An Tagen wie diesen…

Jeder ist dann und wann davon betroffen. Behaupte ich. Es gibt einfach diese Tage. Tage, an deren Vorabend die Tür einer Anstalt nicht richtig verschlossen war und sich in der Folge dessen nun eine Unmenge an kognitiv eingeschränkten Personen in der freien Wildbahn herum treibt. Oder einfach nur jede Menge Honks. Honk ist ein wunderschöner Ausdruck. Er klingt nicht so hart wie „Du Arschloch“, vereint die Unzulänglichkeiten des Gegenübers jedoch wunderbar in einem Wort. Honk sagt einfach alles. Das grösste Mass an Verachtung, man würde der Person nicht zutrauen, einen Eimer Wasser auszukippen. Mit einem Arschloch kann man abends ein Bier trinken und der Groll verfliegt wieder, ein Honk ist man einfach auf Lebenszeit. Dies wäscht man nicht wieder rein, oder klärt es im Gespräch, in welchem man auf Zettel schreibt, was man an der anderen Person schätzt. Ein Honk beginnt wieder ganz unten, indem er versucht, eckige Klötzchen in das runde Loch zu stecken, dabei monumental scheitert und nie über diesen Punkt hinaus kommt.

Die Menge Honks um mich herum erfährt eine konsequente Steigerung.

Und so begann es damit, dass ich versuchte meinen Parkplatz zu verlassen. Ich lebe in einer ländlichen Umgebung, einem Dorf. Die Quartierstrasse ist so breit, dass problemlos zwei Lastwagen kreuzen können, was sie von den gängigen Dorfstrassen unterscheidet, auf welchen man sich schon auf dem Dreirad fühlt, als würde man durch ein Nadelöhr fahren.

Diese breite Strasse lädt förmlich zum wilden parkieren ein, was ich im Grundsatz nicht einmal verurteile. Die Fahrzeuge lassen jedoch konsequent einen Meter Abstand zu den parallel laufenden Liegenschaften. Hüben wie drüben. Nicht, weil da ein Gehsteig wäre, sondern weil die Strasse einfach so breit ist, dass man sich den Luxus gönnt.

Da die Schule ebenfalls an der Strasse liegt, ist sie entsprechend stark frequentiert. Von Kindern und Helikoptereltern. Die Unterscheidung ist nicht immer ganz einfach, da alt und jung auf Kickboards unterwegs sind. Ein Trend, welchen ich schon vor 25 Jahren in der Stadt Zürich nicht nachvollziehen konnte, als ich die ersten Yuppies auf diesem Kinderspielzeug sah. Es kann nur noch eine Frage der Zeit sein, bis der CFO mit seinem grünen Tret-Fendt durch das Büro fährt. Mit Hänger, versteht sich.

Dabei nutzen Kinder und Eltern natürlich nicht den meterbreiten Durchgang zwischen Liegenschaften und parkierten Fahrzeugen. Nein, die Sonne scheint so schön und es ist Dienstag, heute gehen wir mittig der Strasse. Die Botschaft an die Kinder ist so wunderprächtig, dass sie auch noch an der Hand über die angrenzende Hauptstrasse geführt werden müssen, wenn sie die Geschlechtsreife erlangt, die Tatsache, dass auf einer Strasse grosse böse Autos fahren hingegen noch nicht verinnerlicht haben.

Zu den Stosszeiten muss man also gar nicht erst durch die Strasse fahren wollen. Etwas oberhalb hat ein Gewerbetreibender seine Filiale. Ein Elektriker. Dessen Monteure stellen die Fahrzeuge gleich nahe der gedachten Mittellinie, man muss ja rangieren und beladen.

Im Herzen werde ich stets Handwerker sein, so ich irgendwie mit selbigen solidarisieren kann, wird dies auch der Fall sein. Da fahre ich gerne den Bogen. Auch wenn es nervt. Oder unmöglich ist. Weil der Koni das Margrittli getroffen hat und sie sich durch die Seitenscheiben miteinander unterhalten. Dabei keinerlei Anstalten machen sich vom Fleck zu bewegen, wofür ich hingegen überhaupt kein Verständnis habe.

Auch peinlich berührt bin ich, wenn meine Mutter den Verkehr aufhält, weil sie mich am Wegesrand entdeckt hat und durch das offene Fenster ihres Kleinwagens ein Gespräch beginnt. Vielleicht sollte man dies als Entschleunigung der Gesellschaft verstehen. Doch für gewöhnlich, so ich um 09:00 an einem Ort Y sein sollte, dabei eine Wegzeit von fünfzehn Minuten einkalkuliere, pflege ich nicht um 08:30 das heimische Gefilde zu verlassen, für den Fall, dass ich einem Akt der Entschleunigung zum Opfer fallen sollte.

Nachdem ich endlich zur Migros vorgestossen bin, stehe ich auf dem leeren Parkplatz in der Kolonne. Es ist vorbildlich, dass die Rentner um diese Zeit ihre Besorgungen erledigen. Eine Idee gefährlicher ist es, dass sie dies mit dem Fahrzeug erledigen und von der Fülle an freien Parkbuchten erschlagen, ja, überfordert sind. Da stellen sie ihren gepflegten Opel Ascona erst einmal quer in die Fahrbahn und fahren mal links, mal rechts, mal vor, mal zurück.

Ein weiteres Phänomen; je SUV-konformer die Parkplätze werden, sprich eine ausladende Breite aufweisen, desto katastrophaler wird das Parkverhalten der Lenker. Man hat ja genug Platz, da braucht man nicht zu korrigieren.  Zu guter Letzt steht das Vehikel so verquer in der Lücke, dass es unmöglich ist, selbiges wieder in den Verkehrsfluss zu integrieren, so links und rechts ebenfalls jemand parkiert.

Was nicht bedeutet, dass sie es nicht trotzdem versuchen. Davon zeugen diverse kleine „Ach ist ja nicht so schlimm…“-Kratzer und Beulen an meinem fahrbaren Untersatz.

Schlimm ist stets eine Definitionsfrage. Natürlich fährt er noch. Aber der Entscheid sollte letztendlich bei mir liegen und nicht bei Mutti, welche die Seitentüre stakkatoartig gegen mein Gefährt dengelt, während sie den Nachwuchs in den Fond ihres SUV verfrachtet. Mir ist schon klar, wenn ich die Krümel auf der Rückbank, das Spielzeug auf dem Boden und die vollgekotzte Rückenlehne des Beifahrers begutachte, liegt ihre Messlatte für „Schlimm“ auf einer anderen Ebene als meine, aber dies ist noch keine Entschuldigung.

Im Inneren der Filiale begegnet mir natürlich die den Fahrzeugen entsprechende Klientel. Die lieben Rentner, welche den Einkauf zelebrieren.

Mein Einkauf gleicht dem Kommissionieren von Waren. Ich weiss was ich brauche, gehe einmal zügig durch und zur Kasse. Natürlich lasse ich mich von einer Aktion einwickeln und im Fluss bremsen, aber ich positioniere mich nicht vor den Karotten und warte auf eine Inspiration, bevor ich zu den Gurken greife. Dabei den Wagen neben mir parallel zur Auslage parkieren, damit auch gewiss keiner an die Äpfel und Radieschen gelangt.

Gerade in der von Abstand geprägten Zeit. Liebe Rentner, ihr wisst schon, dass ich diesen Stofffetzen nicht zuletzt vor dem Mund trage, um eure Lebenszeit nicht zu beschneiden? Es wäre doch einfach ein gewisser Ausdruck von Höflichkeit, würdet ihr es mir gleich tun. Man stellt sich schon die Frage, wie jene Menschen wohl ein Kondom überziehen, welche bei der Schutzmaske die Nase raushängen lassen. Wenn es jedoch der Herr Hugentobler schafft, dass auch die linke Mundhälfte hervorblitzt, kommt man nicht um den Verdacht rum, er hätte dies vor dem Spiegel zuhause einstudiert. So bescheuert kann man doch nicht sein. Wobei, es war auch schon ein Trend den Hosenbund unter dem Po zu tragen, daher kann man wohl doch.

Es hat sich eingebürgert, dass aber einer Wagenfüllhöhe von 65,3 Prozent, 1.8 Gemüsesorten vom Kassenbereich in die Gemüseabteilung zum Wägen gesandt werden. Man ist schon irritiert, wenn dies nicht der Fall ist. Was sind dies für Menschen? Fällt ihnen auf der Fahrt nach Winterthur auch auf der Höhe von Andelfingen auf, dass sie sich hätten ins Auto setzen sollen?

Dann ist da auch meine Lieblingskassiererin am Werk.

In einem internen Verkaufskurs wurde ihr wohl beigebracht, dass sie dem Kunden in die Augen sehen soll. Ist im Grundsatz ganz freundlich. Aber sie kann nicht zur gleichen Zeit „Grüäzi“ sagen, einem in die Augen schauen und einen Artikel über den Scanner ziehen. Es geschieht stets in einer sequentiellen Abfolge und dieser Prozess wird bei jedem Wortfetzen wieder unterbrochen und an den Anfang zurück gesetzt. Mit einer kleinen Verzögerung bis zur Wiederaufnahme.
„Grüäzi“

„Händ sie Cumulus….“
„Ah… „

„Danke…“

„Ade…“

„En schöne Obig…“

„Danke…“

„Ade…“

Und jedes Mal der hypnotische Augenkontakt. Ja, sie dreht sich auf dem Stuhl und gerät aus dem Takt, weil sie ja bereits den nächsten Kunden am bedienen ist, welchem dieselbe Aufmerksamkeit zuteil wird.

Ich lästere ungern über die nette Frau ab, aber bisweilen, in 80 Prozent der Fälle, ist es einfach zu viel. Und sie möge doch den Stock in die Gartenabteilung zurück bringen.

Kaum zuhause stelle ich fest, dass ich infolge meines ausgeprägten Fluchtreflex in der nervaufreibenden Migrosfiliale diverse Artikel vergessen habe. Auf in den Dorfladen… doch diese Geschichte erzähle ich euch das nächste Mal.

Über RAB

Ein Schreiberling mit nüchternem Blick auf das Leben, beim Versuch, selbiges aus satirischer Sicht etwas angenehmer zu bewältigen.
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