Wohlfühlen bei ‚Bauer, ledig, sucht‘

Was den deutschen die Inka, ist uns der Fritsche. Genau, ich spreche von der Bauer-Kuppel-Show.
Mitunter eine der wenigen Sendungen im deutschen Fernsehen, welche nicht aus der holländischen Endemol-Schmiede stammt.

Es gibt gewisse Kriterien, welche ein Bauer einfach mitbringen muss, um in diesem Format aufgenommen zu werden. In erster Linie darf er nicht Durchschnitt sein. Der Hubert aus deinem Dorf, welcher auf dem Hof alleine lebt, Mitglied im Turnverein ist, das Feldschiessen besucht und als einziger negativer Punkt am Herbstsonntag den Servierschlitten des Damenturnverein in das Dekollte geifert wird kaum bei 3+ über den Bildschirm flimmern.
Der kuppelwillige Bauer sollte zwischen vierzig und sechzig Jahren alt sein. Also beziehungstechnisch „öppe de letzt Zwigg a de Geesle ha“. Fünfundvierzig Lenzen, noch nie eine Beziehung gehabt, optisch hinter manchem Sechzigjährigen anzusiedeln und die Mutter macht seine Wäsche; so greift man wohl am tiefsten in die Geldkiste von 3+.

Natürlich sind die Produzenten flexibel. Der Landwirt darf schon in den zwanzigern sein. Also in einem Alter, in welchem man ihm durchaus attestieren würde, auch ohne Fritsche eine Partnerin zu finden. Dieses telegene Manko sollte er durch seinen Auftritt wettmachen. „En Chrumme“ oder „En Balke“ zwischen die Lippen, ein Gang mit der lethargischen Dynamik eines Beamten und Sprüche von der Tiefe wie „Nach zwei Bier hesch g’ässe…. aber no nüt trunke“ runden das Profil von Lukas (24) fernsehtauglich ab.

Über vierzig isch schon einfacher. Nur schon, weil er mit Mutti den Hof, die Küche und das Bad teilt. Die Frau Mama ist sich sehr wohl bewusst, dass hier irgendwann die Schranken falsch gestellt wurden, schreibt es jedoch der Exklusivität ihres Sohnemannes zu. Er ist ganz ein spezieller und nimmt daher auch nicht einfach jede. Also würde er schon, aber die Fahrerin des Milchlasters ist lesbisch und die Verkäuferin im Volg seine Schwester. Was kein Hinderungsgrund sein muss, doch sie hat bereits auswärts geheiratet. Lebt am anderen Ende der Welt. Im Nachbardorf.
Mama stört es nicht, dass ihr Walter (52) noch die Füsse unter ihren Tisch streckt. Er bleibt ein anständiger Bub und sie ist versorgt, bis sie in die Grube fährt. Wie es eben sein soll.

Dies sind die Bauern, welche mir und weiteren Zuschauern meines Geschlechts ein gutes Gefühl vermitteln. Man liegt in der Trainerhose auf der Couch, hat dies mit den Beziehungen vielleicht auch nicht so richtig auf die Reihe gekriegt und ergötzt sich daran, wie die Bauern in ihrem Balzverhalten keinen Fettnapf auslassen. Bewusst, dass 3+ die ärmsten Hunde ausgewählt hat, zögern wir nicht, diese auf den Level des Durchschnitts-Mitbewerber zu heben und fühlen uns gut, weil wir ja so viel besser sind.

Männer wollen die Bauern und Bewerberinnen scheitern sehen, je dümmlicher desto besser. Frauen suchen das ergreifende. Frauen wünschen sich tatsächlich, dass sich diese Trauergestalten im Fernsehen verlieben. Also wenn sich zwei finden ist das uuuh schön und romantisch. Ist es noch ein Paar, welches bei Tageslicht besser nicht den Stall verlassen sollte, ist es noch viel herziger. Ersteht ein Bauer eine russische Schönheit, ist er ein alter Grüsel, steckt er einem übergewichtigen, hinkenden Heimchen gewandet im schönsten Brocki-Chic die Zunge in den Hals, rührt das zu Tränen.

In jeder Staffel muss noch eine Frau dabei sein. Isabel (37) ist nun nicht direkt vom Mailänder Laufsteg nach Solothurn gestolpert, aber, wie man unter Männern salopp sagt, „En Sauhund wärsch nid…“. Es kommt ihr auch zugute, dass unter Blinden der Einäugige König ist.
Weswegen sie bei Frauen auch gleich untendurch war. Da müsste mehr Hintern ran, das ganze in eine weite Elefantenjeans, der Push-Up sollte einem Unterhemd weichen und das enge Hemdchen durch eine Faserpelzjacke der Ebenalp-Bahn ersetzt werden. So hat eine Bäuerin auszusehen.
In den Augen der Frau war diese Isabel so attraktiv, dass sie sich nicht einmal beruhigten, wenn sich die Männer über ihr nervtötende Ausdrucksweise echauffierten.

Dabei wurde für die Damen doch extra der Sven (26) eingeführt. Ein Kandidat, welcher einfach nur langweilig ist. Keine offensichtlichen Defizite, dafür ein Sixpack. Der Hof gleicht nicht einer Müllhalde, dafür eine frisch renovierte Wohnung mit edler Küche. Arbeitet hart, der Betrieb riesig und wirklich schlecht wird es ihm wohl nicht gehen. Er muss wohl eine Wette verloren haben. Im Stil von, ich kann meinen New-Holland T4 nicht an der Hinterachse hochstemmen, ups, ich habe es doch geschafft, und nun musste er sich eben für ‚Bauer, ledig sucht‘ bewerben.
Wir wollen diesen Kandidaten nicht sehen, das gefällt uns nicht. Es fehlt das wohltuende „Ha, ich bin besser als du“-Gefühl.

Frauen mochten ihn auch nicht. Vielleicht, weil er die Bewerbungsschreiben wie ein Mann aussortierte. Mit dem Fokus auf den Fotos. Zu dick, zu alt, mag Pferde, zu kurze Haare…
Auf die Damenwelt wirken die übrigen Bauern sympathischer. Wenn sie versuchen die Zeilen zu entziffern. Eine mit Legasthenie geschlagene Dame schreibt mit einem südernden Füllfederhalter ein gegoogeltes Gedicht auf eine rote Papierserviette, während die hungrige Katze bei jedem herzförmigen i-Punkt den Ellbogen stupst.
Bauer Lukas, hat in der 5 Klasse die Primarschule geschmissen weil der Marschbefehl für die Rekrutenschule im Briefkasten lag, versucht dies nun zu entziffern und lädt die Dame sogar noch ein. Das wollen Frauen sehen, Männer, welche auf inneren Werte, die persönlichen Zeilen schauen und aufgrund des netten Anschreiben ihre Wahl treffen.
Liebe Damen, auch Lukas und Freunde schielen auf die Fotos. Ja, man sieht ihnen jeweils förmlich an „wie de Lade abe goht“ wenn sie die nicht immer ganz aktuellen Bilder betrachten.  Aber da sie nunmal zwischen Pest und Cholera entscheiden müssen und Mutti findet, die sähe doch ganz nett aus, wirkt es, als wäre ihnen das Aussehen egal. Und entscheiden müssen sie, weil dies gewiss im Vertrag steht.
Wobei, meine Insiderquellen steckten mir, der Marcel aus dem oberen Kantonsteil hätte eine Dame wegen ihrer korpulenten Erscheinung vom Hof gejagt, was ihn irgendwie sympathisch macht. Ist das warten auf den guten Marcel doch die Ausrede, warum wir Schaffhauser und Umgebungs-Schaffhauser diese Sendung überhaupt schauen.

Entschuldigung, haben sie ein paar Minuten um über unseren Erlöser Jesus Christus zu sprechen?

Was noch fehlt ist der Bauer mit dem Knall. Also jener, welcher rein oberflächlich betrachtet nicht die schlechteste Partie wäre aber dann doch komisch ist. Ganz alle Latten am Zaun hat keiner der Landwirte, Bauer Sepp (62) mal ausgenommen, aber beim Stefan (32) überhupft doch mehrmals täglich ein Rädchen. Dann kniet er vor dem Altar im Wohnzimmer nieder und betet den Rosenkranz. Nein nein, das Glauben an sich ist nicht verkehrt, aber die Zweisamkeit sucht er darin, dass seine Hofdame neben ihm ebenfalls die Knie auf dem Parkett aufscheuert.
Auf das Bettlaken hat er ein Verhütungsmittel gelegt, welches Crocs und Elefantenhosen an zuverlässigkeit in nichts nachsteht; Den Wachtturm und Werbeflyer für den Glauben.
Seine Mutter begrüsst er förmlich mit Knicks, der Esstisch ist ausgelegt für mindestens elf Kinder. Eine Obergrenze setzt er nicht fest, die Anzahl liegt in Herrgotts Hand, in Abhängigkeit von der Gebärfreudigkeit seiner Gattin.
Natürlich hat er die Sache in die Binsen gesetzt. Nur schon durch die Tatsache, dass in seiner Wertschätzung Frau und Kinder irgendwo zwischen der Kuh Olga und seinem Fendt Turbomatik rangieren. Was doch völlig normal sei, über ihm sei schliesslich nur noch Mutter Maria angesiedelt und die Partnerin möchte dies doch freudig akzeptieren.

Unterm Strich haben dennoch viele Bauern einen guten Schnitt gemacht. Will sagen, sind mit einem blauen Auge und dem Obolus von 3+ davon gekommen.
Klar, der Sepp hat seine Dame behalten, aber dies war eher eine pragmatische Entscheidung. Er wollte einfach ein Gspusi. Hätte ihm 3+ einen jungen Ziegenbock auf den Hof geschickt, hätte er auch diesen genommen. Kopfkino an.

Bauer Christian (45, sieht aus wie 54), ist die Hofdame wieder davon gelaufen. Bevor er überhaupt drei komplette Sätze formuliert hatte, fühlte sie sich eingeengt und in eine Form gepresst, so was würde sie nie mehr mit sich machen lassen! Nach gängigen Massstäben hat er es versemmelt, ich würde jedoch sagen, Schwein gehabt.

Gleich mehreren wurde bewusst, dass sie eigentlich gerne eine Dame hätten, wiederum an ihrem Leben so gar nichts verändern möchten. Was heisst, entweder passt sie nahtlos in dieses hinein oder sie würde mehr stören als bereichern. Unterm Strich fahren sie wohl günstiger, wenn sie ihren Trekker einmal die Woche auf den Parkplatz des Nachtclub Flamingo lenken.

Dass das Kaugörl Isabel keinen Mann sucht war schon klar, als gesendet wurde, dass sie  ihre Räntsch mit dem Ex-Bätscheler Rentsch betreibt. Sie wollte einfach nur kostenlose Promo und es hat geklappt.
Tom, welcher jeden Satz mit einem „hä isch jo klar“ beendete, konnte trotz Dodge Pick-Up nicht punkten und musste gehen, nachdem er nackig den Stall mistete und sich einen Saunabesuch erkämpfte. „Gseht ganz scharf us, das gfallt eme Kauboy wie mir, isch jo klar“, schlug Isabel in die Flucht.
Von Roger schien da weniger Gefahr auszugehen, brachte er beim sprechen kaum die Kauleiste auseinander. Nachdem er sehr intim Isabels Ellbogen gestreift hatte war jedoch auch hier der Mist geführt.
Nachdem nun die Talentsucher bei 3+ begriffen haben, dass das Lüften des Stetson auch gleich das Ende der fallenden Hüllen darstellt, wird der Senderaum künftig wohl quotenträchtiger vergeben werden.

Bis dem Marcel aus Schaffhausen eine Hofdame genehm ist, bleibt uns nur die Schlafmütze Benjamin, 24, trägt das T-Shirt in der Unterhose, und seine sich stets beklagende Lea, welche sich noch vor dem Frühstückskaffe dreizehn Valium reinpfeifft.

Für alle, welche künftig die Sendung verfolgen möchten, schliesst doch für einen Moment die Augen. Nicht um der Besinnlichkeit willen, aber Aussagen wie „Mueschen ganz is Muul nä, suscht sprützts uf Kleider“ beim Obst essen sind von den 3+-Regisseuren einfach excellent geschnitten.

Gesucht wäre an dieser Stelle eine Dame, welche sich mal für einen Bauern bewerben möchte. Wäre neugierig, wie das so abläuft.

 

Über RAB

Ein Schreiberling mit nüchternem Blick auf das Leben, beim Versuch, selbiges aus satirischer Sicht etwas angenehmer zu bewältigen.
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