Fährt ein Schaffhauser in den Tunnel

Was dem BMW-Fahrer der Blinker, ist dem Schaffhauser der Scheibenwischer.
An jedem Fliessband steht da ein Manni oder Kai-Uwe und baut die Dinger in die Karrossen ein. Ohne Aufpreis erhältlich, gerade beim BWM welcher in der Standardausführung nur die Luft im Innenraum gelistet hat. Dennoch fühlt sich der Lenker nicht bemüssigt, diese technischen Errungenschaften zu benutzen.
Es wäre ja nicht so, dass er mit einem Abzieher aus dem Seitenfenster fummeln müsste, nein, nur eine Fingerübung an der Bedienkonsole, welche irgendwo um das Volant liegend platziert ist. Will sagen, die meisten schaffen es im Blindflug auf einem 4 Zoll-Bildschirm eine Textnachricht zu schreiben, gar ohne richtige Tastatur, aber dieser kleine Hebel für die Wischeranlage überfordert Otto-Normal-Lenker.

So herrscht häufig unzüchtiges Treiben in den Schaffhauser Tunnels, mit Schmackes schlittern sich Fahrzeuge in die schnittigen Hintern. Beschlagene Fenster sind schuld daran. Ein Phänomen, welches so nur in Schaffhausen festzustellen ist. Ja, es wurde eigenst eine Task-Force eingesetzt, um diesen Sachverhalt zu analysieren. Ein geschlagenes Jahr wurde gebrütet, Vorschläge ausgearbeitet, Ideen verworfen und ich bin überzeugt, diverse Tunnel im europäischen Raum wurden besichtigt.
Die ausgearbeitete Lösung ist dementsprechend auch ein Geniestreich. Eine bahnbrechende Erfindung, welche den Tunnelbau global revolutionieren wird.

Temporeduktion

Temporeduktion ist das Aspirin des Strassenverkehrs. Hilft einfach immer.
Die knapp zwölfhundert, respektive vierzehnhundert Meter des zweiten Tunnel, reichen dem durchschnittlichen Schaffhauser Automobilisten nicht aus, das Problem der beschlagenen Scheibe zu erkennen, es zu analysieren und entsprechende Gegenmassnahmen einzuleiten. Also muss man ihm mehr Zeit einräumen, dieser unerwarteten Sachlage auf den Grund zu gehen. Wir senken das Tempo. Bisher war die erlaubte Höchstgeschwindigkeit bei 80 Kilometer pro Stunde, was bedeutet, der Verkehr fliesst mit etwa siebzig über den Asphalt. Alles andere wäre Raserei, Drängeln und Nötigen.
Eine Sensorik misst, ob die aktuelle Wetterlage einem Beschlagen der Scheiben Vorschub leisten würde. Ist dies der Fall, wird umgehend die Polizei alarmiert. Klingt sinnlos, ist aber so.
In einem weiteren Schritt, ich sage ja, die Technik ist revolutionär, beginnen Ampeln gelb zu blinken.
Bringt Herr Müller im orientierungslosen Blindflug durch den Tunnel nicht viel, aber Neueintretende werden vor der Gefahr gewarnt. Also nicht vor Herr Müller, welcher gerade blind wie ein Maulwurf aus dem Cholfirst auf die Galerie und durch die effizienteste Radarzone im Kanton, auch Goldgrube genannt, flitzt, sondern vor dem Wetterumschwung im Cholfirst.
Mit der tollen Lichtshow geht die Temporeduktion auf 60 km/h einher. Künftig rollt man also langsamer durch den Tunnel, als ein Stromer E-Bike durch die Fussgängerzone flitzt. Alles andere wäre Raserei, Drängeln und Nötigen.

Das haben die Schaffhauser nun von ihrem Mimimimi zu Handen des ASTRA und das alles nur, weil die Menschen zu faul waren, den Scheibenwischer zu betätigen.
Von den Schaffhausern werde jetzt nun ein wenig Verständnis erwartet, so der Oberpolizist Martin Tanner, dass die Anlage dann und wann vielleicht auch die Höchstgeschwindigkeit senkt, auch wenn trockene Wüstenstürme durch den Tunnel pusten. Ein Schelm wer Böses denkt, wenn er Lars oder Klaus vor dem Tunnelportal stehen sieht.

Wie gesagt, Temporeduktion ist der Schlüssel zu einem tollen Verkehrsnetz. Flurlingen stellt Blumentöpfe in den Weg, baut Hubbel in die Strasse, Beringen setzt gezielt Radfahrer ein um den motorisierten Verkehr im Dorfzentrum auszubremsen, betreibt auf der Engestrecke erfolgreich eine Dauerbaustelle und Löhningen vertraut auf das wilde Parkieren rund um das Schulhaus, welches Automobilisten in einen sehr langsamen Slalomverkehr versetzt.
Der ungekrönte Meister ist jedoch Neuhausen. Durch ein geschicktes Ampelspiel haben sie den Verkehrsfluss so weit gehemmt, dass er eigentlich rückwärts rollen müsste. Würde das noch gehen, aber so findet man sich in einem Stillstand.
Rotphasen von drei bis fünf Minuten, um die Grünphase nicht zu verpassen, sollte man tunlichst nicht zu oft blinzeln. Das einzige Phänomen ist, dass sich dieser Knäuel von Bussen, Lastwagen und Autos nach 19 Uhr irgendwie wieder auflöst, obwohl sich auf einen flüchtigen Blick hin kaum ein Fahrzeug schneller als im Kriechtempo bewegt hat.

Nicht ganz so bescheuert sind unsere nördlichen Nachbarn in Jestetten. Um die bösen Pendler und Edeka-Kunden zu piesacken, wollten sie das Tempo durch die Ortschaft auf dreissig Stundenkilometer senken. Flüsternd durch den Ort, den Lärm reduzieren.
Ein kluger Kopf wies jedoch darauf hin, dass tagsüber kaum ein Fahrzeug die flotten 30 km/h erreicht.
Und sind wir ehrlich, bis die Warteschlange für die Ausfuhrscheinstempelung vom Zoll bis zur Aldiparkplatz-Ausfahrt reicht, dauert es auch keine Jahre mehr.
Nun ist das Tempo eben Nachts reduziert. Weil irgendwo muss man das Tempo reduzieren.

Was bisher noch keiner in Angriff genommen hat, ist den Schaffhauser einzubleuen, dass man in Deutschland ausserorts mit 100 Sachen fahren darf. Ja, auch zwischen Neuhausen und Jestetten. Oder, dass ein Kreisel nicht erst befahren werden darf, wenn er zehn Sekunden absolut leer war. Und wo die Linie nicht durchgezogen ist, darf man Brummis überholen.
Aber dies ist eine andere Geschichte…

Über RAB

Ein Schreiberling mit nüchternem Blick auf das Leben, beim Versuch, selbiges aus satirischer Sicht etwas angenehmer zu bewältigen.
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