Zeig mir wie du wohnst – Teil 2

Dann natürlich die Operationssaal-Wohnung. Clean. Zu clean. Ich mag es sauber, doch nicht dieses sauber… Kein Laut erklingt wenn wir den Flur entlang gehen. Nur das Geräusch unserer Schritte. Doch sobald man innehält um sich umzuschauen, ein Zischgeräusch.

Diese Dinger sind einfach Psycho, mal ehrlich. Es ist schon schwierig, zugegeben; Den eigenen Mief nimmt man nicht wahr, vielleicht stinkt meine Wohnung wie ein Rattenloch, vielleicht geht meine Liebe zu IKEA Vanillekerzen etwas zu weit, wie dem auch sei; Wenn auf Schritt und Tritt ein Brise sens & spray meine Spuren zu verwischen sucht, in jeder Dose ein Air-Wick steckt, dann ist in diesem Raum was nicht koscher.
Ihr habt den Film Sieben gesehen? Natürlich, ihr erinnert Euch auch an die Szene, als der Herr Pitt den Raum mit dem Protagonisten für Faulheit Schrägstrich Trägheit betrat.

Euch zuliebe habe ich den Ekeltyp verpixelt, doch man beachte die Duftbäume an der Decke.
Lange Rede, kurzer Sinn; Wann immer ich einen überparfümierten Raum betrete, habe ich diesen Film vor Augen. Vernimmt man dazu noch beim dritten Schritt im vermeintlich leeren Wohnzimmer von hinten Rechts ein “Grüäzi”, darf ein kurzes Erschrecken wohl erlaubt sein. So behält man also den Messerblock in der klinisch reinen Küche stets im Auge, während man an des Mieters Antennendose zugange ist. Den guten, langen 5-er Schlitzschraubenzieher stets in Griffnähe.

Wo wir gleich bei Zischen sind, laufe ich nun Gefahr als Weichei gestempelt zu werden, doch ich habe panische Angst vor Reptilien. Wenn sie Füsse haben wirken sie irgendwie berechenbar, kann ich damit umgehen, will sagen; Eine Wohnung bietet genug Platz um einen für mich akzeptablen Abstand einzuhalten. Aber jene welche sich kriechend, schlängelnd fortbewegen, einem mit lidlosen Augen fixieren und womöglich toxisches Sekret entgegenspritzen; Nein, wir gehören nicht in denselben Raum. Schon der Anblick eines Terrariums lässt mich innehalten und nicht selten starre ich geraume Zeit hinein. Aus der maximalen Distanz, versteht sich. Bevor ich nicht genau geklärt habe, dass nichts gefährlicheres als Sancho und Pancho in diesem Behältnis sitzt, mache ich keinen Schritt.

In der Regel muss ein Kollege einspringen; Ja, es wurde gar schon ein weiterer von der Firma herbestellt, weil ich ausserstande war eine Wohnung mit Terrarien voller Schlangen zu betreten. Nun ist es raus, aber unter uns Pastorentöchtern; Die Haltung von Reptilien ist auch nicht normal. Was gibt einem schon sowas stoisches, schuppiges. Man kann es nicht streicheln, man kann nicht damit spielen, man kann nur auf den Nervenkitzel warten, dass eines Abends der Deckel dieser Glasbox nicht richtig geschlossen ist…

Vom Psycho gehen wir weiter zur netten Oma und wir wünschen uns nichts weniger, als eine Brise sens & spray oder ein Air-Wick in der Dose. Wir hatten nichts, es war ja Krieg, und so geht Omi auch mit der Wärme im Raum sehr haushalterisch um. Nur kein Fenster öffnen, lieber noch einen Aufguss auf den glühenden Radiator. Nicht mit der Holzkelle obwohl das Wohnzimmer jeder finnischen Sauna die feuchte Stirn bietet, nein, mit einem verkalkten Litermass wird der siedende Radiator-Verdunster nachgefüllt.
Ein hübscher, mit Rosen, Nelken und so.

Die Antennendose natürlich hinter der wuchtigen Wohnwand, das Holz von dem Masola-Halle-Ambiente verzogen, dass wir zu zweit die Schublade voller Tischtücher und Tellerwärmer raushebeln, bis wir hintenüber in einer Staubwolke in den guten, alten Flokati purzeln während die Macrame-Eule den Kopf zu schütteln scheint. Vielleicht ist es aber auch nur die körperliche Höchstleistung in einem Sauerstoffarmen Raum. Der Duft von geronnener Milch und die Ausdünstungen allerlei Wundsalben vernebeln mir langsam das Hirn, glaube ich doch, der photografisch abgelichtete leicht adipöse Enkel im schönsten Sonntags-Pullunder hat mir eben zugezwinkert und die alte Pendeluhr schlägt 25 Mal. So robbt man durch die Todeszone unter die Wohnwand, wissentlich, dass das letzte Stündchen geschlagen hat wenn Opa selig beim Ausschneiden der Rückenelemente für den Zugang zu den Dosen etwa tragende Elemente entfernt hat. Da steht man nicht auf wie Wolverine und schnippt das IKEA-Regal Schuppen gleich von den Schultern; Nein, sang und klanglos wird dein Rückgrat durch schweres Eichenholz, beschwert mit einer halben Tonne Nippes in die Schubladenfugen gepresst und die Spitzendecke mit der Sankt Galler Schifflistickerei legt sich einem Leichentuch gleich über deinen Allerwertesten.

Beinahe befreit geht man in die nächste Wohnung zum Jäger. Ein Zettel an der Tür; Wohnung ist offen. Wir können penibel sein, ‘Wohnung ist offen’ muss nicht heissen ‘Sprich Freund und trete ein’…
Eine Welle kalter Rauch schlägt einem entgegen, ich meinte gar geronnenes Blut zu riechen. Nicht, dass ich weiss wie geronnenes Blut riecht, aber so stelle ich es mir vor. Liegt doch auch Fleisch auf der Spühle, daneben ein Messer, vom vielen Schleifen die Klinge hauchdünn wie ein Rasiermesser.
Im Wohnzimmer die Trophäen.

Es roch wie es aussieht. Und ja, es war eine Schrotflinte in der Ecke. Näher betrachtet habe ich sie nicht, es gibt Gegenstände auf denen man besser keine Fingerabdrücke hinterlässt. Speziell wenn man den Fernsehsessel begutachtet…

Natürlich; Meine lebhafte Phantasie ist schon legendär, aber manchmal braucht man eben weder Hammer noch Schere um ein Puzzle zusammenzusetzen.

Selbstverständlich, wir finden auch normale Wohnungen. Jene Klientel welche aus Karton und Tüchern eine Bahn legen auf welcher sich der schmutzige Handwerker zu bewegen hat und uns dennoch mit dem Dyson und Feuchttuch folgen.
Wiederum jene welche ein Brotzeit richten und man mit einem Stossgebet zum Himmel, der Magen möge gerade jetzt NICHT grummeln, sagt, man verspüre leider keinen Hunger. Es ist nun mal nicht sonderlich einladend im Duft des Abendbrots vom Vortag aus den Nikotingetränkten Gardinen strömend, eine Kaffeetasse vom klebrigen Tisch zu lösen und mit dem Schmutzrand an die Lippen zu führen.

Und noch jene, zu guter Letzt, welche die Abwechslung eines Handwerkers im Haus richtig geniessen. Endlich die Daily Soap in 3D.
Für beide Parteien wohlgemerkt, ein Geben und Nehmen.

Wollt ihr noch von den Desperate Housewives… nein nein, wollt ihr nicht.

In diesem Sinne; Bis neulich.

Über RAB

Ein Schreiberling mit nüchternem Blick auf das Leben, beim Versuch, selbiges aus satirischer Sicht etwas angenehmer zu bewältigen.
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