Und schon wieder eine dieser Challenges…

Der Grundgedanke sogenannter „Challenges“ im Social-Media-Bereich hat sich mir nie klar erschlossen. Wobei sich die Bemühungen meiner Recherchen auch im Zaum gehalten hat, will ich fairerweise einräumen.

Dass sich die Grundidee solcher Challenges wenig verbreitet, liegt wohl auch an der gelungenen Selbstinszenierung durch im Rampenlicht stehende Personen. Sogenannte Prominente jeglicher Kategorie wollen ja stets auf ein bestimmtes Anliegen aufmerksam machen. Die dafür verwendeten Mittel, vorwiegend Titten und Ärsche (bewusst verwende ich die unflätige Wortwahl um aufmerksam zu machen) lenken jedoch vom Thema ab, dass zu guter Letzt hauptsächlich der Promi auf seine Person aufmerksam macht und damit die Challenge dem, wenn auch nur im Subtext genannten, eigentlichen Zweck zuführt.

Mitmenschen welche sich nicht konsequent den Promischlagzeilen entziehen erinnern sich daran, dass sich Helene Fischer im weissen Top mit Eiswasser übergiessen liess. Den Grundgedanken der Ice-Bucket-Challenge müssten wir googeln.

Inwiefern es Menschen mit Prostatakrebs zugute kommt, wenn ich mir im November einen stattlichen Schnurbart stehen lasse weiss kaum einer, aber sich einen Monat lang nicht rasieren und dies als Solidarität verkaufen ist doch eine gute Sache. Und ob wir nun Zimt fressen, planken, in kalte Seen springen, einen Schnaps mit einer Dose Bier auf ex runter spülen oder die Zehennägel wachsen lassen, unterm Strich ist es stets die Selbstinszenierung.

Nicht alle Nebeneffekte sind von übel. So motivierte mich mein guter Marsch- und Trekkingkumpane zur Gipfelchallenge 2021. Mit seiner ihm eigenen Art, mich mitzureissen.

„Ich mache die Gipfelchallenge 2021. Brauche eine Motivation den Arsch zu heben. Du?“

„Ok.“

„Gut“

Hätte ich ein „Nä“ geschrieben, wäre auch ein „Gut“ gekommen, eine Charaktereigenschaft, welche ich so sehr an ihm schätze. Wenn das Gegenüber Nein sagt, bedeutet dies einfach Nein und kein „Ich ziere mich jetzt ein wenig, was im Gegenzug bedeutet, dass du mich richtig beknien sollst und ich dann doch einlenke“.

Wenn der eine sagt, ich sehe die Hand nicht vor Augen, stapfe jetzt aber dennoch durch den Hüfttiefen Schnee zur Schwägalp und der andere meint „Nä“, muss hier nicht in der Brise von gefühlten -10 Grad diskutiert werden und ich stapfe einfach zurück zur behaglichen Gondel.

Der Grundgedanke der Challenge war, dass eine Marketingorganisation den grossen Reibach macht. Die publizierte Idee „Jeder Höhenmeter zählt!“. Wer schafft im Monat Februar die meisten Höhenmeter.

Man legte sich ein Ziel fest.

1000 Höhenmeter für den gelegentlichen Spaziergänger, die „Alltagsaufsteiger*innen“.

2962 Höhenmeter für die etwas Ambitionierteren, die „Zugspitze“. Die Zugspitze steht in Deutschland als synonym für das Dach der Welt.

3798 Höhenmeter für den „Grossglockner“ und ich müsste googeln, wo der steht. Vermute mal in Österreich.

4478 Höhenmeter für… komm, das wisst Ihr. Richtig, das „Matterhorn“.

5895 Höhenmeter für den „Kilimandscharo“ und zu guter Letzt,

8848 Höhenmeter für den „Mount Everest“.

Natürlich wählten wir letzteres, weil da einfach nichts Höheres mehr kam. Dies im Team. Was für mich ganz gut war, da ich im Sinne der Kameradschaft daran gehindert wurde, bei 5000 Hm einfach den Bettel hinzuschmeissen und des Kollegen Ambitionen im Sinne des Wettbewerbs durch meine Trägheit egalisiert hätte.

Wie erwähnt, war der Grundgedanke der Challenge, dass sich die W3 Marketing GmbH ein goldenes Näschen verdiente, und Marketingmenschen haben sich dann auch mit Höhenmeter auseinandergesetzt. Was Schweizer Wanderfreude aus dem FF berechnen sind Leistungskilometer. Dies, weil zum Beispiel die Überwindung eines Gefälles über 20% nicht einfach ein Sonntagsspaziergang ist und entsprechend in die Berechnung einfliessen muss. Hat die Marketingfirma nie davon gehört, es zählen nur Aufwärts-Höhenmeter.

Einen Unterschied, ob diese nun durch hüfttiefen Schnee, auf einer Asphaltstrasse, auf dem Stepper im Fitness oder gleich mit E-Bike und Seilbahn bewältigt werden machen sie auch nicht. Obwohl sie nach unserer Rückfrage die eingesandten Daten genauestens analysieren!

Unterschiedliche Kategorien sucht man ebenfalls vergeblich. Profisportler, welche Zeit und Musse fanden, im Schnitt angeblich täglich 3600 Höhenmeter (am 28. mal eben 7094) hinzuwerfen traten gegen berufstätige Hobbywanderer an.

Die Zahlen wurden selber eingetragen und durch einen Screenshot von der App, der Uhr oder einem Eichhörnchen am Wegesrand bestätigt. Letzteres wollte ich zu gerne versuchen, fürchtete aber die Disqualifikation des Teams.

Das Ganze war also sehr intransparent, ich möchte durchaus von unlauterem Wettbewerb sprechen. Als würden die Formel-1-Teams jeweils ihre Rundenzeiten bekannt geben, eine Stoppuhr fotografieren und darauf wird die schnellste Runde und der Tagessieger ermittelt.

Unter den Zweier-Teams fanden sich richtig illustre Namen. Straight to the top. Mountain Addicts. Running Girls. Speedteam. International Spirit 4 um nur einige zu nennen.

Als Kontrast zu all diesen kraftvollen, motivierenden und pushenden Ausdrücken, wohlklingend respekteinflössend und teamgeistfördend, hatten die Schweizer Vertreter, also wir, auf dem Trikot den klangvollen, bodenständigen Namen „Wurst mit Brot“.

Geht auf einen Emil-Sketch zurück.

Wir hatten nichts weniger zum Ziel, als diesen Namen in der Siegerehrung zu hören und arbeiteten uns unter Einhaltung aller Regeln kontinuierlich vor. Es reichte für das Stockerl, auf einem grandiosen 3. Platz, so würden Schweizer Ski-Kommentatoren berichten, beendeten wir die Challenge. Nicht, dass wir etwas davon gehabt hätten. Ausgezeichnet wurden die werbeträchtigen Profis, welche den Februar vollumfänglich in den Dienst des Events stellten.

Rückblickend bleiben doch einige positive Aspekte.

Die körperliche Fitness hat keineswegs Schaden genommen und ich stellte fest, gar meinem Seelenheil ist es zuträglich, jeden Abend den Hügel vor der Haustür hochzusteigen. Diese Stunde Auszeit um drei bis vierhundert Höhenmeter und fünf bis sieben Kilometer im dunklen Wald zu gehen, verlieh dem Tag den Sinn, welchen die tägliche Arbeit vermissen liess.

Manchmal agierten wir tatsächlich als Team.

Nahe der Herisauer Psychatrie marschierten wir sechsmal über den Hügel mit der Burgruine Rosenburg und zurück um Höhenmeter zu sammeln. Eigentlich rechneten wir fest damit, dass bei der zweiten Umkehr freundliche Herren in weiss bereitstehen würden, die ausgebüxte Klientel wieder in sichere Obhut zu bringen.

Nichts dergleichen geschah und so konnten wir uns eine Woche später am Hohen Kasten versuchen, bis die Schneemassen uns zu verstehen gaben, nun wäre es auch wieder gut. Kein Grund, um nicht auf halbem Weg die Richtung zu ändern und auf der anderen Seite nochmals hochzusteigen. Jeder Höhenmeter zählt.

Die Definition von Wahnsinn sei, etwas stets aufs Neue, dieselbe Weise zu versuchen und sich ein anderes Resultat zu erhoffen. Daher waren wir am letzten Wochenende am Kronberg zu gange. Mit grossen Rucksäcken, ausgerüstet für ein Biwak. Der eine wintertauglich, der andere etwas weniger. Das letzte Wochenende im Februar sollte ein versöhnlicher Abschluss der Challenge werden.

Nach dreihundert Höhenmeter drohte der Abschluss alles andere als versöhnlich zu werden und wir entschlossen, die Wetterlage auf dem Gipfel zu checken.

Kurz mit der Bahn hoch und uns an der Nebelsuppe den Kopf gestossen. Es gibt Zeitgenossen, welche sich von solchen Widrigkeiten auf das Sofa treiben lassen und andere, welche erst richtig herausgefordert werden.

Im Team und „Wurst mit Brot“ waren beide vertreten.

„Bis zur Gabelung Schwägalp – Jakobsbad komme ich mit, da treffe ich eine Entscheidung.“

„Gut“, lautete die Antwort und ich trotte dem Kollegen hinterher. Im Instrumentenflug.

Der Wegweiser kam überraschend früh. Angesichts der Tatsache, dass ich kaum die Hand vor Augen sah, im Schnee stapfte und geländeunkundig war, beschloss ich, den Rückzug zur Bergstation anzutreten, während mein Kollege zur Schwägalp weiterziehen wollte.

„Gut.“

„Tschau.“

Und während ich so in der Gondel sass, bemerkte ich schon die Kratzer an meinem Stolz. Nach dem Abzweiger „Herisau – Schwägalp“ wendete ich mein Fahrzeug und fuhr auf die Schwägalp hoch. Mal die Gegenseite checken.

Mein Kollege hatte sich mittlerweile entschlossen das Biwak aufzuschlagen, nachdem jeder Schritt Buddelarbeiten im Schnee erforderte.

So ganz alleine wollte ich ihn doch nicht lassen und beschloss, von der Schwägalp aufzusteigen.

Der Akku meines GPS war bei den letzten Strichen und da es sich abzeichnete, dass es ein reiner Instrumentenflug werden sollte beschloss ich die Batterien zu wechseln. Um festzustellen, dass die Ersatzakkus, seit Finnland 2020 nicht mehr gebraucht, leer waren. Stellte ich natürlich erst fest, als ich die Schuhe geschnürt hatte und losmarschiert bin.

Ab ins Hotel Säntis, dort ist ein Shop, welcher mir bestimmt Batterien verkaufen würde. Hätte vielleicht, wäre er nicht dank Corona geschlossen gewesen.

Zähneknirschend gab ich auf und fuhr zurück.

Bis mir in Urnäsch die Coop-Filiale quasi vors Auto sprang.

Mit neuen Akkus zurück auf die Schwägalp, der Salzstreuwagen bremste mich ungünstig aus. Noch eine Stunde und zwanzig Minuten Tageslicht, meldete das neu zum Leben erweckte GPS.

Einem Handyzombie gleich, stapfte ich mit dem Display vor Augen durch Schnee und Nebel. Eigentlich war das Tageslicht nicht weiter massgebend.

Noch rund 1.5 Kilometer lagen zwischen uns, ich hätte nun absteigen sollen. Worauf ich so gar keine Lust hatte.

Wir sind beide grosse Jungs, können auch alleine schlafen.

Am nächsten Morgen ergab es sich, dass wir doch noch zusammen den Frühstückskaffee einnehmen konnten. Bei gefühlten minus zehn Grad, aber bei Sonnenaufgang und einer grandiosen Aussicht auf das Nebelmeer.

Auch wenn das gesteckte Leistungsziel für das letzte Wochenende, zumindest meinen Anteil betreffend, nicht ganz erreicht wurde, fand die Challenge doch einen versöhnlichen Abschluss. Und es zählt ja die Teamleistung.

Der teaminterne erste Platz, ergebnisbereinigt, geht an Fabian mit 13434.4 Höhenmetern und ich trug 10895 bei.
Dafür legte er eine Wegstrecke von 324 Kilometern zurück, ich brachte es auf 200.

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An Tagen wie diesen…

Jeder ist dann und wann davon betroffen. Behaupte ich. Es gibt einfach diese Tage. Tage, an deren Vorabend die Tür einer Anstalt nicht richtig verschlossen war und sich in der Folge dessen nun eine Unmenge an kognitiv eingeschränkten Personen in der freien Wildbahn herum treibt. Oder einfach nur jede Menge Honks. Honk ist ein wunderschöner Ausdruck. Er klingt nicht so hart wie „Du Arschloch“, vereint die Unzulänglichkeiten des Gegenübers jedoch wunderbar in einem Wort. Honk sagt einfach alles. Das grösste Mass an Verachtung, man würde der Person nicht zutrauen, einen Eimer Wasser auszukippen. Mit einem Arschloch kann man abends ein Bier trinken und der Groll verfliegt wieder, ein Honk ist man einfach auf Lebenszeit. Dies wäscht man nicht wieder rein, oder klärt es im Gespräch, in welchem man auf Zettel schreibt, was man an der anderen Person schätzt. Ein Honk beginnt wieder ganz unten, indem er versucht, eckige Klötzchen in das runde Loch zu stecken, dabei monumental scheitert und nie über diesen Punkt hinaus kommt.

Die Menge Honks um mich herum erfährt eine konsequente Steigerung.

Und so begann es damit, dass ich versuchte meinen Parkplatz zu verlassen. Ich lebe in einer ländlichen Umgebung, einem Dorf. Die Quartierstrasse ist so breit, dass problemlos zwei Lastwagen kreuzen können, was sie von den gängigen Dorfstrassen unterscheidet, auf welchen man sich schon auf dem Dreirad fühlt, als würde man durch ein Nadelöhr fahren.

Diese breite Strasse lädt förmlich zum wilden parkieren ein, was ich im Grundsatz nicht einmal verurteile. Die Fahrzeuge lassen jedoch konsequent einen Meter Abstand zu den parallel laufenden Liegenschaften. Hüben wie drüben. Nicht, weil da ein Gehsteig wäre, sondern weil die Strasse einfach so breit ist, dass man sich den Luxus gönnt.

Da die Schule ebenfalls an der Strasse liegt, ist sie entsprechend stark frequentiert. Von Kindern und Helikoptereltern. Die Unterscheidung ist nicht immer ganz einfach, da alt und jung auf Kickboards unterwegs sind. Ein Trend, welchen ich schon vor 25 Jahren in der Stadt Zürich nicht nachvollziehen konnte, als ich die ersten Yuppies auf diesem Kinderspielzeug sah. Es kann nur noch eine Frage der Zeit sein, bis der CFO mit seinem grünen Tret-Fendt durch das Büro fährt. Mit Hänger, versteht sich.

Dabei nutzen Kinder und Eltern natürlich nicht den meterbreiten Durchgang zwischen Liegenschaften und parkierten Fahrzeugen. Nein, die Sonne scheint so schön und es ist Dienstag, heute gehen wir mittig der Strasse. Die Botschaft an die Kinder ist so wunderprächtig, dass sie auch noch an der Hand über die angrenzende Hauptstrasse geführt werden müssen, wenn sie die Geschlechtsreife erlangt, die Tatsache, dass auf einer Strasse grosse böse Autos fahren hingegen noch nicht verinnerlicht haben.

Zu den Stosszeiten muss man also gar nicht erst durch die Strasse fahren wollen. Etwas oberhalb hat ein Gewerbetreibender seine Filiale. Ein Elektriker. Dessen Monteure stellen die Fahrzeuge gleich nahe der gedachten Mittellinie, man muss ja rangieren und beladen.

Im Herzen werde ich stets Handwerker sein, so ich irgendwie mit selbigen solidarisieren kann, wird dies auch der Fall sein. Da fahre ich gerne den Bogen. Auch wenn es nervt. Oder unmöglich ist. Weil der Koni das Margrittli getroffen hat und sie sich durch die Seitenscheiben miteinander unterhalten. Dabei keinerlei Anstalten machen sich vom Fleck zu bewegen, wofür ich hingegen überhaupt kein Verständnis habe.

Auch peinlich berührt bin ich, wenn meine Mutter den Verkehr aufhält, weil sie mich am Wegesrand entdeckt hat und durch das offene Fenster ihres Kleinwagens ein Gespräch beginnt. Vielleicht sollte man dies als Entschleunigung der Gesellschaft verstehen. Doch für gewöhnlich, so ich um 09:00 an einem Ort Y sein sollte, dabei eine Wegzeit von fünfzehn Minuten einkalkuliere, pflege ich nicht um 08:30 das heimische Gefilde zu verlassen, für den Fall, dass ich einem Akt der Entschleunigung zum Opfer fallen sollte.

Nachdem ich endlich zur Migros vorgestossen bin, stehe ich auf dem leeren Parkplatz in der Kolonne. Es ist vorbildlich, dass die Rentner um diese Zeit ihre Besorgungen erledigen. Eine Idee gefährlicher ist es, dass sie dies mit dem Fahrzeug erledigen und von der Fülle an freien Parkbuchten erschlagen, ja, überfordert sind. Da stellen sie ihren gepflegten Opel Ascona erst einmal quer in die Fahrbahn und fahren mal links, mal rechts, mal vor, mal zurück.

Ein weiteres Phänomen; je SUV-konformer die Parkplätze werden, sprich eine ausladende Breite aufweisen, desto katastrophaler wird das Parkverhalten der Lenker. Man hat ja genug Platz, da braucht man nicht zu korrigieren.  Zu guter Letzt steht das Vehikel so verquer in der Lücke, dass es unmöglich ist, selbiges wieder in den Verkehrsfluss zu integrieren, so links und rechts ebenfalls jemand parkiert.

Was nicht bedeutet, dass sie es nicht trotzdem versuchen. Davon zeugen diverse kleine „Ach ist ja nicht so schlimm…“-Kratzer und Beulen an meinem fahrbaren Untersatz.

Schlimm ist stets eine Definitionsfrage. Natürlich fährt er noch. Aber der Entscheid sollte letztendlich bei mir liegen und nicht bei Mutti, welche die Seitentüre stakkatoartig gegen mein Gefährt dengelt, während sie den Nachwuchs in den Fond ihres SUV verfrachtet. Mir ist schon klar, wenn ich die Krümel auf der Rückbank, das Spielzeug auf dem Boden und die vollgekotzte Rückenlehne des Beifahrers begutachte, liegt ihre Messlatte für „Schlimm“ auf einer anderen Ebene als meine, aber dies ist noch keine Entschuldigung.

Im Inneren der Filiale begegnet mir natürlich die den Fahrzeugen entsprechende Klientel. Die lieben Rentner, welche den Einkauf zelebrieren.

Mein Einkauf gleicht dem Kommissionieren von Waren. Ich weiss was ich brauche, gehe einmal zügig durch und zur Kasse. Natürlich lasse ich mich von einer Aktion einwickeln und im Fluss bremsen, aber ich positioniere mich nicht vor den Karotten und warte auf eine Inspiration, bevor ich zu den Gurken greife. Dabei den Wagen neben mir parallel zur Auslage parkieren, damit auch gewiss keiner an die Äpfel und Radieschen gelangt.

Gerade in der von Abstand geprägten Zeit. Liebe Rentner, ihr wisst schon, dass ich diesen Stofffetzen nicht zuletzt vor dem Mund trage, um eure Lebenszeit nicht zu beschneiden? Es wäre doch einfach ein gewisser Ausdruck von Höflichkeit, würdet ihr es mir gleich tun. Man stellt sich schon die Frage, wie jene Menschen wohl ein Kondom überziehen, welche bei der Schutzmaske die Nase raushängen lassen. Wenn es jedoch der Herr Hugentobler schafft, dass auch die linke Mundhälfte hervorblitzt, kommt man nicht um den Verdacht rum, er hätte dies vor dem Spiegel zuhause einstudiert. So bescheuert kann man doch nicht sein. Wobei, es war auch schon ein Trend den Hosenbund unter dem Po zu tragen, daher kann man wohl doch.

Es hat sich eingebürgert, dass aber einer Wagenfüllhöhe von 65,3 Prozent, 1.8 Gemüsesorten vom Kassenbereich in die Gemüseabteilung zum Wägen gesandt werden. Man ist schon irritiert, wenn dies nicht der Fall ist. Was sind dies für Menschen? Fällt ihnen auf der Fahrt nach Winterthur auch auf der Höhe von Andelfingen auf, dass sie sich hätten ins Auto setzen sollen?

Dann ist da auch meine Lieblingskassiererin am Werk.

In einem internen Verkaufskurs wurde ihr wohl beigebracht, dass sie dem Kunden in die Augen sehen soll. Ist im Grundsatz ganz freundlich. Aber sie kann nicht zur gleichen Zeit „Grüäzi“ sagen, einem in die Augen schauen und einen Artikel über den Scanner ziehen. Es geschieht stets in einer sequentiellen Abfolge und dieser Prozess wird bei jedem Wortfetzen wieder unterbrochen und an den Anfang zurück gesetzt. Mit einer kleinen Verzögerung bis zur Wiederaufnahme.
„Grüäzi“

„Händ sie Cumulus….“
„Ah… „

„Danke…“

„Ade…“

„En schöne Obig…“

„Danke…“

„Ade…“

Und jedes Mal der hypnotische Augenkontakt. Ja, sie dreht sich auf dem Stuhl und gerät aus dem Takt, weil sie ja bereits den nächsten Kunden am bedienen ist, welchem dieselbe Aufmerksamkeit zuteil wird.

Ich lästere ungern über die nette Frau ab, aber bisweilen, in 80 Prozent der Fälle, ist es einfach zu viel. Und sie möge doch den Stock in die Gartenabteilung zurück bringen.

Kaum zuhause stelle ich fest, dass ich infolge meines ausgeprägten Fluchtreflex in der nervaufreibenden Migrosfiliale diverse Artikel vergessen habe. Auf in den Dorfladen… doch diese Geschichte erzähle ich euch das nächste Mal.

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Könntest Du ein paar Zeilen verfassen…?

Es war so gegen 16 Uhr freitags. Warum nennt man den von Arbeit geprägten Tag vor dem erquickenden Samstag eigentlich Freitag? Ist es nicht dieser Tag, an welchem noch dieses, jenes und selbiges sowieso dringend erledigt werden müsste? Man gewinnt stets den Eindruck, Sonntags ende die Zeitrechnung. Das Leben. Die Existenz der menschlichen Rasse.

Im Moment würde ich ja töten für ein wenig Arbeit, als dann jedoch an besagtem Freitag der Büronachbar herein schlurfte, lag mir nichts ferner als die Zeitung aus der Hand zu legen. Um sechzehn Uhr beginnt man die Minuten zu zählen und ich kenne nichts zähflüssigeres als die Zeitspanne bis siebzehn Uhr.

Für unser nächstes Firmenblatt würde der Chef gerne einen Bericht haben, inwiefern sich Corona auf unseren Betrieb im Allgemeinen und auf meine Abteilung im Speziellen auswirke. Mit einem Augenmerk auf die zusätzlichen Belastungen.

Dieses Firmenblatt, möchte ich anführen ist vergleichbar mit der Schülerzeitung, welche im Dorf vor den Sommerferien gestreut wird. Nur eben nicht ganz so professionell und anmächelig. In Sachen Technik bin ich vor geraumer Zeit von der Plattform der Bummelbahn gestolpert und habe irgendwie den nächsten Anschluss verpasst. Wenn die Kollegen im Feierabendbier über die neusten Kino-Sound-Sphären-Modelle fachsimpeln, nestle ich leicht beschämt an der Bieretikette und verstehe nur Bahnhof. Trotz dieser Defizite bin ich mir jedoch sehr gewiss, die Smartphone-Kameras lichten die Objekte im zweistelligen Megapixel-Bereich ab. Weiss der Geier, welche Keksdosen-Fotokamera im Eigenbau die Redaktion für ihr Firmenblatt verwendet. Die Aufnahmen wirken wie eine auf das Format A0 aufgeblasene Briefmarke. Und im Gegensatz zu CSI Miami wird das Bild nicht zunehmend schärfer und klarer, je näher man heranzoomt.

Dazu kommen klassische „und dann er so… und dann ich so… und dann…“-Sätze. Schon beim ersten Lesen war ich peinlich berührt und hoffte stets, dass man mich mit diesem Blatt nicht in Verbindung brächte.

Es ist der Chefetage nicht ganz verborgen geblieben, dass meine Formulierungen sich bisweilen von den schriftlichen Standardwerken unterscheiden, auch wenn ich, rückblickend auf die letzten zehn Jahre, schon ein wenig von meiner Gabe eingebüsst habe.

Aber einen Teufel werde ich tun, meinen Beitrag zu leisten. Als würde man Picasso bitten, den Rahmen zu pinseln, in welchen man die Kindergartenzeichnung seines Sprösslings gepackt hat.

Ich sah also über den Zeitungsrand zu besagtem Herren und grinste breit.

Wirklich, fragte ich ihn. Abgesehen davon, dass ich in eurem Betrieb die Zeit vor Corona nicht kenne, bin ich seit knapp acht Monate damit beschäftigt, täglich zwei Mails zu lesen und allenfalls drei Telefone zu beantworten. Wenn sich nun also in diese Flut von Arbeit eine Mehrbelastung durch Corona geschlichen hat, würde ich zu gerne einen Bericht lesen, welchen Umfang dieses Pensum vor Corona hatte.

Ja er meine nur, entgegnete er, weil der Chef hätte es eben so gewünscht…

Im Juni. Vielleicht Juli, oder August. Spätestens September, lautete die Antwort auf meine Frage, wann das alberne Faltblatt zum nächsten Mal erscheinen solle.

Ob ich denn nun…, wollte er sich vergewissern.

Danke, ich nehme es gerne als Aufhänger, um mit dem Chef ein Grundsatzgespräch zu führen, beschloss ich das Gespräch und hob demonstrativ die Zeitung wieder an.

Mein Kopf scheint nahtlos in den Rumpf überzugehen, so dick ist mein Hals mittlerweile. Dies hängt nicht damit zusammen, dass ich meine Beziehung in den Sand gesetzt habe, sondern dass ich hier Tag für Tag zehn Stunden meiner Lebenszeit, und so arg viel ist davon nicht mehr über, verbrenne. Für nichts und wieder nichts. Im Quadrat. Ich habe noch kein Quentchen Mehrwert generiert und die Summe am fünfundzwanzigsten reicht bei weitem nicht aus, um dem Leben jeglichen Sinn abzusprechen.

Wer mit einem Problem in mein Büro kommt und keinen Lösungsvorschlag unterbreitet, kann selbiges gleich wieder mitnehmen.

Ein Motto meines Chefs und genau wegen solcher Richtlinien und Grundsätze schätze ich ihn. Doch umso schwerer wiegt es, dass auf meinen Hinweis beim Vorstellungsgespräch „Wenn ich einfach noch 20 Jahre absitzen wollte, könnte ich in meiner jetzigen Firma bleiben, doch erwarte ich mehr von meinem Alltag…“ eine Anstellung erfolgte. Mit oben beschriebenem Tätigkeitsbereich. Nachdem meine Vorgängerin wegen chronischer Unterforderung und mangelnder Auslastung den Dienst quittiert hatte. Was jedoch keinesfalls als Anlass genommen wurde, das Stellenprofil neu zu umschreiben. Man lockte einfach den nächsten Deppen in die Falle.

Ja, ich habe mir schon überlegt, ob es nicht rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen sollte, wenn man jemanden unter der Vorspiegelung falscher Tatsachen dazu ermuntert, sein Anstellungsverhältnis zu kündigen und einen neuen Vertrag zu unterzeichnen.

Obwohl sich der Artikel 28 des OR nicht explizit auf Arbeitsverträge bezieht, so finde ich doch parallelen im Gesetzestext, der da lautet:

Ist ein Vertragschliessender durch absichtliche Täuschung seitens des andern zu dem Vertragsabschlusse verleitet worden, so ist der Vertrag für ihn auch dann nicht verbindlich, wenn der erregte Irrtum kein wesentlicher war.

Die Frage stellt sich, was geschieht wenn der Vertrag für nichtig erklärt wird. So nicht eine Entschädigungssumme von einem Jahresgehalt herausspringt, oder zumindest eine Entrichtung des Lohnes für die Zeit, in welcher mit zumutbarem Aufwand eine neue Stelle gesucht wird, steht man mit heruntergelassener Hose da. Also das, was ich jetzt schon habe.

Nun, die Konfrontation habe ich auf Mittwoch angesetzt, weil ich durch die chronische Unterbelastung beginne Schaden an Leib und Seele zu nehmen.

Zurück zu den gewünschten Textzeilen.

Corona und der Einfluss auf meinen Arbeitsalltag

Mein Eintritt in die Firma stand bereits im Zeichen der Pandemie. So ergab es sich, dass ich weder mit meinem direkten Vorgesetzten, noch dem ranghöheren Chef meinen Einstand durch eine körperliche Vereinigung vollzogen habe. Was ich so sehr schätze und nichts daran ändern möchte. Selbst das kollegiale Du wurde eingeführt, ohne sich männlich die Hand zu schütteln, oder es weibisch mit einem Gläschen Tranksame zu besiegeln.

Alsbald wurde die Maskenpflicht eingeführt und ich vermag mich kaum mehr entsinnen, wie die Antlitze sich hinter dieser papierenen Verhüllung ausnehmen. Auf die Gefahr der Wiederholung hin, ich schätze es und wir brauchen daran nichts zu ändern. Auch wenn das Tragen der Maske meine Ohrmuscheln dahingehend verformen, dass meine reinrassige Herkunft in absehbarer Zeit nur anhand der Papiere belegt werden kann.

So pandemiebedingt eine Zunahme der Belastung zu verzeichnen gewesen wäre, darf ich sagen, dass wir die Spitzenbelastung ohne grossen Federlesens gemeistert haben und seit geraumer Zeit eine abnehmbare Tendenz verzeichnen dürfen.

Eine Lernkurve mag das ihrige beigetragen haben, doch darf ich verkünden, dass ich um 07:35, oder fünf Minuten nach Arbeitsbeginn, das Gros des Tagesgeschäftes abgearbeitet habe. Mein Zeitunglesen wird nur durch gelegentliche Anrufe, derer überschreitet nie die Zahl von drei pro Tag, unterbrochen.

Es hat sich die Gepflogenheit entwickelt, dass ich alle sechzig Minuten den Mailverkehr kontrolliere und vor der Mittagspause zwei, zu Spitzenzeiten drei Nachrichten weiterleite.

Der Nachmittag ist weitgehend dadurch geprägt, dass ich, um mich von der ermüdenden Bildschirmarbeit zu erholen, meinen Blick über die grünen Flächen streifen lasse, ermuntert von der Hoffnung, in der Ferne die Schafe beim Grasen zu beobachten.

Es war kurz vor Weihnachten des letzten Jahres, als mir eine Bürounterstützung zugewiesen wurde. Meine Arbeit erfuhr dahingehend eine Änderung, dass ich den telefonischen Verkehr delegiert habe und mich vollumfänglich dem elektronischen Postverkehr und den Tageszeitungen widmen konnte.

Der Beobachtung der Schafe widmen wir uns bisweilen gemeinsam um die Last zu teilen.

Anfang Jahres wurde die Home-Office-Pflicht angeordnet und als pflichtgetreuer Bürger, nicht zuletzt als Angestellter des öffentlichen Dienstes, war mir sehr daran gelegen, dieser Anordnung Folge zu leisten.

Ich versicherte, dass ein Studium der Zeitungen auch online zu bewerkstelligen wäre, der Mailabruf funktioniere und gar das Telegrafennetz könne ohne grosse Eingriffe und technische Aufwendungen in heimische Gefilde geleitet werden.

Nicht zuletzt um die Wichtigkeit meiner Person und die bekleidete Stellung zu unterstreichen, gelangten die Vorgesetzten zum Schluss, dass meine physische Präsenz unabdingbar sei. Gegen die Begründung „Es hätte einfach einer hier zu sein…“ konnte ich keine stichhaltigen Argumente ins Feld führen.

So führe ich mein Tagesgeschäft unter Aufsicht der vorgesetzten Organe weiter, mit der kleinen Abweichung, dass die Schafe zurzeit in ihrem Winterquartier weilen und wir einfach über die leere Rasenfläche starren.

Derweil habe ich es mir zur lieben Gewohnheit gemacht, täglich eine Bewerbung abzusenden und mir Stunden zusammenzuklauben, um allfälligen Einladungen zum Vorsprechen Folge leisten zu können.

Ich freue mich, diesen Einblick in meinen Arbeitsalltag gewähren zu dürfen und danke für das Vertrauen.

Soweit meine Zeilen, ich bin noch ein wenig unsicher, ob ich diese so vorlegen sollte. Nichts käme mir gelegener, als eine Kündigung seitens Arbeitgeber. Einfach, weil ich es mir verdient habe.

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Die Blockchain

Aufgrund totaler Unterforderung betreibe ich gerne etwas Gehirnjogging.
Heute erkläre ich euch die Blockchain.

Der Bitcoin steht gerade bei 33’000, also das Dreifache vom letzten Oktober. Ich habe keine. Ihr wahrscheinlich auch nicht, also konzentrieren wir uns auf die Technik.Unabhängig davon, ob sich Kryptowährungen halten (sie werden), wird sich die Blockchain als Technologie durchsetzen. Nicht zuletzt in der Logistik.

Ich gehe in die Migros und kaufe mir ein Springbock-Steak. Keine Ahnung wie sowas schmeckt, aber ich brauche ein Beispiel, welches in der Beschaffung etwas komplex ist.Betrachten wir die Beschaffungskette, die Supply-Chain, vom glücklich springenden Böckchen bis zum Steak auf meinem Teller. Und bei diesem Gedanken vergeht mir eigentlich schon wieder ein wenig der Appetit.

Da ist nun also der Jäger, welcher es jagt. Dieser muss wohl belegen, dass die Springböcke nicht geschützt sind. Ich nehme an, mit einer Abschuss-Legitimation für Springböcke, ausgestellt von einem überarbeiteten Beamten im Springbock-Populations-Kontroll-Amt. Diese muss der örtliche Fleischeinkäufer kontrollieren.

Dann wird das Tier ausgenommen und muss in die Kühlkammer. Der Fleischverarbeiter muss belegen, dass er dabei nicht dreissig Kinder aus dem Slum beschäftigt, sondern Arbeitnehmer, welche geschützt, versichert und überhaupt im Grundsatz sehr glücklich sind.

Nun muss der Springbock auf das Schiff, es gilt Zollformalitäten zu erledigen.

Der Springbock-Container wird in Rotterdam vom Schiff auf den LKW verladen. Der Zollbeamte will kontrollieren, ob im Springbock-Container wirklich besagter Springbock und nicht ein Sack Kokain und ein Beutel Blutdiamanten liegen. Der Einkäufer wiederum wird wohl einen kurzen Blick in den Kühlcontainer werfen und kontrollieren, ob das Ding auch schön tiefgefroren ist. Während der Spediteur beim Leben seiner Grossmutter versichert, dass dies auch bei der gesamten Überfahrt so war. Paco hat es stündlich gemessen und auf seinem Blatt eingezeichnet, welches der LKW-Fahrer nun übernimmt.

Vor dem Grenzübertritt in Basel hat der Zollbeamte mittlerweile einen kompletten Bundesordner an Bescheinigungen und Frachtpapieren durchzublättern. Macht er und lässt sich Zeit. Ist ja Beamter.

Im Verteilzentrum der Migros werden die Papiere abermals gewälzt, Übersetzer und Kryptologen herbeigezogen, weil der Schlachter in Afrika eine furchtbare Schrift hat. Aber, morgen könnte der Kassensturz vor der Tür stehen und dann muss man versichern, dass der Springbock gesund war, der Schlachter glücklich, der Kadaver gekühlt, der Transport bezahlt, der LKW Co2-Neutral, die Zoll-Formalitäten korrekt abgewickelt wurden, der Preis nicht überrissen ist, dass im Berner Oberland keine Springböcke leben und man deswegen aus Afrika importieren musste und dieser nun in der Filiale Oberwinterthur im Regal 35, Ebene B liegt. Und gekühlt ist. Dies alles will der Konsument wissen, er zahlt ja schliesslich 3.95 CHF für das Kilo und ist sehr daran interessiert, dass alles seine Ordnung hat.

Wir sehen, ein Stück Fleisch macht nicht nur eine ziemliche Reise bis auf meinen Teller, es sind auch unzählige Formalitäten zu erledigen. Und verbraucht dabei wohl drei Schwimmbäder Wasser, weil die Ökologieverträglichkeit in Liter Wasser gemessen wird, wie jedes an sich gängige Flächenmass in Fussballfeldern. Das Publikum will es so.

Bei der ganzen Logistikkette, und ich will Paco ja nichts unterstellen, stehen wir vor ein paar Herausforderungen. Wenn der fleissige Paco am vierten Tag der Überfahrt bemerkt, er ist ja nicht dumm, dass die Temperatur plus-minus immer dieselbe ist, wird er das Formular doch nach Gutdünken ausfüllen. Wie Du und ich auch. Und wenn er am 6. Tag feststellt, dass sein Lidl-Badethermometer in Froschform seit Beginn der Fahrt hinüber ist geht er auch nicht hin und bricht den ganzen Transport ab. Der Schlachter vergass ein Kreuz, welches der Kapitän noch kurz hinzugefügt hat und weil der Brennstoffzellen-Brummi gerade an der Ladestation steht, ist der Fahrer eben mit einem alten Saurer 10DM von Rotterdam nach Basel gefahren. Ich bin Migros-Kind, aber nehmen wir mal an, ich hätte das Fleisch bei Crazy-Achmed gekauft, wäre vielleicht auch noch die ein oder andere Haltbarkeitsdatum-Korrektur angebracht gewesen.

Der Jäger arbeitet mit Handschlag, der Schlachter in Afrika benutzt Block und Bleistift, der Frachter-Kapitän hat schon einen Bleistift, der Zollbeamte mit Durchschlagpapier und Schreibmaschine, der Brummi-Fahrer sagt „Passt schon…“ und die Migros nutzt SAP.

Wir haben hier also eine Versorgungskette mit sieben völlig unterschiedlichen Systemen, sie ist so fälschungssicher wie eine Adidas-Trainerhose in der Hand von Chinesen und aufwändig wie ein Antrag zum Corona-Kredit.

Und hier kommt die Blockchain ins Spiel.

Eine Blockchain ist wie ein Gruppen-Chatverlauf.Wenn ihr in die Feierabendbiergruppe tippt, haben das 5 Kollegen auf dem Handy. Obwohl ihr zwei Sekunden später feststellt, dass die „Mutti hab dich lieb“-Nachricht in den falschen Chat geraten ist, gibt es nichts mehr zu löschen. Dies macht die Blockchain so sicher. Die Information ist nicht auf einem Server gelagert, sondern auf unzählige Rechner verteilt. Schmiert einer ab, sind noch 599 im Netz, da geht nichts verloren.

Fügt nun jemand eine Information hinzu, wird diese erst von allen vorhandenen Rechnern kontrolliert, verifiziert und wenn diese finden, passt, wird diese der Blockchain hinzugefügt. Dies ist das Prinzip vom „Schürfen“ und deswegen benötigt dieses Schürfen pro Bitcoin wohl etwa fünf Hallenbäder. Ja wie jetzt, verfiziert… Nichts ist übler, als einen Hergang oberflächlich zu erklären und darauf bauen, dass die Menschen nicht nachfragen, weil sie nicht als dumm gelten wollen und man sein eigenes Halbwissen gut kaschieren kann.

Die Information, dass die Arbeiter beim Schlachter sehr glücklich, weil krankenversichert, sind, steht auf einem Happiness-Index-Formular. Oder so. Statt dieses Formular mit seinen drei Durchschlägen in einen Bundesordner abzulegen, wird es digitalisiert. Es entsteht ein Block. Dieser Block soll nun in die Kette. Damit das Happiness-Index-Formular gültig ist muss es vom Amt genehmigt sein. Verwendet man das Einwickelpapier des Pausenbrotes, mag das Seelenheil des Mitarbeiters wohl festgehalten und in Ordnung sein, ist aber ungültig, weil kein amtliches Formular. Ihr kennt dies, wenn ihr schon einmal einem Mieter gekündigt habt. Ähnlich zu dieser amtlichen Genehmigung muss der digitale Block den Code des vorangegangenen Blockes beinhalten. Dies wäre also jener Block, welcher bescheinigt, dass der Jäger Springböcke schiessen darf. Nur wenn dieser Code vorhanden ist, akzeptieren die verifizierenden Computer den Happiness-Index-Block als gültigen Bestandteil und fügen ihn der Kette zu.

Der nächste Block besteht aus den Zollformalitäten. Und dieser Block muss den Code des Happiness-Blockes beinhalten um als gültig erkannt, sprich verifiziert zu werden.

Dieses Codes nennt man Hash. Die Hashs werden aus der Prüfsumme der Blöcke generiert und sind fälschungssicher. Hey, fälschungssicher gibt es nicht. Stimmt. Aber es wäre eine nicht zu stemmende Rechnerleistung dazu erforderlich. Gut, hat man vor Turing auch behauptet, aber wir wollen nun nicht abdriften.

Eine nachträgliche Änderung eines Blockes ist unmöglich. Will der Jäger zum Beispiel die Angaben nachträglich etwas korrigieren, weil der WWF verlauten liess, dass Springböcke geschützt sind, würde die Prüfsumme des Blockes verändert. Sprich, der Hash wäre nun ein anderer. Das heisst, dass der Happiness-Index-Block des Schlachters auch nicht mehr stimmt und so stürzt das ganze Kartenhaus ein.

Daher ist die Blockchain so sicher, wie etwas eben sicher sein kann.

Reisst also die elektronisch gemessene Kühlkette auf dem Transport ab, wird dies in der Blockchain vermerkt. Der Zoll kann innert kurzer Zeit nachverfolgen, woher die Lieferung kommt, ohne Papiere zu wälzen. Die Rechnung und deren Bezahlung wird gleich über die Blockchain abgewickelt. Die Migros kann mit drei Mausklicks belegen, dass der Schlachter dem Jäger ganze 75 Rappen für zehn Springböcke bezahlt hat und der Jäger gemäss UNICEF-Zertifikat davon drei Monate lebt und acht Kinder auf die Schule schicken kann. Oder so.

Natürlich wird die Blockchain nicht alle Systeme ablösen. Die aktuelle Situation zeigt uns, wie stabil ein Staatenverbund und stark das grenzenlose Miteinander ist, wenn es hart auf hart kommt. Da wird man sich kaum global auf eine Datenbank einigen. Aber sie wird Einzug halten. Alleine, weil die Papierersparnis pro Springbock-Lieferung 3.14 Fussballfelder voller Bäume retten wird.

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Wie man Luft verkauft

Ich finde die Börse im Grundsatz etwas sehr spannendes, GameStop bietet sich nun direkt an, den Erklärbär zu spielen. Der Bärenmarkt steht übrigens für anhaltend sinkende Kurse. Falls ihr einmal bei Günther Jauch gefragt werdet. Das Gegenteil wäre der Bulle. Und nicht der Dachs, wie Wendler einst behauptete.

Nachdem wir gelernt haben, wie man aus Schrott Geld macht, beschäftigen wir uns heute damit, wie man Luft verkauft.

Wir fahren mit unserem GameStop-Beispiel weiter, da die Hedgefonds gerade ordentlich gestrauchelt sind.

Was sind denn eigentlich Hedgefonds?

Ein Hedgefonds funktioniert in den Grundzügen ähnlich wie ein Investmentfond. Beim Investmentfond sammelt der Fondmanager Geld und investiert dieses. Im Idealfall natürlich gewinnbringend. Für seine Bemühungen behält er einen gewissen Prozentsatz der Rendite ein.

Dies war es mit den Gemeinsamkeiten. Bei den Hedgefonds ist es so, dass man schon jede Menge Kapital mitbringen muss. In den USA zumindest kommt man ohne eine Million in der Spardose schon gar nicht in den erlauchten Kreis. Eine halbe Million muss man in den Fond stecken. Also der Spielplatz der Superreichen. Und diese halbe Million ist dann erst einmal weg, denn einfach wieder aussteigen ist nicht, das investierte Kapital ist in der Regel über mehrere Jahre gebunden.

Ihre Attraktivität für Superreiche erhalten Hedgefonds dadurch, dass sie sehr dürftig reguliert sind. Nach dem Verbot des Insiderhandels ist bald einmal fertig, für den Manager gibt es bei der Wahl des Risikos keine Grenzen nach oben.

Insiderhandel, eingeschobenes Basiswissen, bedeutet, dass ein Manager nicht mit einem Papier handeln darf, wenn er über ein Wissen verfügt, welches der Öffentlichkeit nicht zugänglich ist.

Prominentes Beispiel: Rajat Gupta von Goldman-Sachs steckte seinem Kollegen Rajaratnam die Info aus einer geschlossenen Geschäftsleitungssitzung, dass Warren Buffett gedenkt 5 Mrd. in Goldman-Sachs zu investieren.

Rajaratnam, ein Hedgefondsmanager, sprintete sofort los und riss sich jede Menge Goldman-Sachs-Aktien unter den Nagel.

Als die Mitteilung dann offiziell wurde fand ein Run auf die Aktie statt, denn wenn Buffett investiert kann die Sache ja nur zu Gold werden. Und wo eine grosse Nachfrage, richtig, der Preis schnellt in die Höhe. Gut für Rajaratnam, bis die Finanzaufsicht der Sache nachging. Man muss in einem solchen Fall die Kristallkugel schon sehr glaubwürdig als Informationsquelle vertreten, um nicht zu einer Busse verknurrt zu werden.

Und da sind wir auch schon beim schlechten Image der Hedgefonds-Manager. Sie sind nicht sehr transparent. Niemand weiss, was die tun und aufgrund der immensen Summen haben sie jede Menge Einfluss im Wirtschaftssystem. Man spricht auch von Heuschrecken. Sie fallen über eine Firma her und lassen nichts mehr übrig. Wie sie es bei GameStop wollten.

Dies ist auch der, meines Erachtens, grösste Unterschied zu den Investmentfonds. Hedgefonds dürfen Leerverkäufe tätigen.

Hedge bedeutet, sich absichern. Kauft man also einen Titel, kann man sich auch gleich gegen seinen Absturz sichern, wie ich es beim Shorten erklärt habe.
Dadurch, dass sie Leerverkäufe tätigen können, brauchen sie die Titel nicht einmal zu kaufen. Sie „leihen“ sie sich.

Wie läuft dies ab?
Rudolf Raffzahn leiht sich also 1000 GameStop Aktien. Diese verkauft er an Hein Blöd für 30 Dollar. Der Kurs serbelt in den Keller. Aber Rudolf Raffzahn ist ja kein Unmensch. Er kauft die Aktie von Hein Blöd für 15 Dollar zurück. Für seine Bemühungen behält er 15 Dollar ein und gibt die Aktie dem Verleiher zurück.

Richtig, der aufmerksame Leser gibt sich damit noch nicht zufrieden. Wie leiht man sich denn eine Aktie?
Ich meine, kommt ein Hedgefondsmanager zu GameStop und will sich ein paar Wertpapiere leihen muss sich dies für GameStop anfühlen, also würden sie mit einem Messer zu einer Schiesserei gehen und schlagen Rudolf Raffzahn die Tür vor der Nase zu.

Deswegen leihen sich Hedgefonds die Aktien bei anderen Fonds, Wertpapierhändlern, Banken oder auch Grossaktionären. Dafür hinterlegen sie zum einen eine Sicherheit, zum anderen entrichten sie eine Leihgebühr, was für die Verleiher natürlich lukrativ ist.

Diese geliehenen Aktien verkaufen sie dann, wie wir oben gelesen haben.
Könnte natürlich entsetzlich schief gehen. Melvin Calvin lässt grüssen.

Spielen wir das Ganze also einmal anders herum, wie es in einer gerechten Welt ablaufen würde.

Rudolf Raffzahn leiht sich eine Aktie bei Bernd Birnbaum und verkauft sie für 30 Dollar an Hein Blöd. Und dann steigt die Aktie auf 60 Dollar. Rudolf Raffzahn geht der Hintern auf Grundeis, muss er dem Verleiher Bernd Birnbaum doch die Aktie wieder zurück geben. Die Aktie, welche er nicht besitzt und nun von Hein Blöd für das doppelte zurückkaufen muss. So geht natürlich ganz schnell ganz viel ergaunertes Geld futsch. Neben der Gebühr zumindest noch die hinterlegte Sicherheit.

Dem gilt es entgegen zu wirken.

Hedgefondsmanager leihen sich gerne Aktien, welche sie als überbewertet betrachten. Dies kommunizieren sie dann auch breit und grossmütig. Berichte von Hedgefonds werden natürlich angezweifelt, man kennt ja die Absicht dahinter, aber der Privatanleger blickt da kaum durch. Folglich werden die Aktionäre scheu, Kleinanleger neigen gerne zu Panikverkäufen, und stossen die vermeintlich wertlosen Papiere ab.

Und wo viel Aktien verkauft werden, Nachfrage fällt, rauscht der Preis in den Keller.

Ausser bei GameStop. Wenn die Aktionäre denken; Und jetzt erst recht und zukaufen! So lange, bis der Handel ausgesetzt wird, aber dies ist ein neues Thema.

Und so verlor der Hedgefonds Melvin Capital mal eben 6 Mrd. Dollar.

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