Könntest Du ein paar Zeilen verfassen…?

Es war so gegen 16 Uhr freitags. Warum nennt man den von Arbeit geprägten Tag vor dem erquickenden Samstag eigentlich Freitag? Ist es nicht dieser Tag, an welchem noch dieses, jenes und selbiges sowieso dringend erledigt werden müsste? Man gewinnt stets den Eindruck, Sonntags ende die Zeitrechnung. Das Leben. Die Existenz der menschlichen Rasse.

Im Moment würde ich ja töten für ein wenig Arbeit, als dann jedoch an besagtem Freitag der Büronachbar herein schlurfte, lag mir nichts ferner als die Zeitung aus der Hand zu legen. Um sechzehn Uhr beginnt man die Minuten zu zählen und ich kenne nichts zähflüssigeres als die Zeitspanne bis siebzehn Uhr.

Für unser nächstes Firmenblatt würde der Chef gerne einen Bericht haben, inwiefern sich Corona auf unseren Betrieb im Allgemeinen und auf meine Abteilung im Speziellen auswirke. Mit einem Augenmerk auf die zusätzlichen Belastungen.

Dieses Firmenblatt, möchte ich anführen ist vergleichbar mit der Schülerzeitung, welche im Dorf vor den Sommerferien gestreut wird. Nur eben nicht ganz so professionell und anmächelig. In Sachen Technik bin ich vor geraumer Zeit von der Plattform der Bummelbahn gestolpert und habe irgendwie den nächsten Anschluss verpasst. Wenn die Kollegen im Feierabendbier über die neusten Kino-Sound-Sphären-Modelle fachsimpeln, nestle ich leicht beschämt an der Bieretikette und verstehe nur Bahnhof. Trotz dieser Defizite bin ich mir jedoch sehr gewiss, die Smartphone-Kameras lichten die Objekte im zweistelligen Megapixel-Bereich ab. Weiss der Geier, welche Keksdosen-Fotokamera im Eigenbau die Redaktion für ihr Firmenblatt verwendet. Die Aufnahmen wirken wie eine auf das Format A0 aufgeblasene Briefmarke. Und im Gegensatz zu CSI Miami wird das Bild nicht zunehmend schärfer und klarer, je näher man heranzoomt.

Dazu kommen klassische „und dann er so… und dann ich so… und dann…“-Sätze. Schon beim ersten Lesen war ich peinlich berührt und hoffte stets, dass man mich mit diesem Blatt nicht in Verbindung brächte.

Es ist der Chefetage nicht ganz verborgen geblieben, dass meine Formulierungen sich bisweilen von den schriftlichen Standardwerken unterscheiden, auch wenn ich, rückblickend auf die letzten zehn Jahre, schon ein wenig von meiner Gabe eingebüsst habe.

Aber einen Teufel werde ich tun, meinen Beitrag zu leisten. Als würde man Picasso bitten, den Rahmen zu pinseln, in welchen man die Kindergartenzeichnung seines Sprösslings gepackt hat.

Ich sah also über den Zeitungsrand zu besagtem Herren und grinste breit.

Wirklich, fragte ich ihn. Abgesehen davon, dass ich in eurem Betrieb die Zeit vor Corona nicht kenne, bin ich seit knapp acht Monate damit beschäftigt, täglich zwei Mails zu lesen und allenfalls drei Telefone zu beantworten. Wenn sich nun also in diese Flut von Arbeit eine Mehrbelastung durch Corona geschlichen hat, würde ich zu gerne einen Bericht lesen, welchen Umfang dieses Pensum vor Corona hatte.

Ja er meine nur, entgegnete er, weil der Chef hätte es eben so gewünscht…

Im Juni. Vielleicht Juli, oder August. Spätestens September, lautete die Antwort auf meine Frage, wann das alberne Faltblatt zum nächsten Mal erscheinen solle.

Ob ich denn nun…, wollte er sich vergewissern.

Danke, ich nehme es gerne als Aufhänger, um mit dem Chef ein Grundsatzgespräch zu führen, beschloss ich das Gespräch und hob demonstrativ die Zeitung wieder an.

Mein Kopf scheint nahtlos in den Rumpf überzugehen, so dick ist mein Hals mittlerweile. Dies hängt nicht damit zusammen, dass ich meine Beziehung in den Sand gesetzt habe, sondern dass ich hier Tag für Tag zehn Stunden meiner Lebenszeit, und so arg viel ist davon nicht mehr über, verbrenne. Für nichts und wieder nichts. Im Quadrat. Ich habe noch kein Quentchen Mehrwert generiert und die Summe am fünfundzwanzigsten reicht bei weitem nicht aus, um dem Leben jeglichen Sinn abzusprechen.

Wer mit einem Problem in mein Büro kommt und keinen Lösungsvorschlag unterbreitet, kann selbiges gleich wieder mitnehmen.

Ein Motto meines Chefs und genau wegen solcher Richtlinien und Grundsätze schätze ich ihn. Doch umso schwerer wiegt es, dass auf meinen Hinweis beim Vorstellungsgespräch „Wenn ich einfach noch 20 Jahre absitzen wollte, könnte ich in meiner jetzigen Firma bleiben, doch erwarte ich mehr von meinem Alltag…“ eine Anstellung erfolgte. Mit oben beschriebenem Tätigkeitsbereich. Nachdem meine Vorgängerin wegen chronischer Unterforderung und mangelnder Auslastung den Dienst quittiert hatte. Was jedoch keinesfalls als Anlass genommen wurde, das Stellenprofil neu zu umschreiben. Man lockte einfach den nächsten Deppen in die Falle.

Ja, ich habe mir schon überlegt, ob es nicht rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen sollte, wenn man jemanden unter der Vorspiegelung falscher Tatsachen dazu ermuntert, sein Anstellungsverhältnis zu kündigen und einen neuen Vertrag zu unterzeichnen.

Obwohl sich der Artikel 28 des OR nicht explizit auf Arbeitsverträge bezieht, so finde ich doch parallelen im Gesetzestext, der da lautet:

Ist ein Vertragschliessender durch absichtliche Täuschung seitens des andern zu dem Vertragsabschlusse verleitet worden, so ist der Vertrag für ihn auch dann nicht verbindlich, wenn der erregte Irrtum kein wesentlicher war.

Die Frage stellt sich, was geschieht wenn der Vertrag für nichtig erklärt wird. So nicht eine Entschädigungssumme von einem Jahresgehalt herausspringt, oder zumindest eine Entrichtung des Lohnes für die Zeit, in welcher mit zumutbarem Aufwand eine neue Stelle gesucht wird, steht man mit heruntergelassener Hose da. Also das, was ich jetzt schon habe.

Nun, die Konfrontation habe ich auf Mittwoch angesetzt, weil ich durch die chronische Unterbelastung beginne Schaden an Leib und Seele zu nehmen.

Zurück zu den gewünschten Textzeilen.

Corona und der Einfluss auf meinen Arbeitsalltag

Mein Eintritt in die Firma stand bereits im Zeichen der Pandemie. So ergab es sich, dass ich weder mit meinem direkten Vorgesetzten, noch dem ranghöheren Chef meinen Einstand durch eine körperliche Vereinigung vollzogen habe. Was ich so sehr schätze und nichts daran ändern möchte. Selbst das kollegiale Du wurde eingeführt, ohne sich männlich die Hand zu schütteln, oder es weibisch mit einem Gläschen Tranksame zu besiegeln.

Alsbald wurde die Maskenpflicht eingeführt und ich vermag mich kaum mehr entsinnen, wie die Antlitze sich hinter dieser papierenen Verhüllung ausnehmen. Auf die Gefahr der Wiederholung hin, ich schätze es und wir brauchen daran nichts zu ändern. Auch wenn das Tragen der Maske meine Ohrmuscheln dahingehend verformen, dass meine reinrassige Herkunft in absehbarer Zeit nur anhand der Papiere belegt werden kann.

So pandemiebedingt eine Zunahme der Belastung zu verzeichnen gewesen wäre, darf ich sagen, dass wir die Spitzenbelastung ohne grossen Federlesens gemeistert haben und seit geraumer Zeit eine abnehmbare Tendenz verzeichnen dürfen.

Eine Lernkurve mag das ihrige beigetragen haben, doch darf ich verkünden, dass ich um 07:35, oder fünf Minuten nach Arbeitsbeginn, das Gros des Tagesgeschäftes abgearbeitet habe. Mein Zeitunglesen wird nur durch gelegentliche Anrufe, derer überschreitet nie die Zahl von drei pro Tag, unterbrochen.

Es hat sich die Gepflogenheit entwickelt, dass ich alle sechzig Minuten den Mailverkehr kontrolliere und vor der Mittagspause zwei, zu Spitzenzeiten drei Nachrichten weiterleite.

Der Nachmittag ist weitgehend dadurch geprägt, dass ich, um mich von der ermüdenden Bildschirmarbeit zu erholen, meinen Blick über die grünen Flächen streifen lasse, ermuntert von der Hoffnung, in der Ferne die Schafe beim Grasen zu beobachten.

Es war kurz vor Weihnachten des letzten Jahres, als mir eine Bürounterstützung zugewiesen wurde. Meine Arbeit erfuhr dahingehend eine Änderung, dass ich den telefonischen Verkehr delegiert habe und mich vollumfänglich dem elektronischen Postverkehr und den Tageszeitungen widmen konnte.

Der Beobachtung der Schafe widmen wir uns bisweilen gemeinsam um die Last zu teilen.

Anfang Jahres wurde die Home-Office-Pflicht angeordnet und als pflichtgetreuer Bürger, nicht zuletzt als Angestellter des öffentlichen Dienstes, war mir sehr daran gelegen, dieser Anordnung Folge zu leisten.

Ich versicherte, dass ein Studium der Zeitungen auch online zu bewerkstelligen wäre, der Mailabruf funktioniere und gar das Telegrafennetz könne ohne grosse Eingriffe und technische Aufwendungen in heimische Gefilde geleitet werden.

Nicht zuletzt um die Wichtigkeit meiner Person und die bekleidete Stellung zu unterstreichen, gelangten die Vorgesetzten zum Schluss, dass meine physische Präsenz unabdingbar sei. Gegen die Begründung „Es hätte einfach einer hier zu sein…“ konnte ich keine stichhaltigen Argumente ins Feld führen.

So führe ich mein Tagesgeschäft unter Aufsicht der vorgesetzten Organe weiter, mit der kleinen Abweichung, dass die Schafe zurzeit in ihrem Winterquartier weilen und wir einfach über die leere Rasenfläche starren.

Derweil habe ich es mir zur lieben Gewohnheit gemacht, täglich eine Bewerbung abzusenden und mir Stunden zusammenzuklauben, um allfälligen Einladungen zum Vorsprechen Folge leisten zu können.

Ich freue mich, diesen Einblick in meinen Arbeitsalltag gewähren zu dürfen und danke für das Vertrauen.

Soweit meine Zeilen, ich bin noch ein wenig unsicher, ob ich diese so vorlegen sollte. Nichts käme mir gelegener, als eine Kündigung seitens Arbeitgeber. Einfach, weil ich es mir verdient habe.

Über RAB

Ein Schreiberling mit nüchternem Blick auf das Leben, beim Versuch, selbiges aus satirischer Sicht etwas angenehmer zu bewältigen.
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