It’s a match

Und dann sitzt man vor dem Bildschirm und aktualisiert im fünf Sekunden-Takt. Die Schlussszene von The Social Network, Zuckerberg hat soeben seinem secret crush – heimlicher Schwarm für die Älteren – eine Freundschaftsanfrage gesendet und wartet nun auf die Annahme.

Dieser Abspann scheint mir sinnbildlich für Dating-Apps. Ist mir bewusst, schon den ein oder anderen Beitrag über dieses Thema getippt, wohnt dem nicht eine gewisse Tragik inne? Obwohl ich es von der anderen Seite beleuchte; dieser Quatsch funktioniert. Denn im Endeffekt wäre es ungerechtfertigt Bumble oder Tinder eine Schuld anzulasten, wenn man über die Alltagshürden stolpert.

Doch beim Eintritt in die Online-Datingwelt sollte man ein reines Karma und eine Schubkarre voller Glück mitbringen. Ist Glück eigentlich eine endliche Grösse? Ich behaupte nein. Aber wie der liebe Gott manche Menschen kurz vor Feierabend gemacht wird, war er bei der Verteilung von Glück auch zu faul das Zuckersieb zu holen und streute aus dem Handgelenk. Daher wandeln auf diesem Planeten nun Gustav Gans und Donald Duck.

Donald ist mir im Grundsatz sympathischer, aber wenn es wirklich zählt, bin ich schon vom Glück geküsst. Will ich einfach festhalten. Damit ihr schon gar nicht erst Luft holt um ein Mimimimi zu artikulieren.

Also eigentlich gehören sämtliche Anbieter von Dating-Plattformen standrechtlich erschossen.

Soziale Interaktionen wie Partnerschaft und Liebe zählen zu den Grundbedürfnissen des Menschen. Sagt Maslow. Wie Essen und Luft.

Und wo ein Bedürfnis, besteht ein Markt. Deswegen haben wir die Option zum Atmen nach Davos zu fahren und unser täglich Brot finden wir vom Bäcker, über die Tankstelle, bis zum Sandwich im Blister aus dem Selecta-Automaten. Dann gibt es wieder Bedürfnisse, bei welchen der Staat eingreift, um Schindluder zu unterbinden. Durch die obligatorische Krankenversicherung haben alle Menschen Zugang zu einer medizinischen Versorgung und eine Klassengesellschaft wird verhindert.

Wie ist dies nun mit dem Seelenheil der Menschen?

Da gibt es die offiziellen Verkaufskanäle für Liebe. Selbstverständlich bieten Elitepartner und Parship gewisse kostenlose Dienstleistungen an. Aber mal ehrlich; so deppert ist wohl keiner, dass er annimmt, mit seiner Gratisteilname einen Blumentopf oder in diesem Fall eine kluge, wortgewandte und wunderschöne Lebensabschnittspartnerin vermittelt zu erhalten. Dafür läuft auf den Privatsendern zu viel Werbung für die Portale.

Im Gegensatz zu den Datingapps. Da wird suggeriert, dass der Logarithmus Personen mit ähnlichen Präferenzen und Absichten sucht und diese digital einander vorschlägt. Ich sage klar suggeriert, denn in den AGB steht kein Ton davon. Ja, hatte Langeweile und habe mir diese mal angeguckt.

In den FAQ hingegen wird erklärt, dass das System so funktioniert. Nur bezieht sich der Klick auf «Einverstanden» nicht auf FAQ sondern auf Allgemeine Geschäftsbedingungen.

Am Logarithmus zweifle ich nicht, der wird tadellos funktionieren. Schliesslich gilt es jede Menge persönlicher Daten abzugreifen und zu sortieren. Aber die Vorschläge scheinen dann eher auf einem Zufallsprinzip zu basieren. Einem etwas gesteuerten Zufallsprinzip. Nur eben anders, als die Augenwischerei es einem glauben macht.

Hattet ihr noch nie das Gefühl; Hui, diese Person passt aber wie Arsch auf Eimer. Obwohl, in meinem Fall dies schon wieder hinfällig wäre, kaum bedient sich Frau dieser Redewendung. Ist mein Ding, Fäkalsprache kann ich einfach nicht ertragen.

Aber ihr wischt nun mit blutigem Finger, sieht obengenanntes Hui und seit beinahe (Scherz, seid…) schockverliebt. So sicher wie das Amen in der Kirche bietet euch Tinder umgehend an, einen Superlike zu vergeben. Kostenpflichtig, zu erstehen im Dreierpack à 9 Euro. Natürlich, du kannst auch einfach normal Liken, aber mit einem Superlike erhöhst du die Chance auf einen Match um das Dreifache.

Moment. Also dieses System geht ja weder vorne noch hinten auf. Die einzige Möglichkeit, die Chance auf ein Match zu erhöhen liegt für Tinder darin, dein Profil deinem Hui-Crush überhaupt zu zeigen. Denn einen Match erzwingen können sie ja (noch) nicht. Sprich, die einzig logische Konsequenz eines normalen, kostenlosen Likes wäre, dass deine Karte bei deinem Hui-Crush garantiert NICHT erscheint. Und rein betriebswirtschaftlich ist dies das einzige was Sinn macht. Denn wenn du mit einem normalen Like Erfolg hättest, warum solltest du jemals einen Superlike kaufen?

Also hier krankt die Nummer mit der kostenlos-Versprechung bereits ordentlich.

Eurem Gegenüber, dem Hui-Crush, sollte nun angezeigt werden; Hey, da hat jemand einen Superlike gegeben!
Also nach den normalen Regeln, und dem Märchen aus der App-Anpreisung, hättest du sowieso bei Hui auf dem Bildschirm erscheinen müssen. Denn wenn ihr beide Kino liebt, Hunde knuddelt und jeden Freitag Laser-Tag spielt seid ihr ja ein absolutes Match. Würde sogar ein EA-Logarithmus erkennen. Im dritten Anlauf.

Aber welche Motivation hätte Tinder denn, euch zu verbandeln? Wie Paarship, welches die Kunden am liebsten paarweise verliert. Und sich freut! Habt ihr jemals erlebt, dass die Migros-Belegschaft applaudiert hat, weil ihr eine Coop-Filiale betreten habt? Gut, bei dem ein oder anderen Kunden gewiss, aber grundsätzlich öffnen die wenigsten gewinnorientierten Geschäftsführer eine Flasche Prosecco, wenn ihr euren Lebensmittelbezug per sofort einstellt. Ob alleine oder paarweise.

Diese Geschichte geht also auch nicht auf. Hindert Tinder natürlich nicht daran, nochmals beherzt an die Milchzitzen, verzeiht den Vergleich, zu greifen. Denn eurem Hui-Crush… vielleicht sollte ich Namen vergeben. Nennen wir sie Victoria und David.

Victoria erhält umgehend ein Angebot um zu sehen, wer ihr einen Superlike gegeben hat. Dafür braucht sie nur ein Abo für rund 50 Euronen zu lösen. Tinder Gold.

Eine Garantie, dass David ihr angezeigt gibt es natürlich nicht, aber die Möglichkeit besteht zumindest.

Weil Victoria, und da müssen wir nicht hinterm Berg halten, wohl noch manches Crush sein wird, dreht der feiste Manager seinen Stuhl wieder David zu. Schnell ein Rückblick; obwohl Tinder «verspricht» in der Grundfunktion können man liken und matchen ist die Sache eben doch nicht ganz in trocknen Tüchern. Daher haben sie ihm den Superlike verkauft. Um seine Chancen, welche bereits kostenlos vollends intakt sein sollten, noch etwas zu steigern, kann er bei Victoria, bei welcher er so oder so sofort erscheinen sollte, durch einen Top Pick etwas nach vorne rutschen. Kostet ihn um die 60 Euronen. Monatlich. Tinder Platinum.

Die Preise zu finden ist im übrigen gar nicht so einfach. Diese sind flexibel. In etwa davon abhängig, ob du ein Zipfelchen hast oder nicht, ob du jung und mittellos oder alt und verzweifelt bist, Downtown oder im Donnertal am Löwenzahn unter der alten Linde, wo die Sonne das Eichhörnchen küsst wohnst.

Ja… aber…

Selbstverständlich hattet ihr schon Likes und Matches. Ja, es hat sogar schon funktioniert, kann ich bestätigen.

Aber euer letzter Match bei Tinder ist vergleichbar mit dem Kugelschreiber am Gemüseraffelstand, welchen ihr gestern an der Herbstmesse abgegriffen hat. Der Herr im weissen Hemd verschenkt auch kein Gurkenhobel, sondern ein kleines Goodie um euch an den Stand zu locken.

Wie es an jeder Messe kleine Männchen unter blaugelben Schirmmützen, in durchgelaufenen Schuhen und zu grosser Helly Hansen Jacke gibt, welche in einem Jutebeutel der Pro Juventute Abziehbilder, Haftnotizblöcke und Kugelschreiber sammeln, damit glücklich sind und keine Minute daran denken, einen Karton Chardonnay zu kaufen, ist euer zufälliges Match und Zusammenleben eine wunderbare Sache, aber ganz gewiss nicht im Sinne der Dating-App-Betreiber.

Sorry.

Aber ich kann auch romantisch. Organisiere schöne Sonnenuntergänge.

Über RAB

Ein Schreiberling mit nüchternem Blick auf das Leben, beim Versuch, selbiges aus satirischer Sicht etwas angenehmer zu bewältigen.
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