flotte von mehr als 100 Flugzeuge benötigt würden; eine Aussage, welche sie als Widerspruch aus den eigenen Reihen interpretieren.
Frau Serafini, Korpskommandant Süssli ist der Chef der Armee. Er ist kein Politiker und die Armee eine politisch neutrale Organisation.
Wenn sie ihn also anfragen, welche Waffenstärke erforderlich ist um eine, in diesem Fall nicht weiter ausgeführte, Bedrohung erfolgreich abzuwehren, erhalten sie eine militärische Antwort auf diese Frage. Und so wird er kaum formulieren, dass man mit einem solarbetriebenen Leichtbauflugzeug mit den Flügeln wackeln geht und abwartet was passiert.

Ich gebe Ihnen auch eine Antwort. Blau. Und nun bewerten Sie diese Antwort. Sie sehen den Konflikt? Gut.

Offen gesagt, ich verliere mich nun in Mutmassungen; ich weiss nicht, welche Arena Sie geschaut haben. In meiner, jene vom Freitagabend auf SRF 1, zerlegte Frau Graf weder irgendwelche Argumente, noch fand sie einen Widerspruch in den Aussagen der Frau Bundesrätin.
Frau Priska-Graf war insofern beeindruckend, dass sie eine unglaubliche Menge von technischen Spezifikationen aus dem Ärmel schüttelte. Mir scheint, die Linken sind nicht ganz damit einverstanden, dass die Regierung aus dem Gripen-Debakel seine Lehren gezogen hat und die Evaluation des Kampffliegers den Profis übergibt. Ich möchte hier nicht von einer guten Vorbereitung sprechen. Wie ein Kind auf dem Pausenplatz konnte sie wohl die Quartett-Karten auf den Tisch knallen, Steiggeschwindigkeit hier, Bewaffnung da, nur war sie damit in der falschen Runde.
Bevor Sie also ihren Stimmzettel ausfüllen; sie müssen keinen, ich wiederhole, keinen Flugzeugtyp aufschreiben. Es geht lediglich um den Kredit.
Wenn Frau Priska-Graf nun jedoch den Kredit ablehnen will, weil ihr die Auswahl der Flieger nicht zusagt, im Gegenzug jedoch in jedem dritten Satz beteuert, wie wichtig die Sicherung des Luftraumes ist, spielt sie ein wenig mit ihrer Glaubwürdigkeit.

Darüber hinaus, und dann sind wir mit der guten Vorbereitung auch bereits durch; die linken Politiker weisen in Diskussionen Ähnlichkeiten mit urdeutschen Touristen in einem fremdsprachigen Land auf. Wenn das Gegenüber meinen Wunsch nicht versteht, oder in der Politik dem Argument nicht zustimmt, dann werde ich einfach immer lauter und irgendwann muss es in diesen dummen Schädel dringen.
Während Frau Bundesrätin Amherd in ruhigem Ton, sachlich argumentierte, trat Frau Priska-Graf in gewohnter linker Manier auf. Immer eine Idee zu laut, stets etwas schulmeisterliches im Ton und im Grundsatz auf das Gegenüber herabblickend.
Doch dies sind natürlich sehr subjektive Wahrnehmungen.

Als Beispiel für das Festnageln auf Widersprüchlichkeiten führen Sie die Aufstockung des Budgets um 1.5% an. Ehrlich, ich fühle mich beinahe ein wenig schlecht, aber wenn Sie im Plural von Widersprüchen sprechen und dann genau einen vermeintlichen aufführen, muss ich mich ja diesem annehmen.
Kleiner Ausflug in die Volkswirtschaft. Ihren Franken von heute können Sie gegen eine Dinkelbrötchen beim Bäcker tauschen. Behalten Sie den Franken jedoch ein Jahr in der Hand und wollen ihn dann eintauschen, kriegen Sie nur noch ein halbes Dinkelbrötchen. Klingt komisch, ist aber so. Schuld daran ist die Inflation, welche idealerweise stets zwischen einem und zwei Prozent liegt. Dies hat seine Richtigkeit, wir wollen den Rahmen nicht sprechen. Damit Sie uns nicht irgendwann verhungern, wird alles, was irgendwie mit einem Geldwert zu tun hat angepasst. Teuerungsausgleich nennt man dies. Und wie der Wortteil «Ausgleich» schon besagt, das Budget wird nicht erhöht, sondern lediglich ausgeglichen. Denn mit dem Preisanstieg steigt auch das Staatsvermögen.
Lange Rede kurzer Sinn, die Armee kriegt nicht jährlich mehr Geld und auch der Teuerungsausgleich fehlt weder bei den Massnahmen gegen den Klimawandel, noch im Sozialen oder bei der Bildung.

Die Diskussion mit den ballistischen Raketen überspringen wir gleich und kommen zu den Unterhaltskosten.
Obwohl Sie anfügen, die Voten von FDP-Ständerat Burkhart verhallten im Nichts; so verkehrt ist sein Vergleich mit dem Privatwagen nicht, ich muss ihn leider aufgreifen. Wenn ich in den Raum frage, was mich die Reparaturen für mein Fahrzeug die nächsten zwanzig Jahre kosten wird und ich eine Zahl erhalten werde ich schon stutzig. Im Besonderen, wenn der Antwortgebende noch nicht einmal weiss, ob ich einen Tretroller oder einen Porsche fahre. Insofern ist es nur vernünftig, dass man hier sich nicht in Spekulationen ergibt. Es sei denn natürlich, man will Stimmung machen, dann kann man sich schon auf 24 Milliarden einschiessen. Ein wenig auf Kosten der Glaubwürdigkeit.
Zudem, Frau Serafini; auch der Unterhalt wird aus dem Armeebudget beglichen. Und wie Herr Burkhart eigentlich auch erwähnte, es wird sehr wohl in den Evaluationsprozess mit einbezogen, mit welchen Folgekosten man zu rechnen habe. Denn alles, was für den Unterhalt investiert wird, fehlt der Armee, nicht der Bildung und nicht dem Sozialen, an anderen Stellen.

Nachdem Sie nun diese Zeilen gelesen, muss ich wirklich den Abschluss mit dem Blankoscheck noch ausformulieren, oder hat es sich erledigt?

Ich gehe auf Nummer sicher; Wenn der kleine Max vierzig Franken Taschengeld erhält, ihm aber mit erhobenem Zeigefinger mitgeteilt wird, dies müsse nun reichen. Und zwar für die Monate September, Oktober, November und Dezember.
Hat der kleine Max nun einen Blankoscheck, oder ein Budget erhalten?

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Watson wirkt bemüht

Dies gelesen…

https://www.watson.ch/schweiz/wirtschaft/718523014-warum-neue-kampfjets-die-schweiz-nicht-sicherer-machen-werden

… und dies gedacht

Sehr geehrter Herr Chefredaktor Maurice Thiriet

 

Ihr Artikel wirkt, mit Verlaub, ein wenig bemüht und reiht sich wunderbar in die Reihe der Argumente des Referendumskomitees ein.

Zu Gute halten möchte ich Ihnen, Sie scheinen zumindest das Prinzip der Finanzierung verstanden zu haben. Im Bewusstsein, dass ohne dieses Zugpferd eine Hetze gegen die Beschaffung der Kampfflugzeuge etwas dünn wirkt schwenken Sie gleich komplett um und stellen die Sinnfrage.

Braucht die Schweiz eine Landesverteidigung.

 

Geschätzter Herr Chefredaktor, streng genommen bräuchten wir noch nicht einmal eine Polizei. Würden wir geeint zusammenleben, eine Gesellschaft geprägt von gegenseitigem Respekt, regeltreue und absoluter Harmonie braucht kein Kontrollorgan. Glücklicherweise sind wir alles Individuen, was eine Gesellschaft doch erst interessant macht und die vorwiegende politische Gesinnung der Kampfflieger- und Armeegegner tendiert dazu, dass unser Grad an Diversität noch viel Potential nach oben hätte.

Oben beschriebenes Utopia erreichen wir noch nicht einmal in unserem Land, wo wir demokratisch in gemeinsamer Übereinkunft die Regeln des Zusammenlebens festlegen. Welch traumtänzerischer Gesinnung mag nur die Idee entspringen, dass dies auf dem globalen Spielfeld, in welchem unser Mitwirken marginal ist funktionieren möge? Deswegen hat jedes Land auf dieser Erde ein Sicherheitsdispositiv und wir haben in unserer Bundesverfassung festgehalten, dass wir eine Armee haben, welche dem Friedenserhalt dient und das Land und seine Bevölkerung schützt.

 

Sie führen den bösen Feind und das Réduit auf das Feld, sprechen gar von einem Mythos. Es ist ein Phänomen, dass Armeegegner sich stets auf die Feindbilder der vergangenen knapp hundert Jahre berufen und im selben Atemzug der Landesverteidigung vorhalten, sie sei nicht zukunftsgerichtet. Herr Chefredakteur, die einzigen, welche noch vom „Böfei“ sprechen sind Ihre Gesinnungsgenossen und vielleicht wäre es an der Zeit, sich von antiquierten Argumentationsketten zu lösen und anstelle von Polemik auf Kosten der Landesverteidigung während des zweiten Weltkriegs sich selbst mit aktuellen Szenarien zu befassen.

Dieses hohe Informationsdefizit hält die Gegnerschaft jedoch in keiner Weise davon ab, den Absolventen der Militärakademie zu erklären, welche Strategie eine Armee einzuschlagen hat und welche Rüstungsgegenstände dafür erforderlich sind.

Woher nimmt man diese Arroganz?

 

Gemäss Ihrer Einschätzung sind flächendeckende Auseinandersetzungen so unwahrscheinlich, wie nie zuvor. Dieses Argument liegt ganz oben auf dem Stapel der Armeegegner. Ob die Armee nun neue Schnürsenkel oder einen Mörser benötigt, bewaffnete Konflikte sind stets so gut wie ausgeschlossen. Jetzt und in jeder erdenklichen Zukunft.

Ich mag mich nicht entsinnen, jemals einen Tag die Nachrichten verfolgt zu haben ohne von einem militärischen Konflikt zu hören, sehen oder zu lesen. Die Rüstungsindustrie schreibt Jahr für Jahr höhere Milliardenumsätze und nur auf Halde beschaffen wird wohl keine Armee.

 

Die Herausforderung besteht darin, sich heute auf ein eventuelles Szenario von morgen vorzubereiten und ich bin froh, stützen sich die Prognosen nicht auf das Wunschdenken von Pazifisten.

 

Brauchen wir die Kampfflugzeuge?

Führen wir uns eine Analogie vor Augen; sie beschliessen in Ihrem Eigenheim auf Erdsonden zu setzen. Ich unterstelle, dass sich Ihr Auftrag darauf beschränkt, dass am Schluss vier Löcher von 60 Metern Tiefe im Vorgarten zu sein haben.

Bestehen sie darauf, dass die Firma keine Bohrer einsetzen darf, wird ihnen erklärt werden, dass dies mit der Nutzung der Erdwärme furchtbar schwierig werden würde.

 

Um ihren Auftrag wahrnehmen zu können, benötigt die Armee die richtigen Werkzeuge, in diesem aktuellen Fall sind dies Flugzeuge. Ist für mich nachvollziehbar. Nicht, weil wir in den letzten drei Jahren 20 Flugzeuge abgefangen haben, sondern weil eine Versicherung im Grundsatz darin besteht, dass die Auswirkungen im Eintrittsfall aufzufangen sind.

Also sollen sie die Flugzeuge haben. Es wäre ja irgendwie dümmlich, eine Dienstleistung einzufordern, in diesem Fall die Verteidigung des Landes, und dem Dienstleister mit allen Möglichkeiten die Erfüllung zu vereiteln. Als würde ich sie zum Hürdenlauf in Skischuhen an den Start stellen und mich hernach über die mangelhafte Leistung beschweren.

 

Sie möchten die Beschaffungsvorlage verwenden, um eine breite und grundlegende Diskussion über die Armee anzustossen.

Klingt pathetisch, doch so neu ist ihr hehres Ziel nicht, Herr Chefredaktor. Würde ein Wechsel des Schuhcreme-Lieferanten des politischen Segens bedürfen, würden wir innert einer Woche über den Sinn von Kampfstiefel debattieren und spätestens nach zehn Tagen käme das Argument, hätten wir keine Armee, würden wir auch keine Schuhcreme benötigen.

 

Ihre Grundsatzfragen sind an sich schnell beantwortet. 5 Milliarden pro Jahr. Das Parlament hat dieses Budget gesprochen und beantwortet Ihre Frage, was wir unsere Sicherheit kosten lassen wollen. Mehr gibt es nicht und die Armee hat den Auftrag, mit diesem Geld den maximal möglichen Schutz aufzubauen. Und wenn sie dafür Flugzeuge will, dann kauft und unterhaltet sie diese aus diesem Budget.

Dafür machen wir keine Abstriche bei der Bildung, keine beim Klimaschutz und keine beim Vaterschaftsurlaub.

 

Ihre übrigen Fragen zu allfälligen Partnerschaften, der Kosten und so weiter sind ganz flott beantwortet. Ihre Auslegung, die Neutralität sei uns aufgezwungen worden mag ich in dieser Form nicht unterschreiben, aber halten wir uns an die Fakten. Wir sind ein neutraler Staat, in der Bundesverfassung ist festgehalten, diese Neutralität zu wahren. Was somit ihre Fragen zu allfälligen Bündnissen beantwortet.

Ganz leicht nachvollziehbar sind ihre Absichten hingegen nicht. Den Gedanken verfolgend, möchten sie also unsere Armee aufgeben, die Neutralität der Schweiz aufheben und ein Bündnis mit der Armee eines Drittstaates eingehen?

Sprich, wir, die kein ganzes Prozent des BIP für die Verteidigung aufwenden, würden künftig die immens kostspieligere Armee eines anderen Landes mitfinanzieren? Dabei womöglich noch in Rüstungsfragen mitsprechen wollen und nebenbei bewaffnete Konflikte subventionieren? Ganz zu schweigen davon, dass dieser Gedanke an Absurdität nicht zu toppen ist, wer um Himmels willen sollte die Verträge ausarbeiten? Bei allem Patriotismus, das Ausarbeiten von Verträgen mit anderen Regierungen zählt nun ganz gewiss nicht zu den Stärken der Eidgenossenschaft.

 

Sie möchten mit Frau Bundesrätin Amherd reden? Ich würde Ihnen nahelegen, erst Ihre Hausaufgaben zu machen. Um mit einem Zitat zu enden „Niemand hätte sie zu Muhammed Ali in den Ring gelassen, nur, weil sie glauben boxen zu können“

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Von Wölfen, Stinkkäfern und Aschenbechern

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Die Samurai-Wespe soll ins Land geladen werden, um dem Stinkkäfer den Garaus zu machen.

… und dies gedacht

Im Grundsatz stellt ja alles, was zusätzlich ins Land kommt eine Bereicherung dar. Erklären zumindest vordergründig Sozi-Politiker. Diversität und Multikulti ist das Stichwort. Beim Stinkkäfer denkt man hier wohl eine Idee rassistischer und will den Lümmel wieder loswerden, oder zumindest die Ausbreitung regulieren. Die Hemmschwelle scheint hier etwas niedriger zu sein, als bei Bären oder Wölfen. Der Stinkkäfer hat seinen Heimatort in Asien. Vor 13 Jahren wurde er das erste Mal in Zürich gesichtet und wollte von hier aus den europäischen Kontinent übernehmen. Sein erster Versuch, die Einreise in einer Kiste nach Bremerhaven war nicht erfolgreich. Also startete er 4 Jahre später eine neue Invasion und reiste via Konstanz ein. Mittlerweile vergällt er auch Obstbauern in Italien erfolgreich die Geschäfte.
Da es dem Kerl an einheimischen Feinden fehlt, will man nun im Rahmen eines grosszügigen Nachbarschaftsnachzug die Samurai-Wespe in unser Ökosystem integrieren.
Wie läuft es eigentlich in Australien mit der Aga-Kröte?

Bringt uns zum nächsten Thema.

Dies gelesen…

Schafzüchter senden einen Hilferuf an die Städter. Am 27. September wird darüber abgestimmt, ob Kantone den Abschuss von Wölfen anordnen dürfen. Dazu soll ein neues Jagdgesetz verabschiedet werden. Prognosen zeigen auf, dass dem Gesetz rund 50% der Bevölkerung eher ablehnend gegenüberstehen.

… und dies gedacht

Ich fühle mich ein wenig an die Zweitwohnungsinitiative erinnert.
Die Städter und Unterländer im Allgemeinen haben ihre Heidi-Vorstellung von der Bergwelt. In selbiger stehen wenige, schnuckelige Alphütten, pfeifen die Murmeltiere und weiden die Kühe. Und mittlerweile heult auch der Wolf. Er unterstreicht den wilden Charakter unserer schroffen Bergwelt zusätzlich, einfach perfekt.
Die Unterländer vergessen gerne, dass das Oberland nicht ihr privates vom Bund subventioniertes Naherholungsgebiet und SUV-Paradies ist, sondern dass dort auch Menschen leben und überleben. Wie zum Beispiel die Schafhirten.
Ich gestehe, ein wenig hin und her gerissen zu sein. Der Abschuss des Wolfes geht, wie die hierzulande betriebene Jagd im Allgemeinen, auch gegen meine Prinzipien. Im Gegenzug ist mir auch bewusst, dass die Menschheit seit geraumer Zeit die Natur gestaltet, wie es gerade zum Zeitgeist passt. Der Trend zeigt gerade in Richtung „zurück zum Ursprung“ und wenn wir es könnten, würden wir auch wieder Dinos springen lassen.
Jede Neuerung bedarf ein Kompromiss an anderer Stelle. Opportunitätskosten nennt man dies. Für das Idyll wollen wir den Wolf, dafür opfern wir eben mehrere hundert Schafe und Ziegen.
Für den Stadtzürcher kein Weltuntergang. Er sitzt in der behaglichen Stadt und freut sich ob der Biodiversität in seinem Urlaubsparadies und ist stolz, etwas für die Umwelt zu tun.
Für den Bergler geht es um die Existenz.
In meinen Augen einmal mehr die unglückliche Seite der Demokratie. Die Stimme des grössten Honk zählt gleich viel wie jene, des gewissenhaften Wählers. Betroffene und Zaungäste können ihre Meinung gleichsam kundtun.

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Ein Nutzer wollte auf Ricardo einen alten Comella-Aschenbecher feil bieten. Diesen zierte das Konterfei eines afrikanischen Stereotype; schwarzes Männchen, Ohrringe, wulstige Lippen.
Ricardo hat das Angebot nach mehreren Beschwerden gelöscht.

…und dies gedacht

Natürlich wollte er provozieren, da braucht man mir nichts weismachen zu wollen. Aus welchem Grund sonst bietet man einen solchen Gegenstand an, welcher noch nicht einmal sonderlich dekorativ ist.
Aber dennoch, wir begeben uns auf einen gefährlichen Pfad. Filme wie „Vom Winde verweht“ stehen auf dem Index, da sie eine Botschaft vermitteln, welche nicht zu unserem Zeitgeist passt.
Die letzte grossangelegte Korrektur in dieser Form fand unter dem Banner „Aktion wider den undeutschen Geist“ statt.
Ich hoffe, dass wir den uns zwischenzeitlich aufgebauten gesunden Menschenverstand und die Fähigkeit zu differenzieren nicht in einem Anflug von politischer Überkorrektheit und vorauseilender Gehorsamkeit auf den Stapel brennender Globi-Bücher werfen.

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Geld aus dem Nichts

Man könnte sagen, ich habe es geschafft. Unternehme ich eine gedankliche Zeitreise von 10 bis 15 Jahren war es mein Traum, in einem öffentlichen Betrieb zu arbeiten. Kein Gedanke daran zu verschwenden, woher kommt mein Lohn und welche Leistung wird dafür gefordert.
Ein geschätzter Arbeitgeber plauderte aus dem Nähkästchen; „morgens schaust du einen Ordner an, nachmittags ziehst du einen anderen aus dem Regal, widmest dich selbigem und abends gehst du heim. Glaube mir, das willst du nicht. Das kannst du nicht. Nicht du.“ Nach meinem damaligen Dafürhalten hat der gute Mann soeben das Vorzimmer des Paradieses beschrieben.
Doch er sollte recht behalten.
Um etwas philosophisch zu werden, der Wert der Zeit lässt sich nicht mit Geld beziffern. Ich weiss noch nicht einmal genau, wieviel jede Minute sitzen in meinen Klingelbeutel spült, doch wäre es mir ein Ding der Unmöglichkeit einen Betrag festzusetzen, ab welchem mir der Aufwand nicht mehr zu schade wäre. Wobei, ich behaupte, ab 18 Millionen verkauft jeder seine Grossmutter, so ehrenhaft seine Gesinnung und Moral auch sei

Doch vielleicht ist Hans Dampf auch einfach notorisch unzufrieden. Also drehe ich mich einmal im Kreis, entnehme meiner höchstpersönlichen und nur durch mich genutzten, heute kann man mit Corona alles begründen, Nespresso-Maschine einen Kaffee und erfreue mich daran, dass ich während der Arbeitszeit einen Blog tippe.

Von oben beschriebenem Erwerb träumt so mancher Erdenbürger. Wobei, die gehen noch eine Stufe weiter und ergänzen den Traum mit einem Tausch des Bürostuhls gegen eine Hängematte.
Ist man ein wenig in sozialen Netzwerken unterwegs, führt sich dann und wann ein Promi-Magazin zu Gemüte, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, eine gewisse Bevölkerungsschicht hat geschafft wovon Alchimisten seit Anbeginn der Zeit träumen und haben es noch übertroffen; sie machen Geld aus dem Nichts. Natürlich, Herr Binswanger hat es mir erklärt, unsere Banken schaffen dies Tag für Tag. Aber der angesprochene Menschenschlag benötigt dazu noch nicht einmal einen Hauptschulabschluss, dies ist dann doch nochmals eine andere Liga. Der erforderliche Stein der Weisen verliert seinen mystischen Zauber, da sein Geheimnis nicht auf einer Smaragdtafel verewigt, sondern, dies ist noch idealisiert, als Blaupause in der Schublade eines fernöstlichen Smartphone-Produzenten liegt.

Was war zuerst; das Huhn oder das Ei? Formen die Stars der Stunde eine Gesellschaft, welche mit knapper Not ohne fremde Hilfe die Herausforderung meistert, den Speichel nicht einfach aus dem Mund rinnen zu lassen, oder hat die Gesellschaft Stars herausgebracht, welche jeden Morgen dankbar sind, dass es Schuhe mit Klettverschluss gibt. Sehen wir uns nun mit dem Resultat unzähliger 90er-Jahre Talkshows konfrontiert?

Britt deckt auf!
Die Vaterschaft ist mit 99.999993 Prozent bestätigt.
Wow… ich dachte ja, dass ich der Vater bin, aber nicht mit so viel Prozent…

Gewiss, ich trage meinen Teil dazu bei. Bestimmt gibt es medizinische Fachbegriffe dafür, ertappe ich mich immer wieder dabei wie ich mir Unterschichten-Fernsehen gönne, um mich über die Protagonisten aufzuregen. Ja, ich könnte noch nicht einmal beschwichtigend anführen, beim Zappen hängengeblieben zu sein, nein, ich schaue es ganz gezielt.
Um „prominent“ zu sein, bedarf es heute nicht mehr viel. Wann immer „Promis“ in ein Sommerhaus der Stars ziehen oder sich einen Kampf der Reality-Stars liefern (tiefer geht es nicht mehr, glaubt mir), muss ich mir eingestehen, dass ich weder diesen Muskelprotz noch jene tätowierte Plattenbau-Prinzessin kenne. Die Teilnahme an einer Bums-Insel-Sendung (Love-Island, Bachelor in Paradies u.ä.) genügt bereits um bei der nächsten H&M-Eröffnung Autogramme zu unterzeichnen.

Schuld daran sind die sozialen Netzwerke. Die Teilnahme an einem solchen Format lässt die Follower-Zahlen in die Höhe schnellen und ab einer gewissen Marke wird man zu einem interessanten Werbeträger. Frau räkelt sich dann lasziv und leicht bekleidet zwischen Bettlaken und spricht von ihrer tollen Erfahrung mit einem Turnschuh der Marke Schlag-mich-tot. Auch sehr gern verwendet wird „Hey Freunde, ihr habt mich gefragt, was ich letzten Dienstag für einen tollen Lippenstift verwendet…“… Klar; du hast mit einem Adonis Szenen geliefert, welche so früher erst ab 23:45 in Lederhosenfilmen geboten wurden, aber die Zuschauer haben deinen Lippenstift bemerkt.

Das Tolle an sozialen Netzwerken ist, jeder kann sie nutzen. Und so träumen immer mehr Menschen aus dem unmittelbaren Umfeld vom Geld ohne Arbeit. Man beginnt das Profil aufzubauen mit aufreizenden Fotos. Stets untermalt mit einer geheuchelten Naivität. Frau setzt ihre Auslegeware ein, um Heerscharen von geifernden Followern anzuhäufen und in jedem zehnten Post wird darauf hingewiesen, dass es falsch ist, Frau als Objekt der sexuellen Begierde zu sehen. Dies sind dann die Schwarz-weiss-Fotos im hochgeschlossenen Rolli, in Denkerpose und einer Hashtag-Verlinkung auf irgendeinen dramatischen Vorfall in der Welt der Sternchen.
Und irgendwann sieht man die Menschen, Po raus, Bauch rein, Brust gestreckt, als Werbeträger für einen Bilderrahmen. Also mal ehrlich; so weit hergeholt ist der Vergleich zur Bordsteinschwalbe nicht. Im Gegensatz zu einer Charlize Theron kennt die Hilde aus Beggingen kein Mensch, man folgt ihr einfach, weil sie straffe Brüste hat und mit selbigen versucht uns ein Knuspermüsli schmackhaft zu machen.

So erlebt auch das Network-Marketing ein Revival. Wobei, vielleicht war es immer da, ich habe es nur nicht mitgekriegt, weil das Ganze ja einen gewissen Kollegenkreis als Fundament erfordert.
Plötzlich erscheinen in den Stories wieder alleinerziehende Mamis, welche uns mitnehmen. Zum Lauftraining, zum Frühstück, zum Mittagessen, zum Team-Event mit anderen alleinerziehenden Mamis.
Und alle stehen verzaubert im Bann des Herrn Hugentobler aus Stuttgart, welcher im See-Restaurant Hecht nach dem üppigen Zwölf-Franken-Mittagsmahl den Damen erklärt, wie man ganz schnell, ganz einfach zu viel Geld kommen kann. Und er muss es ja wissen, ist er doch mit dem Porsche angereist. Man arbeitet wo man will, so viel man will und wann man will. Klingt schon toll, gebe ich zu. Er selber öffne eigentlich nur noch jeden Morgen den Briefkasten und nimmt Umschläge voller Geld raus. Und ihr könnt dies auch, weil es jeder kann!
Der Herr Hugentobler weiht einem also in das Geheimnis seines Erfolgs ein. Nicht, weil er Philanthrop ist, sondern weil es für seinen Erfolg elementar ist, dass die Menschen das Geheimnis kennen, wiederum andere in das Geheimnis einweihen, welche wiederum weitere in das Geheimnis… mein Gott, so funktioniert Network-Marketing mal eben, ist ja nichts dabei.
Und die Damen hängen an seinen Lippen.
Das Produkt geht dabei beinahe unter. Es könnten rostige Schürhaken sein. Denn das Geheimnis ist nicht, dass die Damen rostige Schürhaken verkaufen. Sie sollen nur Menschen gewinnen, welche rostige Schürhaken in Lizenz verkaufen. Klar, irgendwann muss eine arme Seele einen rostigen Schürhaken kaufen, aber nicht ihr, die ihr hier sitzt. Aber ihr streicht von jedem verkauften rostigen Schürhaken einen Gewinn ein, deswegen wäre es phantastisch, wenn jede von euch fünf weitere Personen findet, welche rostige Schürhaken verkauft.
Dass das Produkt ein Selbstläufer ist, stellen wir mit einem weiteren Geheimnis sicher. Nicht, dass man die Menschheit von rostigen Schürhaken überzeugen müsste, aber wir wollen doch vermeiden, dass im heimischen Badezimmer plötzlich ein Unterbedarf an rostigen Schürhaken… ok, Zeit von dieser Analogie abzukommen. Aber gesteht es, ihr zieht beinahe los, euch einen rostigen Schürhaken zu kaufen.
Nehmen wir doch an dieser Stelle eine Nahrungsergänzung und nennen sie Deppenpille. Wir wollen vermeiden, dass plötzlich keine Deppenpillen mehr im Schrank sind, auch wollen wir die Kunden vom Stress befreien, immer an die Einkäufe zu denken. Wir bieten die Pillen im Abonnement an, aus Gründen der Benutzerfreundlichkeit verlängert sich dieses Abo automatisch um drei Jahre, sofern man nicht 95 Tage im Voraus eine Kündigung absetzt. Qualifiziert schriftlich, auf handgeschöpftem Pergament mit einem Federkiel geschrieben.
Wer jetzt Deppenpillen verkaufen will, hat die Idee nicht verstanden.
Ihr braucht keine Marktanalyse, vergisst den Marketing-Mix, ihr verkauft nicht das Produkt, ihr verkauft den Lebensstil! Präsentiert eure straffen Brüste und knackigen Po’s. Zeigt eure Wangen, gerötet nach dem Herumtoben mit eurem Kind. Das Kind, welches so glücklich ist, weil Mami nun immer zuhause ist und nie mehr arbeiten muss. Zeigt verdammt nochmal das glückliche Kind! Hashtag Quality-Time! Den Followern soll das Wasser im Mund zusammenlaufen, wenn sie euer Chia-Samen-Knusperfrühstück und den Tofu-Steakersatz im Haferflockenmantel sehen. Beschreibt wie wohl euch ist und eine Knabber-Baby-Karotte den Fernsehabend mit den lieben Freundinnen doch erst so richtig gemütlich macht.
Und so nebenbei präsentiert immer wieder die Deppenpille, welche ihr zu euren Mahlzeiten einnehmt. Macht keine grosse Sache daraus, erwähnt einfach nebenbei, dass 15 Deppenpillen euch jeden Tag alles geben, was ein Körper so braucht.
Ihr braucht keine Ernährungsberater zu sein, von Sport braucht ihr nicht mehr zu wissen, als dass man sich dabei irgendwie bewegt, denn ihr seid weder Personaltrainer noch Wissenschaftler. Das ist ja das Tolle! Die Deppenpille ist quasi nur die Kirsche auf dem Eisbecher eures tollen Lifestyle.
Also eigentlich wollen wir diese gar nicht verkaufen, aber was soll ich sagen, der Porsche da draussen musste ja irgendwie bezahlt werden.

Umsätze?
Ja dies ist nun wirklich schwierig zu sagen. Denn die Individualität ist ja das Tolle dabei, jeder arbeitet so viel wie er möchte. Frau Huber ist an diesem Punkt glücklich und Frau Tobler an jenem. Daher kann man wirklich schlecht sagen, ihr habt am 25. des Monats diese oder jene Summe. Nein, es ist unmöglich zu sagen, weil ihr bestimmt selber, wieviel ihr haben wollt! Aber der Return on Investment ist ratzfatz erreicht. Ich will keine Zahlen nennen, aber mehr als in ein Deppenpillen-Abo braucht ihr nicht zu investieren und auch hier möchte ich nicht von einer Investition sprechen, denn diese hättet ihr ja so oder so gekauft. Mit der Entscheidung an unserem Deppenpillen-Meet & Greet teilzunehmen habt ihr bereits Gewinn verbucht.

Und somit beschliesse ich, bevor ich mich noch selber überzeuge und ich diese Deppenpillen kaufe. Respektive ein Abo abschliesse. Sprich, in den Deppenpillen-Wiederverkäufer-Club eintrete, um die Deppenpille überhaupt kaufen zu können.
Schneeballsysteme gibt es seit Achtzehnhundert-Apfelschnitz, also irgendwie scheint die Frage nach dem Huhn oder Ei beinahe geklärt.

Veröffentlicht unter Hossa, Kurz nachgedacht | Verschlagwortet mit , , , , , , , , , , | Kommentare deaktiviert für Geld aus dem Nichts