Auf Job-Suche

Dann und wann bedarf auch der klügste Kopf ein wenig leichte Nahrung. Bin wohl nicht der klügste, liegt vielleicht an der Art der leichten Nahrung, sprich Lektüre. Bisweilen überkommt es mich und ich erstehe Literatur vom Format «Neue Freizeit» und artverwandte Schundwerke.

Die Unsitte, diese Hefte mit Rätsel zu füllen, nimmt mittlerweile überhand. Auf der Frontseite wird angepriesen 100 Seiten, XXL-Rätsel! Wow, dies erhalte ich neben allen wertvollen Informationen über verblassende Stars und Sternchen! Was ein Schnäppchen!
Nun, das Schnäppchen ist in etwa gleicher Natur, wie die die Ankündigung von Radio Energy und ähnlichen hochwertigen Rundfunksendern «Jetzt 5 Songs am Stück!». Dies ist keine Dienstleistung, dies ist einfach an der Moderation gespart. Aber die Clientel denkt sich tatsächlich, hier einen Mehrwert zu erhalten.
So kaufe ich also ein Heft um Klatsch und Tratsch zu lesen, was ich erhalte ist folgendes: 15 Seiten Neuigkeiten über alternde Serienstars und Königshäuser, 20 Seiten Gesundheitstipps gegen Arthrose, Blasenschwäche, Vergesslichkeit und Ratschläge, wie meine Beine auch bei grosser Hitze schlank bleiben. Frische Ananas und Wechselduschen helfen dabei. Sechs Seiten leckere Kochrezepte, traumhafte Apfelkuchen, und rund 9 Seiten, um die Kilos wieder loszuwerden. Der Ernährungspapst Dr. Riedl erklärt, wie ich mir die Haut gesund esse. Hat einen Beigeschmack von Hannibal.

Neben den Informationen, welche einem jedes Newsportal liefert, widmet sich die Neue Freizeit natürlich auch dem investigativen Journalismus. Ganze Heerscharen von ‘guten Freunden’ und ‘engen Vertrauten’ der Prominenten stecken ihnen Informationen zu. Was natürlich die Qualitäten dieser engen Vertrauten als gute Freunde irgendwie in Frage stellt.

Bei der Verfassung der Texte bildet der Konjunktiv 2 die solide Grundlage. Im Gegensatz zu Herrn Koch kann ich euch den Konjunktiv 2 kurz erklären. Man verlässt damit die reale Welt und begibt sich ins Reich der Fantasie.
Statt, dass man schreibt Herzogin Kate und William werden zur grossen Geburtstagsfeier von Prinzessin Victoria eingeladen, tippt man; Wenn die Prinzessin ihren Geburtstag feiert, würden Herzogin Kate und William gewiss eingeladen werden. Der süsse George und die kleine Estelle könnten wunderbar spielen.
Sprich, die Klatschhefte suggerieren im Konjunktiv 2 eine relative Gewissheit der Dinge, welche eintreffen könnten, tun sie es nicht, kann ihnen keiner einen Strick drehen. Wie will man jemand haftbar machen, welcher eine Vermutung geäussert hat.
Gut, einmal hat die Klatschpresse den Bogen etwas überspannt. «Hurra, es ist ein Junge» wurde verkündet. Einen Tag, bevor Prinzessin Victoria ihre neugeborene Tochter in den Armen gehalten hat. Kann passieren.

Baby-Jubel! Prinzessin Sofia! Es soll eine kleine Prinzessin werden.
Schon auf der Titelseite lässt man alles im vagen Rahmen.

Nehmen wir den Artikel doch ein wenig auseinander, habe sonst nichts zu tun.
Es ist das heisseste Gerücht des schwedischen Sommers, Prinzessin Sofia und Prinz Carl-Philip sollen wieder Nachwuchs erwarten.

Natürlich tun sie das. Weil die Bäuche von royalen Damen stets im Mittelpunkt des Interessens stehen. Einmal herzhaft von der Torte genascht, ist die Frau guter Hoffnung. Einmal ein Glas Wasser anstelle des Sektes, hat sie ein süsses Geheimnis. Und ist das Kleid eine Idee zu weit geschnitten, erahnt man darunter ein süsses Baby-Bäuchlein.

Fakten-Check, etwas als heissestes Gerücht anzupreisen ist total unverfänglich. Ist schlecht nachzuprüfen. Ein Gerücht ist ein Gerücht und einen Indikator für den Hitzegrad eines selbiges wurde meines Erachtens nicht definiert.

«Sofia hat es nur einigen ihrer besten Freundinnen verraten, aber so ein zuckersüsses Geheimnis verbreitet sich in Windeseile» erzählt eine enge Vertraute schmunzelnd.

Eine tolle Vertraute, welche damit zur neuen Freizeit rennt. Im Wissen, dass es nur einigen Freundinnen anvertraut werden sollte. Und bereits die Annahme, dass es sowieso ausgeplaudert wird, spricht für die besten Freundinnen.

Kann niemand behaftet werden, aber Oma Hildegard gerät in Verzücken.

Kronprinzessin Victoria soll es als erste erfahren haben

So, die Grundaussage, entbehrend jeglicher verlässlicher Fakten ist getätigt und mit diesem «soll» packt man nun alles in die Geschichte, was mit gesundem Menschenverstand in irgendeiner Art und Weise mit einer Nachwuchsankündigung in Verbindung gebracht werden kann.

Der Storch soll eine kleine Prinzessin bringen. Der Trubel in der Villa Sollbacken würde grossartig werden. Die Brüder sollen ganz aufgeregt sein. Sie könnten schon Namen für die Prinzessin haben.
Mutmassungen ergänzen Wunschdenken, untermalt mit schwammigen Insiderwissen und schon hat man eine halbe Seite gefüllt. Dazu noch ein paar Babybauch-Fotos aus dem Jahr 2017, ein Foto des zufriedenen Paares aus dem Archiv verbindet man mit der Vorfreude auf das Baby und fertig ist eine Geschichte ohne jegliche Relevanz.

Aber deswegen kaufe ich die Hefte ja, will mich nicht beschweren.

Nehmen wir uns noch einen Artikel vor.
Queen Elizabeth! Horrorfund auf dem Dachboden! Der verstossene Junge der Königin!

Noch ein weiterer Prinz? Und die Öffentlichkeit kennt ihn nicht? Neue Freizeit hat es aufgedeckt!

Nun ganz so dramatisch ist es nicht. Die Rede ist von John, dem 5. Sohn von König Georg V. Hatte Epilepsie und war vermutlich Autist. Auf genealogischen Tafeln wurde er gefliessentlich übergangen, man war wohl nicht sehr stolz auf den Jungen. Er geriet in Vergessenheit, bis 1996 bei einer Nachlassversteigerung eine Fotografie von ihm auftaucht und man sich wieder an ihn erinnerte.

Irgendwie muss hier noch Pepp rein. Anstelle des Auktionstisches von Sothebys, nimmt man einen alten, schummrigen Dachboden. Handwerker sollen das Geheimnis entdecken. Macht es authentisch. Einer von uns.
Schauen wir die Fotos an. Der Knabe lächelt nie. Neue Freizeit beschreibt, wie er stets traurig blickt, weil er nicht glücklich sein durfte.
Wir sprechen vom Anbeginn des 19. Jahrhunderts. Niemand lächelte auf Fotos. Ein Foto war ein wichtiges Dokument, man brachte zu diesem Ereignis die erforderliche Ernsthaftigkeit mit. Zudem galt es als unschicklich, Lippen waren dazu da, die Zähne zu bedecken. Zu guter Letzt, bei einer Belichtungszeit von 45 Sekunden hiess es ganz schön lange stillzusitzen und wir wissen, wie bescheuert nur schon ein gestelltes Lächeln für eine Momentaufnahme wirkt. Nicht auszudenken, welch künstliche, verzerrte Fratzen uns traumatisieren würden.

Nun noch ein Bild von der Queen und Prinz Phillip, welche über den Fund tief erschütternd sind. Und nachhaltig! Immerhin bereits seit 24 Jahren… Ach nein, der Dachboden, ich vergass. Und Kate und William, einmal nicht lächelnd, sind über die Herzlosigkeit entsetzt, suggeriert uns das Bildmaterial und die Zeilen unter selbigem.
Das Bild stammt von Getty Images. Weil Kate gerade mal 14 Jahre alt war, als das Bild aufgetaucht ist und sich ihr Entsetzen wohl in Grenzen gehalten hat.

Was mache ich nun mit diesen Erkenntnissen? Richtig, ich will einen Job im Klatschbusiness.

Liebe Redaktion

Kürzlich habe ich mir eine Magazin Ihres Verlags, die Neue Freizeit zu Gemüte geführt. Die Nummer 8 vom Oktober 2020.

Nebst dem unterhaltenden Teil ist mir aufgefallen, dass doch sehr viele der Artikel auf den Aussagen von dubiosen „engen Vertrauten“ und „guten Freunden“ basieren.
Der Konjunktiv 2 wird nahezu inflationiär verwendet, jeglicher Informationsgehalt basiert auf Mutmassungen. Was könnte passieren, wenn denn… wie würde X wohl reagieren, wenn Y dies machen würde.

Speziell toll fand ich den Baby-Jubel von Prinzession Sofia, welcher in seiner Gesamtheit einfach schön ausgedacht ist. Alles könnte sein, nichts muss.

Auch die Geschichte über Prinz John. Mal eben mit einem Dachbodenfund in die heutige Zeit verlagert. Fotos waren schon 1996 aufgetaucht, ist ja nun kein Geheimnis. Natürlich, könnte sein, dass bei Renovationen nochmals was gefunden wurde. Aber, dass die Neue Freizeit hier als einzige davon wissen, deucht mich schon etwas bemüht. Ausgeschmückt mit alten Archivbildern, das Entsetzen ist in den royalen Antlitzen direkt zu sehen, wird eine ganze Doppelseite aufgepeppt.

Was ich damit sagen will; Wieviele Ihrer Stories, so über ein Jahr hinweg gesehen, werden auf diese Weise erstellt und wann kann ich bei Ihnen anfangen?

Geben Sie mir ein kleines Budget für den Bilder-Einkauf und ich decke Sie im fünf-Wochen-Rhytmus mit den tollsten Adels- und Promimutmassungen ein.

Besten Dank und freundliche Grüsse

Nun, ich warte auf Antwort und habe bereits wieder zwei Stunden eines verregneten Sonntags durch.

Über RAB

Ein Schreiberling mit nüchternem Blick auf das Leben, beim Versuch, selbiges aus satirischer Sicht etwas angenehmer zu bewältigen.
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