Es wäre ja nicht so, dass ich faul bin…

Meine einzige Motivation ist, nicht belästigt zu werden. Das, und die Angst meinen Job zu verlieren. Deswegen arbeite ich gerade hart genug um nicht gefeuert zu werden.
-Peter Gibbons-

Das Schlimme am nichts tun ist ja, dass man dem Umfeld irgendwie suggerieren muss, man sei hoffnungslos überlastet. Ständig beschäftigt wirken, ohne einer eigentlichen Tätigkeit nachzugehen kann unglaublich anstrengend sein. Passt man nicht auf wie ein Heftlimacher, artet dies in Arbeit aus.
Es gibt gewisse Grundsätze, die unbedingt einzuhalten sind.

Die Frage: Hast du einen Moment Zeit?
Achtung Falle! Sagst du nein, musst du auch sofort die Erklärung bereit haben. Da deine letzte Aktion jedoch darin bestand, die Anatomie eines Krokodils zu studieren – habe ich heute von 08:00 bis 08:30 tatsächlich gemacht – könntest Du in einen gewissen Zugzwang geraten.
Das Ja sagen ist schon gar keine Option, weil du als erfahrener Fuchs bereits dem Tonfall entnommen hast, dass dich der Störenfried kaum bitten wird, ihm beim Verspeisen von 20 Mandelgipfeln behilflich zu sein.
Die Gegenfrage „Wieso?“ ist die einzig adäquate Antwort. Es zeigt nicht nur, dass du ein Mensch bist, der weiss die Prioritäten richtig zu setzen, du kannst deine Entscheidung auch vom Anliegen an sich abhängig machen. Zudem schindest du etwas Zeit, dir eine plausible Erklärung zurecht zu legen, weswegen du keine Zeit hast.

Die Excel-Tabelle
Habe stets eine Excel-Tabelle geöffnet. Ausser vielleicht du bis Art-Director in einem Creative-Studio oder so. Word ist heikel. Das menschliche Hirn ist darauf ausgelegt, einen Text automatisch zu lesen, wenn ihn das Auge sieht. Und so du diesen nicht in Hebräisch verfasst hast, sieht jeder gleich, dass hier absoluter Nonsens auf dem Bildschirm steht. Ganz davon abgesehen, dass ihr ja erst einen Text schreiben müsstet.
Eine Exceltabelle ist dank des vorgegebenen Rasters schon zu fünfzig Prozent gefüllt, die halbe Miete. Ein paar Farben und Zahlen und es wird keiner mehr zweifeln, dass ihr hier die übelste Tabellenkalkulation ever betreibt. Zudem kann man auch einmal 15 Minuten auf eine Kalkulation starren ohne eine Fingerbewegung durchzuführen. Ihr brütet über einer extrem wichtigen Formel.

Vermeidet Ordnung
Euer Schreibtisch muss stets von Zetteln, Dokumenten, Ordnern und Mappen belagert sein. Zum einen wirkt dies…, falsch, legt Zeugnis davon, dass ihr ordentlich mit Arbeit eingedeckt seid. Wortwörtlich. Zum anderen werden Menschen daran gehindert, euch weitere Zettel, sprich Arbeit auf den Tisch zu legen. Nicht nur, dass schlicht kein Platz für weitere Zettel besteht, der Bote befürchtet, dass seine immens wichtige Nachricht in deinem To-Do-Stapel schlichtweg untergeht.

Geht immer im Stechschritt
Sobald ihr euch vom Stuhl erhebt, bewegt euch zackig. Schaut auf die Uhr. Rollt mit den Augen, wenn euch jemand begegnet. Jede Form von Mimik muss ausstrahlen, dieser Mensch ist im Stress. Steckt um Gottes Willen nie die Hände in die Taschen. Im Gegenteil, achtet darauf stets Dokumente in der Hand zu haben. Wer mit einem Zettel von A nach B geht hat einen Auftrag. Er verfolgt ein Ziel. Wie eine schützende Aura legen sich diese Dokumente um dich. Es wird dich niemand anhalten oder ansprechen. Ein „Du, wenn du mal Zeit hast…“ ist das extremste, was euch drohen kann. Und da ihr ja nie Zeit habt, könnt ihr es getrost ignorieren.

Tür-zu-Knopf
Drückt im Fahrstuhl stakkatoartig den Tür-zu Knopf. Keine Zeit zu verlieren. Es muss alles schnell gehen. Ja, selbst diese Bruchteile von Sekunden zählen. Es zeigt den Mitfahrenden, dass ihr unter Strom seid. Der Tür-zu-Knopf ist der Karriere-Booster. Der Knopf in die CEO-Etage.

Essen
Es versteht sich von selbst, dass die Nahrungsaufnahme am Schreibtisch erfolgen soll. Während eine Hand die Maus bewegt oder ihr mit unnatürlichen Verrenkungen versucht einhändig Grossbuchstaben zu tippen, schiebt ihr euch ein Sandwich in den Mund. Der angestrengte, konzentrierte Blick wird nicht darauf schliessen lassen, dass ihr soeben Mines oder Solitair spielt. Ein grosser Plus-Punkt dieser Form der Mittagspause; ihr entgeht dem verbalen Hirnfick des bescheuerten Kollektiv am Kantinentisch und die Ausdünstungen anderer Menschen vergällen euch nicht das leckere Essen.

Ist es nun erschreckend, dass ich alle diese Punkte nicht zu beachten brauche? Was meine Vorgänger auch immer getrieben haben, es herrscht die irrige Meinung vor, ich bekleide hier eine hundert-Prozent-Stelle mit nur ganz wenig Kapazität für zusätzliche Aufgaben. Die Verwirrung, dass ich ohne sichtbare Beeinträchtigung des Tagesgeschäftes alle Zusatzaufgaben innert Rekordzeit erledige, führt dazu, dass ich wohl über kurz oder lang der Hexerei bezichtigt werde.

Bereits beim Einarbeiten stellte ich fest, dass das zu bewältigende Pensum sehr überschaubar wäre. Etwa einen Monat lang generierte ich mir selber Arbeit, deren Nutzen weit hinter der investierten Zeit lag.
Einen weiteren Monat lernte ich ausnahmslos für meine höchst eigene Weiterbildung, welche dem Betrieb in keiner Weise von Nutzen sein würde. Den nächsten Monat investierte ich in ein privates Projekt, dann ging mir effektiv die Arbeit aus.
Ich habe keinen Plan, was ich noch bewerkstelligen könnte. Natürlich reizen mich Lego-Bausätze, aber damit würde ich die Grenzen wohl eine Idee zu sehr ausloten. Auch die Putting-Range, welche ich gerne in meinem Büro aufgebaut hätte, würde wohl irritieren.

Bis ich einen weiteren zündenden Einfall habe, widme ich mich nun einer über lange Zeit stark vernachlässigten Tätigkeit. Ich konnte endlich wieder einmal lesen. Bücher, welche weder mit Volkswirtschaft noch einer Versorgungskette zu tun haben.

Erst etwas verstohlen hinter meiner Bildschirmbarriere. Mittlerweile fläze ich dazu im Stuhl. Was sollen sie auch machen?
Da ich trotz wiederholter Intervention keine Arbeit erhalte, ist hier auch nichts, was ich vernachlässigen konnte. Und das wenige, was ich erhalte, liefere ich in einer Geschwindigkeit und Qualität, von welcher sie bisher nur zu träumen wagten.
Klingt besser als es ist; nachdem man jahrelang die Kinderkrizzeleien an den Kühlschrank geheftet hatte, muss man sich wie im Louvre wähnen, hängt plötzlich ein akkurat gezeichneter Kreis an selbigem.

Ich habe die kleine Regel, nicht weniger als 1000 Worte in einem Blog, daher muss ich noch etwas strecken.
Obwohl; an der eidgenössischen Prüfung war ich mit meinem Referat bereits nach 50% der Zeit durch. Die Blicke der Experten würde ich als ungläubig, irritiert und fordernd bezeichnen. War die Zeit doch angeblich das massgebende Element. Den Wert einer solchen Prüfung kann man hinterfragen, wenn nicht der primär der Inhalt, sondern die maximale Nutzung der Redezeit bewertet wird. Und nein, ich studierte nicht Politwissenschaften.
So beschloss ich meine Präsentation mit den Worten „Ich könnte nun noch Banalitäten zum Besten geben um die Zeit zu füllen, doch dies würde meine exzellente Präsentation ihres Glanzes berauben. Verbuchen sie die eingesparte Zeit als Hommage an die Effizienz. Und nun ihre Fragen“.

Für die mündliche Präsentation: 4.5.
Das Gefühl, den gesunden Menschenverstand behalten und den Experten gesagt zu haben, steckt euch eure theoretische, realitätsfreie Regel sonst wohin: Unbezahlbar.

Und schon habe ich die tausend Worte.

Über RAB

Ein Schreiberling mit nüchternem Blick auf das Leben, beim Versuch, selbiges aus satirischer Sicht etwas angenehmer zu bewältigen.
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