Der Insta-Wahnsinn

Beginnen wir mit meinem Ausblick auf 20min

Lacht, aber ich kann einfach nicht zuschauen, wie eine Spritze gesetzt wird. Auf Fotos finde ich es widerlich und unnötig, im Fernsehen schaue ich tatsächlich weg. Analog den Horrorfilmen. Bei welchen ich irgendwie nur mit dem Ohr dabei bin, über die Oberkante der vor die Augen gehaltenen Hand die oberste Zeile des cineastischen Werks verfolge, oder der Szene den Schrecken nehme, indem ich mir das Gesplatter in der Reflexion einer Scheibe vor einem netten Wandbild zu Gemüte führe.

Natürlich wartet 20min wieder mit dem obligaten Spritzen-im-Wabbelarm-Bild auf.

Was ist dran an den „Impftoten“ in Norwegen?
Na, ich hoffe doch ein Kopf, zwei Arme und Beine und das Ganze um einen Rumpf herum drapiert. Denn alles andere wäre ja entsetzlich und abschreckend.

Foto-Challenge
Zeig uns deinen schönsten Teppich!
Aargh! Wann kommt die Challenge, zeig uns wie sehr du 20min magst?

Ein weiteres Spritzenbild.
Trödel-Kantone dürfen sich nicht verstecken
Ist auf der der überschaubaren Schweizer Karte nahezu unmöglich. Wohl habe ich in der Primarschule den ein oder anderen tatsächlich übersehen, der Lehrer hat mich jedoch stets sehr überzeugend darauf hingewiesen, dass seit 1979 alle 26 da sind. Allerdings keiner namens Trödel, geschweige denn mehrere.

Ich wurde zum ersten Mal mit 14 gewürgt
Nein, niemand muss entsetzt aufschreien. Es ist erst ein paar Tage her, dass 20min Menschen gesucht hat, welche sich während der körperlichen Vereinigung, dem Liebesakt, sich gerne würgen lassen.
Mein Vorschlag; Foto-Challenge!
Du lässt dich beim vögeln würgen? Zeig es uns!

6 Fehler, die du beim Auf- und Einräumen machst
Finde ich jetzt schon etwas intim. Woher will 20min das wissen? Zudem eine ziemliche Unterstellung, man beachte die Gewissheit im Ton der Aussage.

Chrissy Teigen kämpft heftig mit ihren neuen Reitstiefeln.
Auf Twitter. Bringt uns zu einem Thema, welches für mich nach wie vor verwirrend ist. Promis und ihr Umgang mit den sozialen Medien.
Vorwiegend Instagram.

Viele Regionen Europas harren im Lockdown aus. Hier stornieren unbelehrbare Optimisten ihre dritte Urlaubsbuchung und senden anschliessend eine „das geht doch nicht“-Mail an RTL, weil sie schon zum zweiten Mal die AGB nicht gelesen haben und kein Geld rückerstattet kriegen. In anderen Wohnzimmern wird die Familien-Quality-Time arg auf die Probe gestellt, weil Papa auf Kurzarbeit und der Hartz IV-Antrag schon halb ausgefüllt ist.
Und dann gibt es diese B- und C-Prominenz. Willy Millowitsch würde fragen „Wer sind diese Leute“ und auch 80% der Normalbevölkerung zuckt nur fragend mit der Schulter, wenn die Namen auf der Dschungelcamp-Kandidaten-Liste erscheinen.
Das grosse Problem ist, es gibt mittlerweile zu viele Prominente, respektive Menschen, welche als solche bezeichnet werden. Es beginnt schon damit, dass wir den Durchblick bei der Flut an Trash-Formaten verlieren. Bachelor in Paradise, Temptation Island, Sommerhaus der Stars, Kampf der Realitystars, Bachelor und Bachelorette, Love Island, Big Brother, Prince Charming, Are you the one?, die Liste ist nicht abschliessend. Letzteres ist kein Trash-Format, noch nicht, sondern eine Mitteilung.

In jedem dieser Formate werden gut und gerne 10 Promis geboren. Also nicht live, dies findet man in der Instagram-Story, sondern dadurch, dass sie in der Zielgruppe einen gewissen Bekanntheitsgrad erlangen. Und diese Zielgruppe scheint ordentlich gross zu sein, sonst würden die Formate nicht wie Pilze aus dem Boden schiessen. Es muss eine Zielgruppe mit viel Zeit sein. Denn, wenn nur schon aus oben genannter Liste jeden Tag eines gesendet wird, reicht eine Woche nicht aus, die Formate zu sehen. Davon ausgehend, dass ein Mensch im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte nicht mehr als ein Format pro Abend erträgt. Und dabei ignorieren wir, dass oft parallel zum deutschen Unterschichtenfernsehen eine Schweizer Version ausgestrahlt wird und wir die fixen Termine wie Goodbye Deutschland, Bauer ledig sucht und RTL Exclusiv des abendlichen Fernsehvergnügens noch nicht berücksichtigt haben.
Man muss also beim Erwerb des täglich Brot Abstriche machen, um sich die volle Dröhnung zu geben.

Diese zehn neugeborenen Prominente pro Format bringen eine weitere Schwierigkeit mit sich. Es sieht einer aus wie der andere. Unterscheiden könnten wir sie vielleicht an den Tätowierungen. So weiss ich, dass jene mit dem Hitlerkonterfei auf dem Arm Melissa ist. Hat sich durch Love Island geschlafen, ist dann beim Kampf der Realitystars zwischengelandet und war die letzte Bachelorette im deutschen Fernsehen. Und ja, es ist Charlie Chaplin und nicht Hitler, aber das Motiv deucht mich unglücklich gewählt. Gerade für ein Tattoo, welches, wie jedes Kunstwerk, bisweilen sehr vom Goodwill des Betrachters abhängig ist.

Diese Promi-Aspiranten setzen sich in den Formaten also möglichst auffällig in Szene. Vorwiegend mit dem Vorwurf an die Mitbewerber, sich nur in Szene zu setzen.

Dies formulieren sie mit den Aussagen:

  • Du bist nur hier für den Fame!
  • Du bist Fake!
  • Du bist nicht real!
  • Du bist nicht authentisch!

Kann so auch als Trinkspiel verwendet werden, ich garantiere euch, nach dreissig Minuten seid ihr hackedicht.
Zum Fame möchte ich sagen; wir sprechen hier nicht von einem Ruhm im eigentlichen Sinne, sondern dem Wert eines Promi-Aspiranten. Dieser wird, analog zu einer Fläche in Anzahl Fussballfeldern, anhand der Follower gemessen. Follower sind jene, welche auf den Promi in den sozialen Medien ein Abonnement abschliessen, um keinen Schritt zu verpassen. Ja, das wissen nicht alle, ich nehme hier durchaus einen Bildungsauftrag wahr.

Vielleicht erkennt ihr irgendwann einige dieser Aspiranten auf Anhieb, weil sie von RTL gezielt gefördert werden. Giulia Siegel ist ein gutes Beispiel. Wann immer etwas aufgebauscht wird, Schuhfetischisten auf Instagram zum Beispiel, wird sie herbei gezogen, in ihrem Heim besucht und zu ihrer Meinung oder den Erfahrungen befragt. Und mit diesem gezielt erzeugten Bekanntheitsgrad, denn abgesehen davon, dass sie die Tochter von Ralf Siegel ist hat sie auf diesem Planet noch nichts geleistet, dient sie als Zugpferd für weitere Trashformate. Mit einer Giulia Siegel in einer Bums-Insel-Sendung kann man wieder zehn neue Idioten aufbauen, auf welche wiederum vielleicht wieder… Es ist wie das Reiskorn auf dem Schachbrett.

Kleiner Exkurs; Der Erfinder des Schachs wollte vom König als Belohnung ein Reiskorn auf dem ersten Feld des Schachbretts. Darauf eine Verdoppelung bei jedem Feld. Zwei auf dem Zweiten, vier auf dem Dritten und so weiter. Ergibt auf dem letzten 9.223.372.036.864.775.808 Reiskörner. Ich weiss nicht, wieviel Fussballfelder das sind, aber wir sprechen von 277 Milliarden Tonnen, oder die Reisernte von etwa 873 Jahren.

Weiter im Text:

Als weitere Schwierigkeit kommt hinzu, dass sich laufend neue Couples bilden. Ja, so spricht man heute. Dieses Herumreichen und Austauschen von Bettgefährt*innen kannte man in dieser Form bisher nur aus dem örtlichen Turnverein. Da dadurch die Dorfbevölkerung nicht ausgestorben ist, findet sich hier zumindest ein tieferer Sinn, bei den Promi-Aspiranten dient es nur dazu, wieder eine begehrte Sendeminute in Guten Morgen Deutschland zu erhalten.

Nun habe ich aber ganz schön ausgeholt, denn eigentlich wollte ich mich über das Gebaren dieser Herrschaften auf Instagram echauffieren.

Nicht wenige dieser, aus der Perspektive der Hartz IV-Empfängern, Vertreter der elitären Gesellschaftsschicht hat sich während der Corona-Zeit auf eine Palmeninsel abgesetzt.
Statt sich nun im Stillen zu freuen, empfinden sie es als grossen Geniestreich, sich im Sand räkelnd abzulichten und via soziale Medien die Bilder zu teilen. Nicht selten mit der Anmerkung, sie würden mit den Daheimgebliebenen mitleiden. Wie liebenswürdig und selbstlos.
Bereits mit zwei Gehirnzellen könnte man sich zusammenreimen, dass sich wohl kaum die ganze daheim gebliebene Community, irgendwo zwischen Jobverlust und Hungertod, bedingungslos für einem freut.
Der erste Shitstorm rollt an.

Daraufhin ein weiteres Bikini-Bild und der Hinweis, man mache hier keinen Urlaub, sondern man arbeite!
Zum Beweis präsentiert man eine Bräunungscreme, mit Rabattcode, und beschreibt welches entspannte Gefühl einem selbige beschert. Die Marketingabteilung verlangt das und für Influencer geht eine solche Tätigkeit tatsächlich als Arbeit durch.
Worauf der zweite Shitstorm losgetreten wird, weil der Bedarf an Bräunungscreme aufgrund fehlender monetärer Mittel momentan nicht sehr ausgeprägt ist.

Darauf heulen die Instagram-Sternchen, wie sehr sie ein Shitstorm schmerzt und wie sehr ihnen das zusetzt. Sie seien doch auch nur normale Menschen. Garantiert ihnen Sendeminuten bei und viel, viel Verständnis von Frauke Ludowig.

Selbstverständlich heulen sie bei Instagram mit einem neuen Foto.
Dieses Verhalten ist etwas schwierig zu erklären. Als würde man, nachdem man sich die Finger an der Herdplatte versengt hat, sich mit dem nackten Hintern auf selbige setzen und losheulen, wie schmerzhaft dies sei. Von der Erniedrigung durch den dummen Anblick ganz zu schweigen.

Statt Instagram den Rücken zu kehren, macht man weiter und der nächste Shitstorm kommt. Hauptsache im Gespräch.

Auch beliebt; man präsentiert ein unvorteilhaftes Foto von sich.
Nach 5076 professionellen Bikini-Fotos, in welchem man sich hauptsächlich darauf konzentrierte, den Körper ganz zauberhaft in Szene zu setzen, stellt man eines mit Speckrollen online.
Man wartet die „is jetz nicht sooo toll“-Reaktionen jener Follower ab welche man gezielt mit den 5076 professionellen Bikinifotos in die Abonnentenliste gelockt hat, und erbost sich dann darüber, dass man auf den Körper reduziert werde. Bodyshaming nennt sich das. Um die Sendeminute bei RTL Exclusiv auf Sicherheit zu haben, muss man im Text zum Bild noch erwähnen, dass man mit dem Bild auf etwas aufmerksam machen will. Tote Eisbären, dicke Menschen, arbeitende Kinder, ganz egal. Es muss einfach bewegen. Niemand der seine fünf Sinne beisammen hat würde sagen, tote Eisbären sind eine feine Sache, und deswegen muss man darauf hinweisen. Kann man nichts falsch machen.
Also die wirklich veräppelten sind eigentlich jene, welche wirklich ein Problem haben und dann durch eine Klum-Tochter instrumentalisiert werden. Jemand mit richtig üblen Hautproblemen hat rein gar nichts davon, wenn die kleine Klum mit ihrem Pickel sagt „Seht, ich bin eine von euch“, aber die Klum 10’000 Follower mehr.
Und die Sendeminute bei RTL.

Eine weitere Abartigkeit von Promis auf Instagram ist die Ansage, sie würden nun den sozialen Medien entsagen. Weil es ihnen nicht gut tut.
Um meinen Vergleich mit der Herdplatte zu bemühen; Ich müsste nun also die versengte und nur noch durch plastische Chirurgie zu rettende Hand nochmals auf die Platte legen um zu zeigen, dass ich dies künftig unterlassen werde. Weil es mir nicht gut tut.
Das Problem ist, ein stiller Abschied bringt keine Sendeminute bei RTL und schon übermorgen fragt man sich in Willy Millowitsch-Manier „Wer waren diese Leute?“.

Aber das absolut perverse und wirklich kranke auf den sozialen Netzwerken finde ich die Verarbeitung von Trauer. Nach zwei Stunden beim Visagisten steht man in einer absolut natürlichen Pose in das perfekte Kinderzimmer und berichtet von der Fehlgeburt. Gekleidet in Dessous.
Weil man auf etwas aufmerksam machen will. Auf all jene Frauen, welche ebenfalls eine Fehlgeburt durchleben mussten.
Und RTL macht mit. Leidet mit. Besucht deutsche Promis, welche nun ebenfalls aufmerksam machen wollen. Weil es in der Natur der Sache liegt, dass wahrscheinlich jeder von uns jemanden kennt, der dieses Trauma durchlebt hat. Nur behandelte man dies bisher mit Respekt und im Stillen. Bisher.
Die Follower liken, kommentieren und die Zahl an Abonnenten schnellt in die Höhe. Und wehe dem, welcher sagt, es wäre eine mediale Ausschlachtung. Diese Aussage wäre eine schallende Ohrfeige in das Gesicht jeder Frau, welche eine Fehlgeburt erlitten hat. Ganz im Gegensatz zum Dessousbild einer Hilaria Baldwin.

Gegenüber all dieser kranken Saubermann-Insta-Promis, ist der geächtete Wendler eigentlich noch ganz erfrischend.
Seit er in Deutschland keinen Fuss mehr auf die Bühne oder ins Studio bringt, influenct (Kann man das sagen?) er für Firmen, welche das gar nicht wollen und sich regelmässig distanzieren, überträgt medienwirksam seine verschuldete Firma auf die Tochter und schimpft gegen die Bildzeitung. Täglich, auf Instagram. Und seit Wochen beendet er jede Story damit zu verkünden, dass er sich von Instagram abwendet.

Über RAB

Ein Schreiberling mit nüchternem Blick auf das Leben, beim Versuch, selbiges aus satirischer Sicht etwas angenehmer zu bewältigen.
Dieser Beitrag wurde unter Hossa, Kurz nachgedacht, Presseschau abgelegt und mit , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.