Zwischen Walliser-Dinkelbrot und Quengelware

Ob es wirklich jemand gerne macht, ich bezweifle. Nun, die Rentner, vielleicht.
Ich spreche von den Lebensmitteleinkäufen. Es gibt die schrecklich organisierten Menschen mit einem begehbaren Kühlschrank und einer zweigeschossigen Speisekammer  welche den Einkauf als Familienevent am Samstag Morgen zelebrieren. Ein Menüplan von sieben Tagen füllt den Einkaufswagen sowie die Cumuluskarte und leert das Haushaltskonto. Und dann gibt es Menschen wie mich, mit einem Kühlschrank von der Grösse einer Kühlbox, dessen Volumen durch den Biervorrat noch um die Hälfte reduziert wird, und diese gehen eben gute vier mal die Woche einkaufen.
Den Samstag schenke ich mir mittlerweile, die Pärchen und Familien gehen mir auf den Senkel.
Doch auch Wochentags kann man den Blutdruck in die Höhe jagen.

Im Herzen und Portemonnaie bin ich ein Migros-Kind. Dazu wird man erzogen. Deswegen kann es keine Aldi-Kinder geben. Auch wenn die das gerne hätten. Aldi ist so schweizerisch wie Milka-Schokolade und nach 12 Jahren hat man noch keine Kinder konditioniert.

Dann und wann besuche ich jedoch auch den Coop. Einfach zur Abwechslung und weil es mir peinlich ist, viermal die Woche in derselben Migros bei derselben Verkäuferin die sechs selben Einkäufe auf das Band zu legen. Meine Ernährung ist eher zwecksmässig denn auf Abwechslung und Lustkäufe ausgelegt und ich werde das Gefühl nicht los, die denken sich mittlerweile, was stimmt mit dem Kerl nicht?
Wie die bösen Blicke im Volg, wenn ich ein Alibi-Brot erstehe, obwohl ich nur Abfallmarken brauche.

Schon wenn ich Abends auf den Parkplatz fahre, sinkt die Einkaufslust unter die Fussmatte. Da ist immer eine Mutti mit ihrem SUV am rangieren. Meine Güte, es ist doch nichts dabei dem Alten zu sagen, dass man mit einer Karre dieser Grösse nicht klar kommt. Und, dass es so ist können sie nicht bestreiten. Egal wie oft sie korrigieren, wie viel Einkaufswagen sie dabei an die Wand pressen und Reklametafeln biegen, das Vehikel steht immer schräg in der Lucke. Nicht einfach so schräg, dass es den Ordnungsfanatiker ein wenig stört, nein, so krumm, dass der Kunde im Parkplatz rechts davon wohl noch in die Lücke kommt, aber am Heck zwischen beiden Wagen kein durchkommen mehr ist. Doch muss Mutti da durch, denn der Maxi-Cosi muss ja mit in den Coop. Und die Brut sitzt hinten rechts, damit man mit der Hand nach dem Schnuller fischen kann, während man mit 45 km/h auf der Achtzigerstrecke Schlangenlinie fährt.

Liebe Mamas dieser Welt; Mir ist klar, das Auto ist ein Gebrauchsgegenstand. Ja, ich sehe, dass euer Minivan zuhause auch einmal als Torwand dient und die dynamische Schramme auf einem halben Meter verrät mir, dass das Dreirad von Kevin am linken Griff keinen Gummipuffer mehr hat.
Natürlich muss man Kinder mit einer knusprigen, krümelnden Reiswaffel auf der langen Fahrt bei Laune halten und ganz zweifelsohne hat Schakeline selbige schon im weiten Bogen über die Rückbank gereiert. Das Armaturenbrett sieht aus, als hättest du es für eine gute Idee gehalten, dem Brooklyn-Jeremy eine Capri-Sonne in die Hand zu drücken und bald hat er den Bogen raus gehabt, was man mit diesen Tüten alles machen kann, wenn der Durst gerade nicht so arg ist.
Dies ist alles deine Sache und dein Gefährt. Doch nur weil es dich nicht kümmert, wenn deine Karre aussieht als wäre sie nach einer Stockcar-Challange vom Schlepper gefallen, bedeutet dies nicht, dass es dem Nachbar nichts ausmacht, wenn du sein Gefährt mit derselben Rücksichtslosigkeit behandelst.
Ein Maxi-Cosi in den Fond zu zwängen ist sicher eines Tetrismeisters würdig und der sperrige Hintern ist da kaum förderlich, aber muss deine Tür im Sekundentakt in die Seite meines Wagens poltern?
Nein, ich bin kein Kinderhasser, zu gerne vergisst ihr, dass ohne kinderlose Single kein Kindergeld, keine Prämienrückerstattung und keine Schulen möglich wären. Keine Ursache.

Habe ich den Parkplatz verlassen, steige ich erst über drei Asoziale. Kann einem bei der Migros nicht passieren, ein Franken pro Liter Bier zieht die entsprechende Klientel nun mal an. Bei der Migros hockt nur der Mann mit der Ziehharmonika auf dem Klappstuhl und guckt einem flehend-fordernd an. Man kann schlecht sagen, man habe kein Geld, schliesslich betritt man soeben in kaufwilliger Absicht einen Konsumtempel. Vielleicht würde ich ja auch lieber am Boden sitzen und den Triangel schlagen, aber irgendjemand muss ja noch einer geregelten Tätigkeit nachgehen, wer würde sonst den Sozialhilfetopf füllen? Daher, lieber Mann am Schiffersklavier, hol dir meinen Batzen beim Sozialamt. Gern geschehen.

Migros hat was warmes, familiäres. Coop ist kühl und futuristisch. Dies liegt nicht nur an der Kühltheke, welche direkt aus einer Pinguin-Menagerie zu stammen scheint. Weiss der Geier, wieso die Energydrinks auf zwei Grad herunter gekühlt werden müssen und der Fertig-Salat in der Schüssel klimpern muss.
Wenn denn Körbchen bereit stehen, nicht selten muss man bis zum Kassenkorpus durchmarschieren, sich per äxgüsi durchwursteln um ein solches Ding zu ergattern, ist der Boden gewiss mit schimmeligen Salatblättern und einem ausgelaufenen Joghurt eingesaut. Ist eben Coop. Die Dinger werden von Achmed wohl während der Inventur auf dem Vorplatz mit dem Kärcher ausgespritzt und gut ist für 12 Monate.

Nicht alles bei Coop wirkt logisch. So ist das Bier fünf Regalreihen neben dem Wein angesiedelt, der Sekt in einem Nebengebäude. Wenn man das Wasser im dritten Gang findet, sind Energydrinks gewiss in Reihe 8 und Süssgetränke irgendwo zwischen Tampons und dem Magerquark. Auch ist es für mich nicht schlüssig, warum Beef Jerky beim Thaifood steht und nicht beim übrigen Rindfleisch.
Kaum hat man den Bogen raus, wird das Ergebnis einer neuen Verhaltensforschung verkündet und ich suche das Plenty-Küchenpapier in der Metzgerei.
Meine 1 Meter 76, Tendenz fallend, entsprechen genau dem Durchschnittsmenschen. Aus Verkäufersicht. Strecke ich die Hand gerade ins Regal, habe ich den teuersten Artikel in der Hand. Max Havelaar, mit jeder Kakaobohne baue ich eine mittlere Grundschule in Ecuador oder Honig von Bienen, neben deren Glückseligkeit die Maja wie ein depressiver Emo wirkt. Was ich nie begriffen habe, wie kann es Bio-Honig und normalen Honig geben? Ich meine, man kann der fleissigen Honigsammlerin doch nicht vorschreiben, von welchen Blumen sie den Nektar pflücken soll und dies mit der artgerechten Haltung ist auch eher schwierig. Klaut man den Tierchen doch die Wabe, zerstört ihr Haus, stiehlt den Honig und schmeisst ihnen stattdessen eine Zuckerlösung hin.
Als würde man mir Ende Monat meinen Franken nehmen und ein Schubkarre voller Dong (1 Euro entspricht 25’500 vietnamesichen Dong) hinstellen.
Wir wollen nicht abweichen, will man also günstig einkaufen, ist man oft auf den Knien oder klaut den Angestellten ihre Trittleitern um in die oberen Regale zu gelangen.

Vor dem Brotregal

Meine Güte, was war das früher einfach. Halbweissbrot, Ruchbrot, vielleicht mal einen Zopf und in der Weihnachtszeit Grittbenzen.
Heute steht man vor einer erschlagenden Auswahl. Maisbrot mit Dinkelzusatz, Dinkelbrot mit Haferstreu, Proteinbrot mit 87 Prozent Kohlenhydrate. Walliserbrot, Thurgauerbrot, Älplerbrot, Fyrabigbrot, Baslerbrot. Knuspersemmel, Jamadu-Brötchen, Riesenwecken, Vollkorngipfel.
Frisch gebacken!
Also ein Tiefkühlprodukt kurz in den Ofen geschoben. Der Duft ist verführerisch, keine Frage und es macht sich gut, so warm im Regal. Etwa fünf Minuten.
Greift man sich locker einen Laib, dreht sich weg und denkt ‚Ups, jetzt ist das Knusper-Thurgauerbrot mit Walliserkruste und Maiskern wohl zu Boden gefallen‘. Nach einem genaueren Blick erkennt man, nein, da ist wirklich ein Brot in dieser Tüte, auch wenn das Gewicht einem das Gegenteil weis machen will. Nach Aufdruck müssen es wohl 500 Gramm sein, man wird dennoch den Eindruck nicht los, es fliegt einer Feder gleich in den Einkaufskorb.
Die Druckfestigkeit eines Schwammes und mehr Löcher als eine Emmentalerkäse.
Wenn man Brot will, kommt man um die örtliche Bäckerei nicht herum.

Irgendwann steht man an der Kasse. Hinter den Rentnern. Gestern hatte ich zwei ganz nervige hinter mir. Er sprang mit einer Behändigkeit zwischen Kasse zwei und drei hin und her, als wäre er im Kinderfernsehprogramm. Die Gattin stets im Schlepptau. In einem Moment der Unachtsamkeit schaffte er es, sich vor mir einzufädeln. Der Herr, welcher gewiss den ganzen Tag Zeit gehabt hätte, aber um 18:35 einen Grosseinkauf tätigen muss. Ich habe noch eine Erziehung genossen, Respekt vor dem Alter, sonst hätte ich den kleinen, zappeligen Mann wohl neben den Vanillekaugummis in das Quengelregal gehängt.

Meine lieben Verkäuferinnen. Gewiss stand im Stellenprofil, dass ihr den Kontakt zu Kunden lieben müsst und bei der Einkleidung wurde euch eingebleut, dass ihr die Visitenkarte der Unternehmung seid.
Alles gut, aber die Dinge liegen so; Ich habe die Ware gekauft. Ihr müsst sie mir nicht noch einmal verkaufen. Die Transaktion muss nur noch zum Abschluss gebracht werden. Ihr müsst mich nicht unterhalten, ihr müsst keine interessierten Fragen stellen und auch nicht auf das Geplänkel des notgeilen Sacks vor mir eingehen. Spart euch den Smalltalk für die Pause und arbeitet euch speditiv durch die Sache. Ich weiss, wir sind auf dem Land. Man kennt sich. Aber ihr könnt Trudi auch am Abend noch fragen, ob Herberts Durchfall sich gebessert hat.
Ich habe es noch nie versucht, aber ich würde meinen Hintern verwetten, man kann den Einkauf in einer Bewegung über den Scanner ziehen. Ihr müsst nicht jeden Barcode angucken und zwei Handwechsel durchführen. Und, himmelhergottnochmal, legt diesen verdammten Trennbalken nicht auf das Band um die Bewegung zu stoppen. Das Band stoppt schon, wenn mein Magerquark in die Lichtschranke gerät, bis dahin findet aber noch gut ein Einkaufskorb voller Güter seinen Platz auf diesem.

Ist die Verkäuferin speditiv, was doch die meisten sind, wird sie durch den Kunden ausgebremst. Ihr macht nur euren Job, ihr müsst fragen, ich weiss.
Sammeln sie Punkte?
Ja wofür sind sie denn?
Ab zehn gibt es ein Kuschelbärchen, ab dreissig und einer Zuzahlung von 97.95 eine Titanpfanne mit molekularversiegeltem Keramikboden und ausserdem ein Lebensversicherungsangebot von der Generali. Riester gefördert.
Ja was muss ich denn da machen.
Nur diese Marken auf diesen Zettel, ups jetzt ist er zu Boden gefallen…
Also hier einkleben, der fünfte ist gratis und wenn hier der eine Minimoi dem anderen eine Arschtritt verpasst haben sie einen Superjoker… Nein, Moment…. Vreni… VRENI?!? WIE IST DAS MIT DEM MONATSGEWINN BEI DEN MINIMOIS?
Minions?
Nein, diese, hä du weist doch, mit dem Auge, welche Kathrin auf ihrer Tasche hat…
Eben…

Etwas erschöpft kam ich von der Arbeit, mehr oder minder ausgeglichen, und wollte nur noch schnell ein Nachtessen einkaufen. Nun kann die Frage nach der Superkarte darüber entscheiden, ob ich dem Rentner meinen Einkaufskorb über den Scheitel ziehe, das Regal mit der Quengelware in Brand stecke und den Kassierer mit einem fünf-Rappen-Plastikbeutel erdrossle.

Über RAB

Ein Schreiberling mit nüchternem Blick auf das Leben, beim Versuch, selbiges aus satirischer Sicht etwas angenehmer zu bewältigen.
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