Klaus und Lars, im Dienste unserer Sicherheit

Kaum zu glauben, aber ich lief Klaus in die Arme. Vielleicht auch Lars. Obwohl wir uns bei rotem, blitzenden Licht begegneten, hatte er sich nicht vorgestellt. Ich werde das Gefühl nicht los, für ihn nur eine Nummer gewesen zu sein. Ein kurzer, teurer Moment.

Peinlich ist mir, dass ich diesen Mistkerl nicht gesehen habe. Wir sprechen hier immerhin von einer Blechdose mit den Dimensionen eines anständigen holländischen Wohnwagens. Mit Ausguck.

Beim ersten Blitz war ich etwas irritiert warum mein Wagen plötzlich in rotes Licht getaucht werde, Petardenwerfer sind zwischen Beringen Enge und Beringen City eher selten anzutreffen. Klaus scannt und feuert dann Doubletten ab, daher wusste ich nach der ersten Irritation, woran ich war. Mit 67 km/h in der Sechziger-Zone. Auf freiem Feld. Ziehen wir die drei Stundenkilometer ab, welche mein Tacho der Sicherheit halber zu viel anzeigt, subtrahieren die Toleranz von 5 km/h der Radarstation, bleibt unterm Strich wohl nur der Schreck. Gut, der Korrektheit halber werde ich wohl trotzdem einen Einzahlungsschein über 40 Franken erhalten. Letztendlich sah ich erst auf den Tacho, nachdem ich dieses grelle Rot wieder aus den Augen hatte und da steckt meines Erachtens der Wurm drin.
Gehen wir von den 67 Stundenkilometern aus, fahre ich in der Sekunde gute 18m.

Würde ich eine Sekunde auf mein Mobiltelefon starren, wäre dies wohl eine sehr fahrlässige Handlung, ein grober Verstoss gegen das Verkehrsgesetz und würde gewiss mit drei Jahren Gulag geahndet. Oder Ausweisentzug, mindestens so schlimm.
Fahre ich jedoch blind weil mir irgendwelche Lausejungen mit ihrer Teufelsmaschine in die Augen geblitzt haben wird die Sache anders ausgelegt. Schabernack im Rahmen der Verkehrssicherheit.

Darob ein wenig verunsichert fragte ich bei der Polizei nach, wie sie zu der blinden Irrfahrt nach einem Blitzlichtgewitter stehen.
Klaus blendet nicht. Und Lars nämlich auch nicht!
Bevor man die beiden Jungs an den Strassenrand stellte waren diese beim TÜV für Polizei-Gimmicks, dem Bundesamt für Metrologie (METAS). Dort wurde bestätigt, dass die
semi-stationären Anlagen absolut blendfrei seien. Auf die Frage hin, weswegen Klaus mich nicht ordentlich von hinten nahm, gerade hinsichtlich der Verkehrssicherheit, erhielt ich die Antwort, dass die Herren in der Auswertung gerne meinen Gesichtsaudruck während des Aktes sehen. Dies wäre wichtig.

Unterm Strich muss es wohl an meiner Windschutzscheibe oder meiner Netzhaut liegen, wenn mich ein semi-stationärer Radarkasten meiner Sehfähigkeit beraubt. Weitere Fragen liess ich bleiben. Ich bin nicht der erste, welche sich über Blendgranaten im Dienst der Verkehrssicherheit beschwert. Verriet mir Doktor Google. Andere Beschwerdeführer wurden der amtsärztlichen Untersuchung überstellt, um sie auf übermässige Blendempfindlichkeit zu überprüfen. Was, erstens, gewiss nicht kostenlos ist, zweitens, einen Entzug der Fahrtauglichkeitsbescheinigung zur Folge haben könne und drittens sehen Farbfehlsichtige in der Nacht besser als normale Menschen, weswegen man ihnen wahrscheinlich nicht in die Augen leuchten sollte. Wers nicht glaubt, der lies nach.
Wikipedia

Nun, diesen Vorfall lasse ich auf sich beruhen und freue mich auf amtliche Post.
Nichts desto trotz habe ich mich etwas mit Klaus und seinem Spielgefährten Lars beschäftigt und wühlte im Zeitungsarchiv. Ganz nebenbei, wann wurde aus Zocki eigentlich Lars? Die SN-Leser entschieden sich am 4. Dezember 2013 für den Namen Zocki, bevor das Kind geboren war.

Bevor überhaupt einer dieser Kollegen auf unseren Strassen stationiert wurde, war die Polizei noch mit Blechkisten und VW-Bus auf Tour. Unbestätigten Gerüchten zufolge, packte ein alteisengeiler Ex-Jugoslave dereinst eine dieser Radarstationen in seinen Kombi. Ungeachtet der Tatsache, dass da noch ein Bündel Kabel aus dem Gehäuse hing, machte er sich mit dem wertvollen Schatz auf und davon. Erzählte mir ein Kroate. Vielleicht frei erfunden, aber die Geschichte gefällt mir.

Am 19. Februar des Jahres 2011 versprach uns Herr Verkehrspolizei-Chef Martin Tanner, dass wir jederzeit und überall mit einer Geschwindigkeitskontrolle rechnen müssen!

martin-tannerFrau Widmer-Gysel betonte, dass mit den Bussen kein Geld verdient werden solle! Man liege sogar unter Budget.
Warum man ein Budget erstellt obwohl keine Budgetvorgabe besteht wissen die Götter.

Am achtundzwanzigsten Tag des Monats Juli im Jahr 2011 begrüssten wir die erste semi-stationäre Radaranlage in unseren Reihen und auf unseren Strassen. Er erhielt den Namen Klaus.klausEine Schönheit ist er gewiss nicht, aber einem Goldesel schaut man nicht ins Maul. Man stellt ihn auf die Strasse, sagt Bricklebrit und klaubt die Münzen zusammen. Und er machte seine Sache gut.
In unmittelbarer Nähe von Spielgruppen und Kindergärten, in etwa an der Autostrasse Herblingen – Thayngen….herblingen-thayngen… wurde ihm eigenst ein kleiner Standplatz gebaut.

Dort arbeitete er Tag und Nacht für die Sicherheit der kleinen Kinder und gebrechlichen Fussgänger und spühlte ganz nebenbei 900’000 Franken in die Kasse. Mehr als das vierfache seines Anschaffungspreises. Das Sicherheitsempfinden der Finanzdirektorin war grenzenlos.

Bis er am 7. Februar 2012 das Opfer eines Brandanschlags wurde.
Nicht nur Klaus, auch die Kantonskasse wurde hart getroffen und obwohl er mittlerweile wieder Verkehrsverstösse zu Gold verwandelt stand ausser Frage, dass ein Zweiter her muss.

Nein, nicht nötig, befand der Kantonsratspräsident Hans Schwaninger und strich mit seiner ausschlaggebenden Stimme die 250’000 Franken aus dem Budget. Bei Klaus profitierten wir noch von einem Lern-uns-kennen-Rabatt, mittlerweile ist die Kiste 30’000 Franken teurer.

Hat man erst eine Goldader aufgetan, lässt man sich ungern vertreiben. Die Schaffhauser, wir haben schweizweit die grösste Radardichte, wussten schon immer im Namen der Sicherheit die Kasse zu füllen.
Unsere Sicherheit hat keinen Preis, dennoch erwartete man von dem Radar auf der Rheinbrücke einen kleinen Unkostenbeitrag.

rheinbruecke-a4Diesen vignettenpflichtigen Schulweg darf man nicht unterschätzen!
Gesamthaft wurden nach der Installation für das Jahr 2005 einen Bussenbetrag von
3,4 Millionen Schweizer Franken budgetiert. Mit 924 dokumentierten Verkehrsübertretungen in den ersten sechs Tagen erlangte Schaffhausen mediale Berümtheit, der tüchtigste Blechpolizist der Schweiz.

Von der Bordsteinschwalbe zum Zuhälter

… so hätte ich bei Blick getitelt, nach der Aussage, dass er unzählige Stunden am Strassenrand verbrachte, wie heute seine vier Untergebenen.

martin-tanner-2Quelle: Schaffhauser Nachrichten 5. April 2013

Aber wir sind ja nicht bei Blick.
Er möchte niemanden büssen, dies wäre ein Erfolg, spricht der letzte Gutmensch dieser Welt.
Wann immer man das Gefühl hat, vor dem eigenen Gartentor würde gerast, darf man sich bei der Polizei melden. Diese installieren dann ein Messgerät um das Verhalten der Fahrzeuglenker zu erfassen. Nur zu statistischen Zwecken, betont Tanner, es gehe nicht um Verzeigungen.
Die Statistik gibt dann Aufschluss, zu welcher Uhrzeit eine Kontrolle am rentabelsten wäre. Pardon, am sicherheitsrelevantesten! Natürlich. Mein Fehler.

Was lange währt…
Zu Beginn des Jahres 2014 wurde Zocki angeschafft, welcher nun Lars heisst.
Während Klaus in seinem ersten Amtsjahr abgefackelt wurde, wurde Lars nur blossgestellt. Eine nicht mindere Tragödie.

21. Oktober 2014. 2 Uhr morgens.
Regen prasselt, es ist für die Jahreszeit kühl. In Deutschland peitschen Sturmböen über das Land. Die Menschen liegen in den Betten, die Decken bis an die Nasenspitze hochgezogen. Die Fensterläden klappern, in der Ferne kracht ein Ast vom Baum. Apokalyptische Stimmung.
Nur einer steht draussen.

Sein Revier ist die Autostrasse. Sein Standplatz betoniert. Seine Gegner; Raser, Raser und ähm… Raser. Einsatz rund um die Uhr für Zocki-Lars. Unsere Sicherheit ist sein Job.

Ein Automobilist fährt in seine kleine Nische an der J15. Der stationäre Standplatz für halbstationäre Radaranlagen an der Autostrasse fern von Kindergarten und Schulhäusern, ohne Radstreifen, Zebrastreifen und Bordstein, an welcher er auf unsere kleinsten Verkehrsteilnehmer achtet. Also die in Stetten, Lohn oder so.
Ein Mann steigt aus. Der dunkle Trenchcoat mit hochgestelltem Kragen spannt über das breite Kreuz. Der Fremde richtet sich langsam auf, gross wie ein Kleiderschrank. Ein Schlapphut tief ins Gesicht gezogen lässt das Gesicht im Schatten versinken, nur die Glut der Zigarette wirft einen Schein auf sein Antlitz. Verzerrte Züge, eine gebogene Nase. Unrasiert. Die quer gestreifte Krawatte wird vom Wind gepackt und über die Schulter geworfen als seine Hand unter den Mantel wandert. Ein hässliches Grinsen entblösst unerwartet makellose Zähne, als seine sehnige Hand wieder zum Vorschein kommt. Die Klinge eines Bowie-Messers glänzt im Mondlicht. Regen perlt von der makellosen Klinge. Tropft auf den Boden. Die Augen scheinen irre zu funkeln, leicht geduckt einem Raubtier gleich bewegt er sich aus dem Schatten auf Lars zu.
Lars hat seine kleinen Rädchen hochgeklappt, den Deichsel festgezurrt. Unfähig sich zu bewegen. Weit und breit kein Martin Tanner in Sicht.
Semi-stationär für’n Arsch, schiesst ihm noch durch den Kopf. Ein letzter Blick durch die kleinen, regenverschmierten Fensterchen auf die verlassene J15, als der bedrohliche Fremde wie ein Panther auf ihn zuspringt und das Messer an die Abdeckblachen ansetzt. Ein kurzer Schnitt, ein hässliches Reissen und seine kleinen Rädchen sind schonungslos dem Regen ausgesetzt. Lars wurde es schwarz und nur noch benommen nahm er war, wie sich der Fremde mit kehligem Knurren an seinem Deichsel zu schaffen machte.
Weit und breit kein Martin Tanner…

larsQuelle: Schaffhauser Nachrichten 9. Dezember 2014

Verbrechen zahlt sich nicht aus, an unseren Radarstationen gleich zweimal nicht.
Und weil sparen manchmal auch ausgeben heisst, schafft sich die Polizei nun eine dritte semi-stationäre Radarstation an.
Für unsere Sicherheit. Und weil sich der Kanton Mehreinnahmen von 270’000 Franken verspricht.

Ich habe geschlossen.

Über RAB

Ein Schreiberling mit nüchternem Blick auf das Leben, beim Versuch, selbiges aus satirischer Sicht etwas angenehmer zu bewältigen.
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