Wenn wir keine Sorgen haben, machen wir uns einfach welche

An die kämpferische Front von Pinkstinks,

geschätzte Damen, irgendwo zwischen der seriösen Google-Recherche nach ultra-schlanken Top-Models und einem Online-Shop für Ferrero-Überraschungseier habe ich wohl versehentlich Ihren Newsletter abonniert.
Mit hübscher Regelmässigkeit werde ich nun darüber informiert wie man Gender-korrekt schreibt – ich bin zu alt für diese wilden Neuerungen, verzeiht meinen archetypischen Schreibstil -, dass es mehr als nur in Ordnung, gar förderungswürdig ist, wenn mein Junge mit rosaroten Ponys aus einem Mädchen-Überraschungsei spielt und Heidi Klum sämtliche Mädchen in die Essstörung treibt.
Dieses Luder!

pinkstinks

Selbstverständlich stöberte ich ein wenig durch Ihre Webseite und – Asche auf mein Haupt – wurde mir erst jetzt gewahr, welch gravierendes Problem die Menschheit die letzten tausend Jahre einfach ignoriert hat. Mir scheint die Zeit für eine Organisation wie die Ihre war mehr als reif.
Wenn ich so zurückdenke und den Erzählungen meiner lieben Oma lauschte hatten meine weiblichen Vorfahren seit jeher einen, wie wir in der Schweiz sagen, ‚Köcherliherd‘. Eine Mini-Küche für Mädchen. Als Pendant zum blechernen Bagger der Knaben. Es wird Sie entsetzen, diese Spielsachen wurden dank der sorgsamen Pflege und ihrer Robustheit bis hin zur Unzerstörbarkeit über Generationen weitergegeben. Noch schlimmer, stets wurde die Geschlechtertrennung gewahrt! Immer wieder gab es Mädchen, welche darauf brannten Hausmütterchen zu spielen. Wie abartig.

Dank ihrer Webseite weiss ich nun, dass meine verblichenen und lebendigen Ahnen und nicht zuletzt meine Wenigkeit unter einer schwerwiegenden Geschlechterverwirrung litten. Gäbe es pinkstinks nicht, wer weiss, wie lange dieser Zustand noch hingehalten hätte.
Ich gehe nicht ganz mit ihnen einig, dass die Werbung meine lieben Tanten in die Rolle der kleinen Hausfrau steckten, da wir in unserem abgelegenen Dorf von solcherlei Beeinflussung unbeeinträchtigt lebten und erst seit gestern diese merkwürdige Elektrizität haben. Auch aus eigener Erfahrung spreche ich. In meiner Kindheit spielten wir die klassischen Rollenspiele, Mädchen in die Puppenküche und Jungs in den Sandkasten.
Doch erkenne ich nun, dass die Werbung uns Böses will.
Dies mit der Unisex-Windel habe ich verpasst, als Mann richtet man sich nach den Bildern auf der Verpackung, aber mit Ihrer Hilfe kriege ich die Kurve gewiss noch. Statt die Kinder vom Urinstinkt getrieben ihre Spielsachen wählen zu lassen, gedenke ich nun dem Sohn eine rosa Puppenstube und dem Mädchen ein Captain Superblaster Laserschwert zu schenken und sie die künftigen Jahre davon zu überzeugen, dass dies das neue Normal ist. Ich werde erst Ruhe geben, wenn Klein-Ida Rugby spielt und Niklaas den sterbenden Schwan überzeugend mimt.
Also richtig glücklich werde ich erst sein, wenn ich den Dorfpfarrer unter den Tisch saufen muss und der Kirche einen neuen Flügel spende, damit er den gleichgeschlechtlichen Ehen meiner Kinder den kirchlichen Segen erteilt und ich glücklicher Opa von drei adoptierten und zwei künstlich eingepflanzten Kindern bin. Vielleicht bin ich dann auch neben meiner besseren Hälfte die Oma Nummer zwei, daran arbeiten wir noch. Meine Ehefrau, die beste von allen, ist sowas von konservativ, das geht auf keine Kuhhaut.

Ebenfalls arbeiten wir an der Aufarbeitung der Vergangenheit. Fing sie mich ab, als ich mit ihrer Classical-DVD-Romantikbox aus dem Teleshop in Richtung Müllverwertung war. Hier auch gleich einige Fragen an Sie.
Haben Sie Casablanca gesehen?
Dieser arrogante Rick Blaine, welcher abgehoben und herrisch seine Zigaretten raucht. Die Ilsa Lund geradezu dazu zwingt, in seinen starken Armen Geborgenheit zu suchen.
„Schau mir in die Augen, Kleines“. Im Befehlston!
Möchten Sie nicht dafür stark machen, dass sämtliches Filmschaffen vor den neunzigern auf eine schwarze Liste kommte? Man stelle sich vor, junge Mädchen sehen solch sogenannte Klassiker. Heroische Männer, ein Bollwerk von Testosteron und ängstliche Frauen, welche in ihren gestählten Armen Schutz und Geborgenheit suchen.
Dirty Dancing, Baby gehört zu mir. Was fällt diesem gelackten Schnösel den eigentlich ein? Baby gehört niemandem und ein Baby ist sie auch nicht, sie hat einen Namen. Wenn er mir partout auch nicht einfällt.
Sissy, jeder Film mit Robert Redford, es würde kein Ende nehmen.
Gut, unsere Mütter sahen solche Filme, die Welt drehte sich weiter und merkwürdigerweise funktionierten die Ehen, aber irgendwann muss doch einfach Schluss sein, stimmen Sie mir gewiss zu.

Heute rasen Frauen in Sportwagen und schiessen Männer über den Haufen, so läuft der Hase.
Ich würde sagen, sobald sie Heidi Klum und ihre Modelschau gebodigt haben, ist es Zeit Hollywood zu entrümpeln.

Wo wir gleich bei Heidi Klum sind; Ich habe es noch nie gesehen, aber gehe wohl richtig in der Annahme, dass die Mädchen gezwungen werden mitzumachen. Und jene, welche nicht mitmachen, werden gezwungen, es zu sehen. Also, ich muss davon ausgehen. Immerhin sind wir bei Staffel zehn, Ihren Berichten zufolge wird es immer schlimmer und die Kandidatinnen scheinen nicht auszugehen.

Als kleiner Anstoss, verlieren sie die Männer nicht aus den Augen! Sah ich kürzlich eine Folge Bachelorette. Adonis reiht sich an Muskelprotz und buhlt um ein Model. Dies muss die Knaben doch in Essstörungen treiben. Bis hin zum Tod, wie sie schreiben.
Ganz zu schweigen von Nivea-Werbung mit nackig duschenden Bodybuildern, ein Bild von einem Mann rasiert sich mit Gillette, ein Beckham zeigt wie ein Unterwäschekörper aussehen muss und ganz grundsätzlich kann man sagen; Der einzig hässliche Mann in der Werbewelt ist der Kinderschänder mit dem Hasen. Sie kennen es.
Selbst die Männer welche in Edeka oder vor der heimischen Spühlmaschine als Vollidiot in Sachen Geschirrpflege oder Einkaufsfähigkeit hingestellt werden, sehen aus wie dem Katalog entsprungen.
Sind Jungs etwa weniger anfälliger auf die televisionäre Scheinwelt oder schafft man hier ganz verborgen eine problem- und komplexbehaftete männliche Generation heran?
Also männlich, weil sie ein Zipfelchen haben, nicht, dass ich hier irgendwelche Grenzen aufbauen will.
Junge kann auch Mädchen sein, ganz wie er will.

Ich freue mich auf Ihre Antwort und verbleibe mit geschlechtsneutralen Grüssinnen.

Über RAB

Ein Schreiberling mit nüchternem Blick auf das Leben, beim Versuch, selbiges aus satirischer Sicht etwas angenehmer zu bewältigen.
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