Twitter sperrt 70’000 Konten

Twitter sperrt QAnon-Konten.

Richtig so, ist man versucht zu sagen. Der Sturm auf das Capitol, die Verweigerung der Anerkennung von Massnahmen gegen Corona, ja, das Verleugnen des Virus selber. Krude Verschwörungstheorien. Chips werden uns eingepflanzt, Bill Gates trinkt das Blut von Neugeborenen um ewig jung zu bleiben und er will nicht die Weltherrschaft an sich reissen, die hat er schon längst. Er will sie nur behaupten.


Kein Mensch auf der Welt braucht QAnon. Und trotzdem sind es anscheinend rund 70’000 Twitterkonten. Und wenn man bedenkt, dass Twitter nur ein kleines Medium ist um Meinungen zu verbreiten, gerade solche aus der Verschwörungsecke, kommt da schon was zusammen.
Richtig so, denkt man. Doch dann, irgendwo im Hinterkopf, dieses kleine Pochen. Es wird genau jenes sein, welches Menschen dazu treibt, die grosse Verschwörung zu sehen. Und dies nicht einmal zu unrecht. Denn was hier betrieben wird, ist eine Zensur. Eine Einschränkung der freien Meinungsäusserung. Angeordnet von wem?


Die meisten haben diese Erfahrung auch schon gemacht. Man liest einen Artikel, bildet sich eine Meinung zu selbigem und hat den Eindruck, diese Meinung muss kundgetan werden. Denn der Artikel bewegt sich auf einem total falschen Weg, verkündet eine vollkommen irrige Sichtweise, man sieht sich schon direkt in der Pflicht, dies zu berichtigen. Man verfasst einen Leserbrief, mit Herzblut und Engagement. Freut sich, dass man hier einen grossen Irrtum berichtigen kann, hört schon das überraschte, mit einer anerkennenden Note versehenen „Aha“ von tausenden Lesern.
Und dann wird der Leserbrief nicht gedruckt. Warum weiss man nicht. Vielleicht hat man den Artikel falsch interpretiert und wird so von einer Blossstellung bewahrt. Diese Option schliessen wir gleich von vorneweg aus und ich will behaupten, sie trifft auch kaum ein. Denn genau diese Blossstellung würde die Seriosität des Artikels untermalen.
Vielmehr passen die Zeilen nicht zum Zeitgeist, nicht zur politischen Orientierung oder der Redaktion passt schlicht der Name des Verfassers nicht. Man wird es nie erfahren und wenn man die Beweggründe eruieren will, rutscht man schnell in die Rolle des trotzenden Kindes, daher unterlässt man es.
Mit einem Mausklick formt ein kleiner unbedeutender Redakteur die Meinung. Er entscheidet, was für die Leserschaft relevant ist und was nicht.


Ein weitaus grösserer Teil von uns kennt dies von der Stumpfsinnzeitung 20 Minuten. Die Freischaltung der Kommentare scheint sehr willkürlich zu sein, im allgemeinen Tenor jedoch in die Richtung, wir sind links, weltoffen, fördern die grenzenlose Multikulti-Gesellschaft und haben uns alle fest lieb. Man sieht vor dem geistigen Auge den erst geschlüpften Online-Redakteur bei der sehr subjektiven Auswahl, welche Kommentare ihm gefallen und welche eben nicht. Bei Artikeln, welche sehr reisserisch verfasst sind, die Polarisierung bereits im Titel tragen, wird die Kommentarfunktion gleich von Beginn, spätestens aber nach 10 Beiträgen deaktiviert. Es gibt eine Meinung. Die des Redakteurs. Und diese gilt. Wer eine andere hat, soll auf andere Medien ausweichen. Weg von der Zeitung, welche dank ihrer Reichweite eine gewisse Monopolstellung inne hat.


Auf facebook gibt es eine Gruppe. Von Schaffhausern für Schaffhauser. Eine Gruppe um sich über Aktuelles auszutauschen, Bilder aus der Region zu teilen, in Erinnerungen zu schwelgen und im netten Rahmen zu diskutieren. So gibt sie den Anschein.
Jeder Beitrag wird vor der Freigabe kontrolliert. Nicht auf Rechtschreibefehler. Es wird geprüft, passt der Artikel zur allgemeinen Richtung, welche man verfolgt und beibehalten will, oder bringt er Unruhe in die Sache.
Ein kleiner Antiquitätenhändler mit einer Affinität zu Rheinfall-Fotografien sitzt am Zensurpult und überlegt, ob der Beitrag ihm persönlich nun gefällt oder nicht. Kein metaphorisches Bild, es ist tatsächlich so. Qualifiziert hat er sich dadurch, dass er nicht der Gründer der Gruppe, aber schon seit Stunde eins dabei ist und uns viele, viele, wirklich sehr viele Bilder des Rheinfalls präsentiert hat.
Und so hat ein schönes Bild von einem schottischen Wasserfall eine erheblich grössere Chance zu erscheinen, als eine kritische Frage zum Zeitgeschehen auf dem Platz Schaffhausen. Ich habe es versucht. Wiederholt.


Wer also immer sich in bestehenden Medien Gehör verschaffen will, ist auf die Goodwill der selbigen angewiesen und kann sich nur präsentieren, wenn die eigene Ansicht sich mit der Ausrichtung der Plattform deckt.
Wir loben uns gerne für die geheiligte Gewaltentrennung, der Exekutive, Legislative und Judikative. Diese begrenzt die Macht, wirkt einer Diktatur entgegen und garantiert Gerechtigkeit. Unterstützend dazu wirkt die 4. Gewalt, die Medien. Welche innerhalb der Politik wohl keine Gewalt innehaben, durch die Meinungsbildung aber durchaus beeinflussen können. Und hier stellt sich die Frage, welche Macht ist wohl die stärkste? Wie viele Bürger schauen die Arena und wie viele lesen die Stumpfsinn- und die Blödzeitung? Und welche Macht kann völlig uneingeschränkt agieren, da jeder Einschnitt einen Eingriff in die Pressefreiheit bedeutet? Innerhalb derer jedoch sehr wohl selektiert wird, wer im Land eine Stimme hat und wer nicht.


Daher sehe ich die Sperrung der Twitter-Konten ein wenig kritisch, auch wenn ich ein grosser Bewunderer von Bill Gates bin. Wegen seiner Pionier-Leistung, nicht wegen seinem Engagement für die Armen der Welt. Wenn ein Milliardär eine Million spendet ist er ein zur Erde gesandter Engel, ein reiner Gutmensch. Drückt ein Handwerker einem Clochard 20 Franken in die Sammeldose kommen keine Kamerateams und das Nobel-Komitee beginnt nicht zu tagen. Obwohl er sich diese 20 Franken von einem Abendessen abspart, während Bill Gates sich noch immer den Kopf zerbricht, wie er die letzte Milliarde unters Volk bringt.
Darüber hinaus vertrete ich die Ansicht, dass sich in dieser QAnon-Bewegung wohl die dümmsten Menschen der Welt versammelt haben. Und wäre ich Besitzer von Twitter, würde ich wohl genau so agieren.
In meiner Medienwelt hätten weder eine Frau Priska Seiler-Graf, noch eine Operation Libero oder irgendwelche Genderströmungen eine Stimme. Weil ich die Meinungsbildung so steuern würde, wie ich es für richtig empfinde.


Und genau dies deucht mich gefährlich.

Über RAB

Ein Schreiberling mit nüchternem Blick auf das Leben, beim Versuch, selbiges aus satirischer Sicht etwas angenehmer zu bewältigen.
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